Kieler Volksmund: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. Juni 2021, 15:16 Uhr
In jeder Stadt gibt es neben Sagen und Stadtlegenden feststehende, aber inoffizielle Begriffe, die Bauwerke, Denkmäler oder andere ortstypische Gegebenheiten meist spöttisch oder karikierend aufs Korn nehmen. Kiel bildet dabei natürlich keine Ausnahme.
Die folgende Liste stellt einige solcher "kielerischen" Wörter, Studentenjargon, seltsame, kuriose, mehr oder minder humorvolle, vergessene sowie alte oder neue Begriffe zusammen, darunter auch solche, denen es vergönnt war, irgendwann einmal "amtlich" zu werden:
A
- Amöbe: Neubau des Zentrums für Molekulare Biowissenschaften der CAU
- Arbeiter auf der Suche nach seiner letzten Lohnerhöhung: Skulptur "Werftarbeiter" von Walter Rössler
B
- Beamtenlaufbahn: für die kürzeste Verbindung zwischen der Blume (Polizeipräsidium Blumenstraße) und dem Rathaus; offizieller Name des Fußwegs seit 1961
- Blauer Chrischan / Blauer Albrecht: für das Universitätshochhaus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel von der Architektin Ellen Krotz
- Blume: Kiel-Rotwelsch für die Polizeiwache mit der Kriminalpolizei, das ehemalige Polizeipräsidium in der Blumenstraße
- Brausebude: Historischer Holzbau auf der Museumsbrücke Seegarten, aus dem früher tatsächlich Brause an die Werftarbeiter verkauft wurde
- Bullenkloster: Kieler Wohngebäude an der Ecke Hamburger Chaussee / Theodor-Heuss-Ring (Waldwiesenkreuz), das ursprünglich ausschließlich für die Unterbringung von männlichen Polizeischülern und Studenten konzipiert war.
- Butenkieler: Bezeichnung für Kieler Bürger, die das Leben an andere, häufig weit entfernte Wohnorte verschlagen hat, die sich aber weiterhin als Kieler fühlen. (Plattdeutsch buten=draußen)
- Butterburg: Bezeichnung für die Marine-Arrestanstalt in der Feldstraße, die eine zentrale Rolle im Kieler Matrosenaufstand gespielt hatte. Der Name rührt daher, dass sie später als Lagerhaus für Butter diente. Das Gebäude wurde am 4. Juni 1964 gesprengt.
C
D
- Dangerbauten: studentisch für die Angerbauten, die bei starken Wind aus Sicherheitsgründen geräumt wurden
- Doppelte Büroklammer: Skulptur "Seewind" von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff (1989)
E
- Ellerbeker Rundschlag: Viele Interpretationen, nicht nur von Nicht-Kielern:
- Beim Sport- und Wanderrudern als eigentlich spöttisch-abwertende Bemerkung von Ruderern über diejenigen, die "nicht richtig rudern": neben dem Ellerbeker Rundschlag (das Ruderblatt beim Rückholen der Riemen – dem Vorholen – nicht flach/horizontal gedreht) gibt es auch auch das "Krebse fangen" (den Riemen beim Rückholen nicht ordentlich aus dem Wasser bekommen).
- Der Begriff "Ellerbeker Rundschlag" soll ursprünglich auf die besondere Rudertechnik der Ellerbeker Fischer zurückgehen: Mit ihren hochbordigen Kähnen (natürlich ohne Rollsitze) ruderten sie zum Fischen auf der Förde. Dabei war die Bewegung der Ruderblätter eine Kreisbewegung. MöglicherweiseIch benutzten die Fischer diese Bezeichnung selber gar nicht, es sei denn, sie waren mit ihren Rudertechnik schneller als die anderen Fischer an der Kieler Förde.
- Der Begriff wurde später auf andere Rundumschläge verallgemeinert: mit dem Fäusten oder auch verbal, körperlich mit dem Vorschlaghammer, mit Gabel oder Löffel beim Reinschaufeln des Essens.
- Ellerbeker Schloss: Gerhart-Hauptmann-Schule in der Großen Ziegelstraße
- Eisenbahnersiedlung: kleine Wohnsiedlung zwischen der B 404/dem Vieburger Gehölz und dem alten Güterbahnhof am Tonberg in Gaarden-Süd
F
- Fördedampfer: Ob jemand echter Kieler ist, erkennt man nicht nur an der Aussprache ("Ächtä Kielä"), sondern auch am korrekten Gebrauch des Vokabulars. Wer in Kiel mit dem Schiff nach Laboe fahren will oder nach der Hafenfähre zum anderen Fördeufer fragt, ist sofort als Neukieler oder gar als Tourist entlarvt. Denn die Fördeschiffe der SFK heißen in Kiel seit Alters her Dampfer, auch wenn sie längst nicht mehr mit Kohle betrieben werden.
G
- Gebetsabschussrampe: Studentenjargon für die Universitätskirche (1965, Architekten: Herbert Weidling und Erhart Kettner)
- Geistkämpfer: Kieler Volksmund für die Skulptur von Ernst Barlach an der Nikolaikirche, den Ernst Barlach selbst übernahm.
- Gestrandeter Wal: Kieler Fischhalle von Stadtbaurat Georg Pauly, heute Schifffahrtsmuseum
- Groschenkirche: Jakobikirche
H
- Halleluja-Gasometer: Kirchturm der Jakobikirche
I
J
K
- Katastrophenschleife: Ausweichlinie in der Brunswiker Straße, genutzt bei Betriebsstörungen der Straßenbahnlinien 1 und 4 und von der Asmus-Bremer-Bahn beim Kieler Umschlag
- Katholikenwiese: für die Wiese an der katholischen Kirche St. Heinrich zwischen Feldstraße und Forstbaumschule
- Kippe: Alte Bezeichnung für das Südende der Hörn, dort wo seinerzeit die Auffahrt von der Kaistraße zur Gablenzstraße lag. Damals ging man "um die Kippe", wenn man ums Ende der Hörn ging.
- Klagemauer und Echo: Bebauung der unteren Holtenauer Straße mit den Arkaden am Dreiecksplatz
- Klappt-Nix-Brücke oder Flagge-Klappe: Hörnbrücke
- Kleiner Streifen: die Adalbertstraße, von den Marinesoldaten so genannt, da sich dort früher eine Vielzahl von Kneipen befand
- Klein-Manhattan: Mettenhof
- Klein Moskau: Denkmalgeschützte, ehemalige Kleinwohnungssiedlung in der Rendsburger Landstraße 141-155 aus den späten 1930er-Jahren, die Anfang der 1990er-Jahre umfassend modernisiert wurde.
- Kloppi: Kosename für die beliebte Drogeriemarktkette Kloppenburg, die ab 2008 von der Dirk Rossmann GmbH übernommen wurde.
- Klümpschuss: Volkstümliche Bezeichnung für den 12-Uhr-Signalschuss des Marine-Signalturms, der auch dazu genutzt wurde, die Klöße für das Mittagessen zum richtigen Zeitpunkt in das Kochwasser zu legen. (Plattdeutsch Klümp=Kloß)
- KN-Platz oder KN-Parkplatz: Übliche Bezeichnung des Asmus-Bremer-Platzes, als er noch ein namenloser Parkplatz war.
- Krim hieß der Streifen hinter den Grundstücken des Sophienblatts bis zu den Bahngleisen im Bereich von der Alten Lübecker Chaussee bis zur Gablenzbrücke, weil sich dort einst ein Lager mit russischen Kriegsgefangenen befand. Seit 2017 wird das Gelände unter der Bezeichnung Marthas Insel neu bebaut.
- Küste (auch: Kieler Küste): Seit jeher die Bezeichnung für das Rotlichtviertel am Wall und in seinen Seitenstraßen
L
- Liegender Holländer: Skulptur Segler von Karlheinz Goedtke am Seegarten
- Lohn-Preis-Spirale: Wind-Licht-Objekt von Hermann Göpfert und Johannes Peter Hölzinger vor der Sparkasse am Kleinen Kiel. Auch Olympia-Spirale genannt (zumindest bei dem Landesamt für Denkmalpflege S.-H.)
- Lohntütenweg: Treppenweg von der Howaldtwerft bis zum Dorfteich in Neumühlen-Dietrichsdorf, seit 1963 amtlich
M
- Mäuseturm und Langer Lulatsch: Gebäude am Lotsenhafen an dem Tiessenkai (heute umbenannt in Holtenauer Reede) in Holtenau: der Mäuseturm war ein (nicht hohes) Aufenthaltshäuschen für die Führer der Lotsenversetzboote, der (hohe) Lange Lulatsch war der Lotsenturm (abgerissen 1972).
- Manhattan-Hof, M-Town: Mettenhof
- Mettburger: Mettenhofer Bürger
- Möllingsruh: Volkstümlicher Name für die 1869 unter Oberbürgermeister Mölling zugeschüttete Ostspitze des Kleinen Kiels.
- Mount Klamott: Trümmerberge nach dem Zweiten Weltkrieg, z. B. in der Grünanlage Jungmannstraße/Harro-Schulze-Boysen-Weg die Reste des dort Ende Juni 1945 gesprengten Hochbunkers.
N
- Norder, der: Nordmark-Sportfeld zwischen Eckernförder Straße, Mühlenweg und Olshausenstraße
O
- Olympia-Hochhaus: Hochhaus in der Mercatorstraße, das von den Olympischen Ringen geziert wird
- Olympia-Flamme, Olympia-Feuer: Feuersäule Vortex des Künstlers Gary Rieveschl auf dem Rathausplatz
- Onkel Ludwig: für Ludwig Gödecke (1886-1967), einen gelernten Schiffbauer, der in den 1920er-Jahren Fahrräder am Rathaus und nach dem Zweiten Weltkrieg Autos auf dem Alten Markt bewachte.
P
- Philosophengang: Spazierweg zwischen Damperhof und Brunswik, seit 1869 amtlich
- Postsiedlung: Umgangssprachliche Bezeichnung für die Wohnhäuser im Postillionweg
Q
R
- Rantzaubau: Einziger historischer Flügel des Kieler Schlosses, obwohl die Grafen von Rantzau nichts mit dem Bau zu tun hatten.
- Rathausplatz: Korrekter und auch offizieller Name des Platzes zwischen dem Rathaus und dem Kleinen Kiel. Die immer wieder fälschlich auftauchende Bezeichung "Rathausmarkt" ist ein Hamburgismus. Damit zeigen selbst Redakteure der einzigen Kieler Tageszeitung regelmäßig, dass sie die Stadt, über die sie berichten, nicht wirklich kennen.
- Rote Siedlung: Bezeichnung für die Rotsteinbauten, die im Stadtteil Pries die Straßen Joachim-Mähl-Straße, Otto-Ernst-Weg, Wilhelm-Raabe-Weg und Teile der anliegenden Straßen Gustav-Falke-Straße, Wilhelm-Busch-Straße und Mensingstraße prägen.
S
- Schwertträger: Skulptur von Adolf Brütt auf dem Rathausplatz, amtlicher Name „Der Schwertmann“
- Schröpfecke: Alte Bezeichnung im Volksmund für die Straße am ehemaligen Finanzamt Kiel Süd, Kiel-Südfriedhof; seit 1964 offiziell
- Stinkviertel: Stadtviertel seitab der Gutenbergstraße, das sich nahe der ehemaligen Fäkaldüngerfabrik befindet
T
U
V
- Venus von Ki(e)lo: Skulptur "Schlummernde" von Richard Engelmann im Schrevenpark, Kiel-Schreventeich
W
- Wackelpuddingwiese: Möllingsruh
- Weißer Riese: Höchstes Hochhaus Kiels am Kurt-Schumacher-Platz
- Weserfahrt: Abkürzungsweg zur Marinestation, seit 1927 amtlich.
X
Y
Z
- Zappelgasse: Bezeichnung für die Bergstraße - wegen der Diskotheken dort.
- Zigarre, Beiboot: Anbau der Ostseehalle (zur Zeit Wunderino-Arena Kiel) am Ziegelteich
- Zigarrenkiste: Historische Landeshalle Schleswig-Holstein, zwischen Kieler Schloss und Rantzaubau