Geomar
Das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)[1] ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung mit Sitz in Kiel.
Das Institut entstand 2004 aus dem Zusammenschluss des Instituts für Meereskunde (IfM) und der Stiftung für marine Geowissenschaften (GEOMAR). Dadurch bedingt besitzt es zurzeit noch zwei Standorte, nämlich beim ehemaligen IfM zwischen Düsternbrooker Weg und Kiellinie sowi am GEOMAR-Standort in der Wischhofstraße in Wellingdorf.
Bis zum 1. Januar 2012 gehörte es als Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR)[2] zur Leibniz-Gemeinschaft außeruniversitärer Forschungsinstitute.[3] Seine Forschungsaktivitäten sind der anwendungsorientierten Grundlagenforschung im Fach der Naturwissenschaften auf dem Gebiet der Ozeanografie, Geologie und Meteorologie zuzuordnen.
Das Institut ist der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angegliedert. Geleitet wird es von Prof. Katja Matthes, die am 1. Oktober 2020 den langjährigen Direktor Prof. Peter Herzig ablöste.[4][5]
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Meeresforschung in Kiel hat eine lange Tradition und schuf im späten 19. Jahrhundert international herausragende Grundlagen.[6]
Im Jahr 1870 wurde auf Bitte des Deutschen Fischerei-Vereins mit Unterstützung des preußischen Landwirtschaftsministeriums die Preußische Kommission zur wissenschaftlichen Erforschung der deutschen Meere in Kiel gegründet.[6] Sie errichtete zunächst eine Vielzahl von Beobachtungsstationen. Im Jahr 1883 begann ihr Mitglied Victor Hensen mit Forschungsfahrten durch die Kieler Bucht, die zum Verständnis des Plankton führten und die Biologische Ozeanographie schufen.[6] Sie wurde ein Studiengang, getragen vom Institut für Meereskunde (IfM) und dem Forschungszentrum für marine Geowissenschaften (GEOMAR).[7] Später wurde daraus eine Kooperation der Universität Kiel mit IFM-GEOMAR, dann mit dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.[8].
Im Jahr 1902 gründet die Kommission das Laboratorium für die internationale Meeresforschung, in dem physikalische, chemische und biologische Untersuchungen betrieben wurden. Ihre hydrographische Abteilung wurde von dem Kieler Geographen Otto Krümmel geleitet. Bis 1938 diente der Reichsforschungsdampfer Poseidon der Fischereiforschung in der Nord- und Ostsee.
Am 15. Juni 1935 wurde das Institut für Meereskunde als Universitätsinstitut von dem Zoologen und Direktor des Zoologischen Museums der Universität, Adolf Remane, gegründet, der auch kommissarisch die Leitung übernahm. Als Institutsgebäude diente die "Villa Niemeyer"[9] am Ostufer der Kieler Förde, zwischen Mönkeberg und Kitzeberg. Am 24. Juni 1944 wurde sie durch einen Luftangriff vollständig zerstört. Dabei starben der Leiter der hydrographisch-chemischen Abteilung, Professor Hermann Wattenberg, und weitere neun Mitarbeiter. Nach NS-Herrschaft und Zweitem Weltkrieg wurde das Institut unter Georg Wüst und Günter Dietrich wieder aufgebaut.[10]
Am 2. Juli 1987 gründete das Bundesland Schleswig-Holstein durch ein Gesetz die Stiftung für marine Geowissenschaften (GEOMAR), eine Stiftung des öffentlichen Rechts zum Betrieb eines Forschungsinstituts.[11] Standort wurde das Kieler Ostufer. Während sich das Institut für Meereskunde mit den physikalischen, chemischen und biologischen Prozessen im Meer und der Wechselwirkung mit der Atmosphäre beschäftigte, standen bei der Forschung des GEOMAR die geologischen, geophysikalischen und geochemischen Prozesse des Meeresbodens und der Interaktion mit der Wassersäule im Vordergrund.
Im Jahr 2004 wurden die Stiftung für marine Geowissenschaften (GEOMAR) und das Institut für Meereskunde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (IfM) im Rahmen der Leibniz-Gemeinschaft zusammengeschlossen.[12] Dieser Schritt wird rückblickend als eine gute Entscheidung gesehen.[13]
Am 1. Januar 2012 erfolgte der Wechsel von der Leibniz- zur Helmholtz-Gemeinschaft. Dieser Wechsel entlastete die Bundesländer, besonders Schleswig-Holstein.[14] Ursprünglich sollte die Abkürzung IFM-GEOMAR bleiben.[15] Die Entscheidung fiel dann doch für den Namen Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)
Ausblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Institut soll in naher Zukunft am Wellingdorfer Standort in der Wischhofstraße zusammengeführt werden. Dort entsteht auf dem seinerzeitigen Seefischmarktgelände unmittelbar am Ufer der Schwentinemündung seit 2017 ein Erweiterungsbau. Der ursprünglich für 2019 geplante Umzug vom West- auf das Ostufer verzögerte sich nicht nur durch die Corona-Pandemie, so dass als neuer Zieltermin das Frühjahr 2023 vorgesehen war. Durch ein Feuer auf der Baustelle am 13. September 2022[16] ist es allerdings fraglich, ob dieser Termin gehalten werden kann.
Das Gelände des ehemaligen IfM auf dem Westufer wird nach dem Umzug aus dem Besitz des Landes Schleswig-Holstein an die Stadt Kiel übergehen. Angedacht ist, dass dort dann als "Meeresvisualisierungszentrum" eine interaktive Ausstellung zur Meeresforschung entstehen könnte.[17]
Aufgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Institut hat folgende Forschungsschwerpunkte:
- Die Rolle des Ozeans im Klimawandel
- Der Einfluss des Menschen auf marine Ökosysteme
- Lebende und nicht-lebende marine Ressourcen
- Plattentektonik und Naturkatastrophen
Es gliedert sich in die vier zentralen Bereiche „Ozeanzirkulation und Klimadynamik“, „Marine Biogeochemie“, „Marine Ökologie“ und „Dynamik des Ozeanbodens“ sowie zwei Sonderforschungsbereiche (SFB) der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den SFB 754 „Biogeochemische Wechselwirkungen im Tropischen Ozean“ und den SFB 574 „Volatile und Fluide in Subduktionszonen“.[18]
Das Institut betreibt die Forschungsschiffe Alkor, Littorina und das Forschungsboot Polarfuchs sowie das einzige deutsche bemannte Forschungstauchschiff Jago.[19] Das Forschungsschiff Poseidon wurde nach mehr als 40 Jahren zum 31. Dezember 2019 außer Dienst gestellt.[20] Zum Institut gehört eine eigene Pier für die Forschungsschiffe, die "Universitätsbrücke" am Beginn der Kiellinie. Ferner betreibt das GEOMAR drei Tiefseeroboter: das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug "ROV Kiel 6000" mit einer maximalen Tauchtiefe von 6000 Metern, das autonome Unterwasserfahrzeug "AUV ABYSS" sowie seit Januar 2011 das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug "ROV PHOCA" mit einer maximalen Tauchtiefe von 3000 Metern.
An das Institut angegliedert ist außerdem das öffentliche Aquarium mit dem Seehundbecken an der Kiellinie.
Kooperationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften bildete in Kooperation mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) Studierende im Bachelor Studiengang "Physik des Erdsystems: Meteorologie - Ozeanographie - Geophysik" sowie in den Masterstudiengängen "Biological Oceanography" und "Climate Physics: Meteorology and Physical Oceanography" aus. Ferner wurden Beiträge zu verschiedenen Studiengängen in den Geowissenschaften (Geologie, Mineralogie und Geophysik) geleistet.
Finanzierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach dem Finanzierungsmodell der so genannten "Blaue-Liste-Einrichtungen" wird das Institut in Form einer Fehlbedarfsfinanzierung hälftig aus Mitteln des Bundes und der Länder finanziert. Der Bundesanteil wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) getragen, der Länderanteil zu drei Viertel vom Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr (MWWV) des Landes Schleswig-Holstein. Das restliche Viertel des Länderanteils wird nach dem Königsteiner Schlüssel auf alle Länder aufgeteilt.
Für das Jahr 2009 waren für die Grundfinanzierung des Instituts in den Haushaltsplänen insgesamt 30,2 Millionen Euro veranschlagt. Hinzu kamen Drittmittel verschiedener Finanzierungsgeber. Insgesamt hatte das Institut 2009 einen Etat in Höhe von 57 Millionen Euro und rund 750 Beschäftigte.
Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Wikipedia: „Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung“
- ↑ Wikipedia: „Leibniz-Institut für Meereswissenschaften“
- ↑ Aus IFM-GEOMAR wird GEOMAR
- ↑ Katja Matthes tritt heute ihr neues Amt an, Kieler Nachrichten, 1. Oktober 2020
- ↑ Müller, Steffen: "Wissenslücken klar kommunizieren" - Interview mit Prof. Peter Herzig, Kieler Nachrichten, 1. Oktober 2020
- ↑ 6,0 6,1 6,2 Eric L. Mills: Biological Oceanography - An Early History, 1870-1960. 2. Auflage. University of Toronto Press, 2012, ISBN 978-1-4426-1372-0, S. 3 ff (Auszug online bei Google, abgerufen am 6. Januar 2014).
- ↑ Neues Studienprogramm "Biologische Ozeanographie"
- ↑ Meereswissenschaftliche Studiengänge
- ↑ Adresse nach Kieler Adressbuch 1940: Heikendorf, Uhlenholt 4
- ↑ Dieter Adelung: Die Geschichte des Instituts für Meerekunde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. In: Jürgen Elvert, Jürgen Jensen und Michael Salewski (Hrsg.): Kiel, die Deutschen und die See (Sonderveröffentlichung 25 der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte e.V., Stuttgart 1992) ISBN 978-3-515-06266-4
- ↑ Gesetz über die Errichtung der "Stiftung für marine Geowissenschaften (GEOMAR)
- ↑ Gesetz über die Errichtung der Stiftung Leibniz-Institut für Meereswissenschaften
- ↑ Kieler Meeresforschung seit 10 Jahren im Aufwind, Pressemitteilung des Instituts vom 1. Januar 2014
- ↑ Einsparungen des Landes durch Trägerwechsel des IFM-GEOMAR
- ↑ Wichtiges Etappenziel für Umwandlung des IFM Geomar in ein Helmholtz-Zentrum erreicht
- ↑ Feuer bei Dacharbeiten beschädigt GEOMAR-Neubau auf geomar.de, abgerufen am 15. September 2022
- ↑ Kieler Nachrichten vom 15. September 2022 (Druckausgabe)
- ↑ GEOMAR auf einen Blick im Webauftritt des Instituts
- ↑ Das Forschungstauchboot Jago im Webauftritt des Instituts
- ↑ GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel: Forschungsschiff POSEIDON: Eine Ära geht zu Ende, Homepage, 18. Dezember 2019, abgerufen 22. Dezember 2020