Vicelinkirche

Die Vicelin-Kirche ist eine sogenannte Notkirche der Evangelisch-Lutherischen Friedensgemeinde zu Kiel in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Sie befindet sich in der Harmsstraße 123 auf einem Grundstück zwischen Zastrowstraße und Achter de Kark im Stadtteil Südfriedhof.[1] Das benachbarte Pfarr- und Gemeindehaus hat die Adresse Paul-Fleming-Straße 2-4.
Geschichte
Als die Vicelingemeinde 1908 eigenständig wurde, wurde auch das Verlangen nach einer eigenen Kirche größer. Auch wenn der Krieg einiges schwieriger machte, konnte 1914 der Grundstein gelegt werden. Am 29. Oktober 1916 wurde die Kirche eingweiht. Am 9. April 1945 wurde die Kirche durch einen Bombentreffer vollständig zerstört. Der Turm musste wenige Tage später gesprengt werden.
Die heutige Kirche wurde in den Jahren 1948-1950 im Rahmen des evangelischen Notkirchenprogramms als erste Kieler Nachkriegskirche errichtet. Sie ist eine Typ B-Notkirche mit polygonalem Altarraum. Das besondere am Konzept Notkirche, ein Entwurf von Prof. Dr. Otto Bartning, ist, dass eine vorgefertigte Konstruktion aus Holzpfeilern und Dach in wenigen Tagen aufgestellt werden konnten und sich selbst tragen. So konnte die Gemeinde in Eigenarbeit die Mauern aus den vorher aufgeräumten und gesäuberten Trümmersteinen errichten. Da die Vicelinkirche auf dem Fundament des Vorgängerbaus wiederaufgebaut wurde, mussten zwei zusätzliche Ständerpaare bestellt werden, was sie größer als andere Notkirchen macht, ebenso einzigartig sind die Seitenschiffe. Ursprünglich war die Kirche durch zwei kleine, seitlich gelegene Vorhallen zu betreten. Die Grundsteinlegung fand am 24. April 1949 statt; am 12. März 1950 wurde die Kirche geweiht. [2]
1964-1965 wurde der Eingangsbereich der Kirche nach Entwurf von Wilhelm Neveling umgebaut. Vor der Kirche entstanden mehrere Gemeinderäume inklusive Toiletten, Teeküche und einer großen Vorhalle. Daneben kam ein freistehender Glockenturm in (für Neveling typisch) sechseckiger Betonbauweise. Dieser wurde mit 3 neuen Bronzeglocken der Firma Gebrüder Rincker bestückt, da die alten Glocken durch Kriegsschäden nicht mehr verwendbar waren. Die beiden großen Glocken befinden sich nun am Eingang des Südfriedhofs, die kleinste hängt unten im Turm als Mahnmal für die Opfer der beiden Weltkriege. Der Schriftring an der Glocke sowie das Turmkreuz wurden im Jahr 2000 vergoldet. In der Kirche entstand eine neue, große Orgelempore, die nicht nur Platz für die Orgel, sondern auch größere musikalische Gruppen bietet.
Die Kirche mit ihrem markanten Glockenturm und das Pfarrhaus sind eingetragen in die Liste der Kulturdenkmale in Kiel-Südfriedhof.[3]
Ausstattung
Die meisten Gegenstände des Innenraums entsprechen der originalen Austattung, die im Entwurf von Otto Bartning inbegriffen war und in vielen Notkirchen nicht mehr erhalten ist. So etwa Altar, Kanzel und Bänke, auch die Lichtkästen an den Pfeilern. Die Regale für die Gesangbücher sind im gleichen Stil hergestellt, jedoch einzigartig.
Aus der alten Kirche ist wenig erhalten, so das Taufbecken, gestiftet und hergestellt vom Steinmetz Ludwig Petersen, einem der ersten Kirchenvorsteher der Gemeinde, die stark durch den Krieg beschädigten Leuchter, die zu besonderen Anlässen verwendet werden, die Altarbibel, zwei Klingelbeutel und Teile verschiedener Abendmahlsgeräte. Ebenso befindet sich in der Kirche eine neogotische, auch kriegsbeschädigte Liedtafel aus Eichenholz, es ist nicht bekannt, woher diese ursprünglich stammt, aber wahrscheinlich nicht aus Vicelin.
Die heutigen Leuchter sind um einiges älter als die Kirche, sie stammen ursprünglich aus St. Nikolai. Sie wurden 1831 von drei Kieler Bürgern gestiftet und nach dem Krieg der Vicelinkirche geschenkt.
In der Vorhalle befindet sich ein Gemälde der alten Kirche, das 1965 vom Kirchenvorstand gestiftet wurde.
Im Zuge des Umbaus ersetzte 1965 eine neue Orgel die alte Behelfsorgel. Sie wurde von der Firma Friedrich Weigle in Echterdingen gebaut und verfügt über 26 Register. Sie ist eine für diese Kirche ungewöhnlich gute Konzertorgel, was der Initiative des damaligen KMD Simon zu verdanken ist.
Gemeinden
Die Vicelinkirche gehört heute mit der Heilandskirche und der St.-Jürgen-Kirche zur evangelisch-lutherischen Friedensgemeinde, die am 1. Januar 2005 durch Fusion der bis dahin selbständigen Gemeinden Vicelin, Heiland und St. Jürgen entstand. Diese wurden dadurch zu Gemeindebezirken der neu gebildeten Friedensgemeinde.
In den Jahren 1887/88 entstand in der Kieler Kirchengemeinde ein Vicelin-Pfarrbezirk. Bei der Teilung dieser Gemeinde 1908 entstand daraus die selbstständige Vicelingemeinde, die zu diesem Zeitpunkt noch keine eigene Kirche besaß. Die Gottesdienste wurden zuerst in der Jakobikirche, später im Lyzeum II (der heutigen Käthe-Kollwitz-Schule) abgehalten.
Durch die wachsende Bevölkerung kam es 1928 erneut zu einer Teilung. Es bildeten sich die Gemeinden Vicelin I, II und III, 1938 kam Vicelin IV dazu. Diese Gemeinden teilten sich nun die Vicelinkirche.
Bereits vor dem Krieg wurde versucht, Hasseldieksdamm von der Gemeinde Vicelin II abzuspalten und dort eine eigene Kirche zu bauen. Die Kirchengemeinde Hasseldieksdamm wurde 1952 eigenständig, 1957 wurde die Erlöserkirche gebaut.
Die Gemeinde Vicelin I fusionierte 1953 mit der Gemeinde St. Jürgen-Nord und existierte unter diesem Namen weiter.
Die Gemeinde Vicelin III hielt nach dem Krieg ihre Gottesdienste in der Kapelle auf dem Südfriedhof ab. Auch nach dem Wiederaufbau der Vicelinkirche blieb sie dort. Besonders Pastor Eichstädt setzte sich für eine eigene Kirche ein, 1968 wurde die Heilandskirche eingeweiht. Der Tag der Weihe der neuen Kirche war gleichzeitig auch der Tag der Gründung der neuen Heilandsgemeinde, die auch aus Teilen von Michaelis II, größtenteils aber aus Vicelin III entstand.
Da nun nur noch Vicelin II und IV übrig blieben, beschloss Vicelin IV, fortan den Namen Vicelin I zu übernehmen.
Da nach dem Ruhestand von Pastor Plath in Vicelin I kein Nachfolger gefunden werden konnte und St. Jürgen-Süd an den Fusionsbestreben der Nordgemeinde kein Interesse zeigte, vereinigten sich die beiden übrig gebliebenen Vicelingemeinden mit St. Jürgen-Nord 1982 zu einer großen Vicelingemeinde.
2005 fusionierten dann letztendlich auch Heiland und St. Jürgen-Süd, die seitdem den Namen St. Jürgen trug, zur Friedensgemeinde. Somit ist das Gebiet der heutigen Gemeinde das ursprüngliche Gebiet der alten St. Jürgen- und Vicelingemeinde (nur ohne Hasseldieksdamm).
Pastoren
- Christian Bünz (I) 1887-1921
- Theodor Voss (II) 1908-1909
- Karl Schröder (II) 1909-1933
- Theodor Voss (III) 1916-1949
- August Petersen (I) 1921-1930
- Maximilian Gehrckens (I) 1931-1946
- Walter Knuth (II) 1933-1959
- Adolf Plath (IV/I) 1938-1981
- Werner Hahn (I) 1946-1953
- Wilhelm Eichstädt (III) 1949-1968
- Gustav Möller (II) 1959-1975
- Reinhart Pawelitzki (II, V) 1977-1990
- Peter Fenten (V) 1982-1986
- Astrid Fiehland (V) 1986-1989
- Susanne Petersen geb. Früchtnicht (V) 1990-2004
- Reinhard Hoffmann (V, F) 1990-2011
- Christian Sievers (F) 2009-
- Beate Harder (F) 2010-
- Britta Timmermann (F) 2010-2017
- Uwe Kraupner (F) 2012-2024
- Maria Paschen (F) 2017-
- Monika Behrend (F) 2023-2025
Die Abkürzungen in den Klammern stehen für die jeweilige Gemeinde, in der die Tätigkeit ausgeübt wurde (Vicelin I, II, III, IV, Vicelin- und Friedensgemeinde). Die Pastoren Ehlen und Ranck, die noch einige Jahre nach der Fusion an Heiland und St. Jürgen blieben, sind nicht aufgezählt.
Gemeindehäuser
Pastorat Vicelin II
Das Pastorat neben der Kirche (Paul-Fleming-Straße 2-4) wurde als Gebäudekomplex zusammen mit der alten Kirche ebenfalls durch Johann Theede entworfen und 1914-1916 erbaut. Es verfügte ursprünglich über zwei Konfirmandensäle, ein großes Pastorat inklusive Amtszimmer sowie eine Küster- und eine Schwesternwohnung. Heute sind im unteren Teil des Pastorats die Räume des Gemeindebüros untergebracht, die beiden anderen Wohnungen werden privat vermietet. Der große Gemeindesaal lässt sich durch eine Schiebetür abtrennen, außerdem gibt es zwei kleinere Küchen.
Pastorat Vicelin I
Das ehemalige Pastorat in der Kirchhofallee 61 wurde um 1888 für Pastor Bünz erbaut und war eins der ersten Häuser der Umgebung. Bis zur Fusion mit St. Jürgen-Nord 1953 diente es als Pastorat mit Gemeinderäumen der Gemeinde Vicelin I. Später wurde es verkauft und war einige Jahre Jugendpfarramt. Heute ist es abgerissen und durch ein modernes Wohnhaus ersetzt.
Pastorat St. Jürgen-Nord
Nachdem das Haus in der Kirchhofallee 61 verkauft wurde, behielt die Gemeinde St. Jürgen-Nord ihr ursprüngliches Pastorat in der Kirchhofallee 25. Das Haus wurde 1930 erworben, es war ursprünglich das Wohnhaus von Pastor Edding. Nach Fusion zur Vicelingemeinde 1982 kam das Haus so in deren Besitz. Bis 2004 diente es als Pastorat und Kinderstube, anschließend wurde es verkauft.
Pastorat Vicelin III
Ebenso in der gleichen Straße, Kirchhofallee 66, befand sich das Pastorat der Gemeinde Vicelin III. Nachdem Pastor Voss viele Jahre weit entfernt von seiner Gemeinde wohnen musste, konnte 1930 diese Villa erworben werden. Nach Umbauarbeiten verfügte es über Pastorat, Schwesternwohnung und Gemeinderäume. 1968 kam es in den Besitz der Heilandsgemeinde, die es in den 1980er-Jahren verkaufte.
Pastorat Vicelin IV
Das Haus in der Nietzschestraße 56 wurde 1951 als Pastorat für die Gemeinde Vicelin IV erbaut, nachdem vorherige Pläne durch den Krieg verhindert wurden. Über Jahrzehnte war es der Wohnsitz von Pastor Plath, nach seinem Auszug wurde es privat vermietet. Bis 2011 wurde in den unteren Räumen noch eine Kinderstube betrieben, später ein Hort des CVJM, heute sind sie an die Stadt Kiel vermietet.
Hasselgrund
Zur Stärkung der Gemeindearbeit im Landbezirk Hasseldieksdamm wurde für die Gemeinde Vicelin II 1928 vom Kirchengemeindeverband ein Sommerhäuschen im Julienluster Weg 35 erworben. Besonders stark wurde es von der Jugend und der Frauenhilfe benutzt. Das kleine Holzhaus war jedoch im Winter nicht nutzbar und verfiel zunehmends. Nach einem Brand wurde es 1958 als massives Haus neu aufgebaut. Auch nach Abspaltung der eigenständigen Gemeinde Hasseldieksdamm verblieb es im Besitz der Vicelingemeinde. In den letzten Jahren wurde es umgebaut und das renovierte Haus 2024 eingeweiht. Zusammen mit der Claus-Harms-Gemeinde wird seit vielen Jahren der Gottesdienst am Pfingstmontag in Hasselgrund gefeiert.
Bilder
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Die frühere Vicelinkirche (um 1920)
Weblinks
„Vicelinkirche“ auf dem Online-Stadtplan der Stadt Kiel, aufrufbar auf kiel.de
- Webseite der ev.-luth. Friedensgemeinde
- Wikipedia: „Bartning-Notkirche“
Einzelnachweise
- ↑ Wikipedia: „Vicelin-Kirche Kiel“
- ↑ Informationen zur Kirche bei Otto-Bartning.de, abgerufen am 9. Oktober 2022
- ↑
Liste der Kulturdenkmale in Kiel (nach Stadtteilen gegliedert) in der deutschsprachigen Wikipedia