Magistrat
Der Magistrat (lateinisch magistratus „Obrigkeit“) ist in Deutschland ein Kollegialorgan an der Spitze der Verwaltung einer Stadt. Er besteht aus dem (Ober-)Bürgermeister sowie haupt- und ehrenamtlichen Stadträten.[1]
Stadtgründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Mit der Gründung der Stadt Kiel und mit der Verleihung des Lübischen Rechts 1242 war die Einsetzung eines Rates verbunden. Dieser bildete zusammen mit dem Bürgermeister als Magistrat die Stadtregierung. Der Rat wurde erstmalig 1259 erwähnt und bestand aus 12 Ratmännern, seit dem 16. Jahrhundert aus zwei Bürgermeistern und sechs Ratsherren. Sie übten ihr Amt lebenslang und unentgeltlich aus. Der Rat ergänzte sich selbst; ein Wahlrecht für die Bürger der Stadt gab es nicht.
Bürgermeister und Rat hatten allumfassende Kompetenzen. Sie leiteten die politischen Angelegenheiten, die Rechtsprechung, die Kommunalverwaltung einschließlich der Finanzen, erhoben die Steuern und übten die Gesetzgebung aus. Sie hatten auch die Aufsicht über die Zünfte, das Kriegs- und das Bauwesen. Auch die Ausübung der Polizeigewalt gehörte zu den Aufgaben des Rates. Seine Beschlüsse wurden zweimal jährlich, am Petritag (22. Februar) und am Michaelistag (29. September), der Bürgerversammlung bekannt gegeben.
Erste Bürgervertretungen in der Stadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im ausgehenden 16. und im 17. Jahrhundert hatte der Rat Verfassungskämpfe mit Adel, Bürgern und Landesherren zu bestehen ( so bspw. die Streitigkeiten um die Stadtdörfer). Durch Vermittlung des Landesherren erhielten die Bürger seit 1645 eine Interessenvertretung in Form der 16 Männer. Im 17. Jahrhundert entstand daneben der Bürgerausschuss der 32 Männer. Diese beiden Gremien erstritten sich im Laufe der Zeit das Selbstversammlungsrecht und schließlich die freie Wahl ihrer Mitglieder. Diese blieben zeitlebens im Amt. Die Bürgerkollegien waren an allen Verwaltungsgeschäften der Stadt beteiligt.
Einen grundlegenden Wandel der Kommunalverfassung brachte die Revolution von 1848. Die Provisorische Regierung verabschiedete am 18. Oktober 1848 für die Herzogtümer Schleswig und Holstein die Allgemeine Städteordnung. Die Abgeordneten wurden von nun an von den Bürgern gewählt, wobei der Grundbesitz keine Rolle mehr spielte. Magistrat und Stadtverordnetenkollegium berieten in öffentlichen Sitzungen gemeinsam, stimmten aber getrennt ab.
Preußen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Als Ergebnis des Deutsch-Dänischen Krieges von 1864 und des Deutschen Krieges von 1866 wurde Schleswig-Holstein preußische Provinz und ihre Städte damit der preußischen Städteordnung unterstellt, die provinzweise galt. Während im übrigen Preußen das Wahlrecht zu den städtischen Kollegien an das Dreiklassenwahlrecht gebunden war, galt für die schleswig-holsteinischen Städte ein gleiches Wahlrecht für Bürger, nicht aber für Einwohner. Wahlberechtigt war, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, volljährig war, seit mindestens einem Jahr in der Stadt wohnte, einen eigenen Hausstand besaß und eine bestimmte Gebäude- oder Gewerbesteuer zahlte oder eine Steuerleistung erbrachte, die einem jährlichen Mindesteinkommen entsprach. Da Frauen und Nicht-Bürger nach diesem Wahlrecht nicht wählen konnten, waren 1869 nur 7,8% der Einwohner Kiels wahlberechtigt.
Mit dem rasanten Wachstum der Stadt wuchs auch die Zahl der Magistratsmitglieder. Vor dem Ersten Weltkrieg bestand er aus dem Oberbürgermeister, dem Bürgermeister sowie sechs besoldeten und sechs unbesoldeten Stadträten. Diese Städteordnung blieb bis 1933 bestehen. Seit 1919 hatten jedoch alle volljährigen Einwohner der Stadt, auch die Frauen, das aktive und passive Wahlrecht.
Die Verwaltung in der NS-Zeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Januar 1933 begann die Gleichschaltung aller politischen Organe und aller Organisationen. Der letzte demokratisch gewählte Oberbürgermeister, Dr. Emil Lueken, wurde schon am 11. März 1933 auf Anordnung des Regierungspräsidenten durch den Kreisleiter der NSDAP in Kiel, Walter Behrens, ersetzt. Er blieb bis 1945 im Amt.
Die Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 und die Hauptsatzung der Stadt Kiel vom Oktober 1935 legten fest, dass der Magistrat aufgelöst wurde und der Oberbürgermeister die Stadt führte. Er erhielt sein Amt nicht durch Wahl, sondern wurde bei Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern durch den Reichsinnenminster auf Vorschlag des NSDAP-Beauftragten ernannt. Ein Gremium von 17 Gemeinderäten, die ebenfalls von der Partei ernannt waren und den Oberbürgermeister lediglich zu beraten hatten. Sie hatten keine Entscheidungsbefugnis, es gab daher auch keine Abstimmungen. (Der Begriff "Gemeinderat" bezog sich auf die einzelnen Personen, nicht auf das Gremium als Ganzes. Die Gemeindeordnung sah vor, dass die Gemeinderäte in Städten den Titel "Ratsherr" führten. Das wurde aber offenbar in Kiel nicht umgesetzt; die Protokolle sprechen stets von "den Gemeinderäten".)[2]
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Kiel von den Briten besetzt. Sie enthoben den nationalsozialistischen Oberbürgermeister Behrens am 14. Mai 1945 seines Amtes und ernannten Dr. Max Emcke zu seinem Nachfolger. Die britische Militärregierung bestimmte ebenfalls eine Stadtvertretung, die mit 49 Teilnehmern am 6. Dezember 1945 zusammentrat.
Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die erste Kommunalwahl fand am 13. Oktober 1946 statt. Am 18. Oktober wurde Andreas Gayk einstimmig zum Oberbürgermeister gewählt.
Durch die schleswig-holsteinische Gemeindeordnung vom 24. Januar 1950 und die Kieler Hauptsatzung vom 20. April 1950 wurde die Magistratsverfassung wieder in Kraft gesetzt. Der Magistrat setzte sich aus dem hauptamtlichen Oberbürgermeister, dem Bürgermeister, sechs hauptamtlichen und elf ehrenamtlichen Stadträten zusammen.
Die Aufgaben des Magistrats bestanden darin, die Verwaltung der Stadt nach den Richtlinien der Ratsversammlung zu leiten. Die Stadträte waren in ihrem Aufgabenbereich selbstständig und unterlagen keinerlei Weisung durch den Oberbürgermeister. Die nach allgemeinem, gleichem und geheimem Wahlrecht gewählte Ratsversammlung bestand aus 44 Ratsherren.
Neue Kommunalverfassung von 1997[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Seit den 1990er Jahren befand sich die Kommunalpolitik im Umbruch, weil sich die Rahmenbedingungen verändert hatten. Ausschlaggebend war die Forderung nach mehr Demokratie im Zuge der deutschen Wiedervereinigung. In Schleswig-Holstein begann der Ausbau der demokratischen Mitbestimmung 1990 mit der Einführung plebiszitärer Elemente wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Schließlich trat eine neue Kommunalverfassung für die vier kreisfreien Städte mit dem 1. Januar 1997 in Kraft. Kernstück ist die direkte Wahl der Bürgermeister und Landräte. Die bisherigen Strukturen im Kieler Rathaus wurden damit völlig verändert und der Magistrat abgeschafft. Die Oberbürgermeisterin oder der Oberbürgermeister werden direkt auf sechs Jahre gewählt. Alle bisherige Amtsgewalt des Magistrats ist auf die Oberbürgermeisterin/den Oberbürgermeister übergegangen. Ehrenamtliche Stadträte gibt es nicht mehr. Und damit sind Verwaltung und Selbstverwaltung strikt getrennt.
Am 18. Dezember 1996 fand die letzte Kieler Magistratssitzung im Rathaus statt. Nach einem letzten Tagesordnungspunkt löste der kommissarisch amtierende Oberbürgermeister Karl-Heinz Zimmer den Magistrat auf.[3]
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Wikipedia: „Magistrat“
- ↑ Wikipedia: Gemeindeordnung „Deutsche Gemeindeordnung“
- ↑ Kieler Erinnerungstag: 18. Dezember 1996 auf kiel.de