Pestfriedhof

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Blickrichtung Dänische Straße: Bauarbeiten im Schloßgarten (1962). Rechts der Neubau des Hotels Conti Hansa (ungefähr dort, wo der Gertrudenfriedhof lag)

Der sogenannte Pestfriedhof (auch Gertrudenfriedhof genannt) wurde um 1350 am Südende des Schloßgartens angelegt. Vor 1572 wurde er aufgelöst und die dazugehörige Gertrudenkapelle abgerissen.

Am 14. Februar 1961 wurden bei Ausschachtungsarbeiten in der Dänischen Straße unterhalb der Straßenbahnschienen Knochenreste gefunden. Nach Ermittlungen der Polizei handelte es sich dabei um sehr alte Knochen und so gab es nun Gewissheit, dass sich der Pestfriedhof an dieser Stelle befand.

Die erste Pest-Pandemie erreichte das heutige Gebiet von Schleswig-Holstein und Kiel im Jahr 1350. Die Zahl der Pesttoten wurde zu groß, als dass die beiden vorhandenen Friedhöfe, der Nikolai-Friedhof und der Kloster-Friedhof, ausreichten.

Mit etwa 17 ha[Anm. 1] war die Stadt zu klein, um einen weiteren Friedhof innerhalb der Stadtmauer anzulegen.

Dass der Friedhof außerhalb der Stadt aus seuchenhygienischen Gründen errichtet wurde, wird von der Mehrzahl der Historiker ausgeschlossen, da das Prinzip der Ansteckung der Krankheit Pest, vor allem die Ansteckung von Tier zu Mensch, weitgehend unbekannt und unvorstellbar war. Man mag jedoch spekulieren, ob der schon 1267 angelegte und weiter entfernt liegende St.-Jürgen-Friedhof für „Aussätzige“ (Personen mit ansteckenden Krankheiten) aus Hygienegründen nicht für die Toten der Pest verwendet wurde.

Kapelle St. Gertrud[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1350 schenkte der Ritter Nicolaus Split[Anm. 2] (auch Splyt geschrieben) ein Teil seines Burglehens in Brunswik vor dem Dänischen Tor der Stadt Kiel. Graf Johann III. der Milde willigte ein, dass dort außerhalb Kiels ein Friedhof angelegt und eine hölzerne Kapelle gebaut werden konnte (Urkunde vom 19. Juni 1350).

Nach der Urkunde vom 24. Juni 1350 des Bremer Erzbischofs Gottfried von Arnsberg (* um 1285; † 1363) wurde die Kapelle dem Apostel Jakob, den Heiligen Fabian, Sebastian, Antonius und als Hauptpatronin der Heiligen Gertrud geweiht. In der Urkunde erwähnt wurde auch die „schreckliche Seuche“ Pest.

Die St.-Gertruden-Kapelle (auch St. Jacobskapelle genannt) stifteten der Kieler Rat und die Bürgerschaft.[1]

Wulf von Hagen verkaufte 1352 seinen Anteil des Dorfes Schwartenbek an den Kieler Magistrat zur Stiftung einer Vikarie der Gertrudenkapelle, deren Kapital von dem Kieler Ratsherr Schele Harder stammte.[2]

1530 vergab der Kieler Rat noch eine Pfründe für das Hospital der Gertrudenkapelle[Anm. 3]; 1570 heißt es aber in einem Bericht an den Herzog Adolf I. (* 1526, † 1586), die Kapelle sei abgebrochen.

Gertrudenfriedhof[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Verlegung und Befestigung der Dänischen Straße um 1850 fand man eine große Anzahl von Knochen.[3] Aus den Jahren um 1920 berichtete man ebenfalls Knochenfunde von der gleichen Stelle.

Die Knochenfunde vom 1350 bis vor 1571 bestehenden Friedhof wurden bei weitergehenden Grabungen 1961 und 1962 durch Mitarbeiter des Anthropologischen Instituts der Kieler Universität ausgegraben. Die 80 Skelette und 1000 Einzelfunde stammten von 247 Individuen - 81 Kinder bis 12 Jahre, 21 Jugendliche bis 18 Jahre, 78 Erwachsene bis 40 Jahre, 36 bis 60 Jahren und 31 über 60 Jahren. Von 91 erwachsenen Individuen konnten 72 männlich und 4 weiblich bestimmt werden. Die geringe Anzahl von Frauen erklärt die in dieser Zeit nach Geschlecht getrennte Bestattung.

Daneben wurden Knochen von Haustieren, Bruchstücke von Tongefäßen (14./15. Jahrhundert), Nägel, Hufeisen und ähnliches sowie drei bronzene und eine eiserne Schnalle (um 1350) geborgen. Aufgrund der Datierung der Scherben und Schnallen und die urkundliche Belegung wurde der Friedhof zweifelsfrei als Gertrudenfriedhof identifiziert.[4]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Fläche bezieht sich auf Kiel innerhalb der Stadtmauer. Das heutige Stadtteil Altstadt umfasst 34,7 ha (Stand 31. Dezember 2010) mit dem Kieler Schloss, dem Ratsdienergarten und dem Ostseekai und reicht bis zur Wasser der Kieler Förde und den nördlichen Teil des Kleinen Kiels. Zum Vergleich: das Nordmark-Sportfeld ist ca. 31 ha groß.
  2. Man findet in der Sagensammlung von Karl Müllenhoff die Erzählung über einen Edelmann Split:
    "Im Wagerlande (= Wagrien) waren so viele Grafen und Herren, daß sie sich ihrer Menge wegen nicht nähren konnten, sondern ihre Untergebenen beschweren mußten. Eines Tages schickte Graf Alf (VI.) sein Gesinde auf den Hof eines Edelmanns, Namens Split, um da den Hafer und andres Korn auszudreschen und es dann auf seine Burg zu bringen. Der Edelmann verstand das aber unrecht: er ergriff die Drescher, hieb ihnen die Füße ab, packte sie auf einen Karren und schickte sie so dem Grafen nach Segeberg zurück. Ähnlich ließen es auch die beiden anderen Grafen mit ihren Untersassen machen." (Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 19-20).
  3. Im Mittelalter waren viele Krankenhäuser dem Patrozinium der Heiligen Gertrud von Nivelles (* 626, † 659; Äbtissin des Klosters Nivelles in Belgien) unterstellt. Sie ist Schutzpatronin der Katzen und wird gegen Mäuse- und Rattenplagen angerufen, Wikipedia: „Gertrud von Nivelles“. Im Artikel Kieler Erinnerungstag: 14. Februar 1961 Mittelalterlicher Kieler Pestfriedhof gefunden wird auch erwähnt, das Gertrud von Nivelles Schutzheilige einer Kieler Gilde war.
    Der Heilige Sebastian wird gegen die Pest, andere Seuchen sowie als Schutzpatron der Brunnen angerufen, vor allem seit dem Schwarzen Tod in der Mitte des 14. Jahrhunderts.Wikipedia: „St. Sebastian“

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wilhelm Ernst Christiani, Geschichte der Herzogthümer Schleswig und Hollstein, Dritter Theil, Band 3, Kortensche Buchhandlung Flensburg und Leipzig 1777, S. 451 (books.google). Siehe auch Johannes von Schröder, Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek, Erster Theil A-H, C. Fränckel Oldenburg (in Holstein) 1841, S. 144 und Zweiter Theil J-Z, S. 33
  2. Nikolaus Falck, Neues staatsbürgerliches Magazin mit besonderer Rücksicht auf die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, Band 8, gedruckt und verlegt im Königlichen Taubstummen-Institut Schleswig 1839, S. 173 (books.google.de). Siehe auch von Schröder ebd,, Zweiter Theil, S. 338; Friedrich Volbehr, Zur Geschichte der ehemaligen Kieler Stadtdörfer in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Heft 2 , Schmidt und Klaunig Kiel 1879, S.3 ff.
  3. Christian Reuter (Hg.), Das Kieler Erbebuch (1411 - 1604), S. 51 in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Geschichte Heft 14/15, Kiel 1896
  4. Hermann Helmuth, Die menschlichen Skelettfunde des mittelalterlichen Gertrudenfriedhofs in Kiel in: Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie, Band 57, Heft 3 (September 1966), Emanuel Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (jstore.org)