Niederdeutsche Bühne Kiel
Die Niederdeutsche Bühne Kiel[1] (NBK) ist ein 1921 gegründetes Amateurtheater.
Die Gründung der Niederdeutschen Bühne Kiel geht auf die Initiative des Sprachforschers Otto Mensing[2] zurück.
Seiner Initiative war im Jahr davor die Einladung des Niederdeutschen Theaters Hamburg, des späteren Ohnsorg –Theaters[3], zu einem Gastspiel nach Kiel vorausgegangen. Dessen Aufführungen kamen beim Kieler Publikum so gut an, dass die Idee zu einer eigenen niederdeutschen Bühne geboren war.
Das neu gegründete Kieler Theater verstand sich von Beginn an als einen Ort des darstellenden Spiels, an dem alle seine Gattungen – vom Schwank bis zur Tragödie – vertreten sind, aber auch Weihnachtsmärchen, Lesungen und Diskussionen stattfinden.
Voraussetzung ist allerdings, dass sich „die Stücke auf einem gewissen literarischen Niveau bewegen“.
Das Personal der NBK bestand ausschließlich aus ehrenamtlich agierenden Laien. Kollegial und professionell begleitet wurde die NBK vom Städtischen Theater Kiel.
Neben dem Gebäude in der Holtenauer Straße, heute Schauspielhaus[4], wurden sämtlichen Einrichtungen und Ausstattungen zur Verfügung gestellt.
Am 10. April 1921 gab die Niederdeutsche Bühne Kiel ihre Eröffnungsvorstellung mit Stücken von Gorch Fock[5] und Hermann Boßdorf.[6]
Der Applaus des Publikums und die Resonanz in der Presse ermutigten zur Fortführung dieses Amateurtheaterprojektes, dessen Erfolg sich unter der Leitung von Otto Mensing verstetigte. Zum Zeitpunkt des zehnjährigen Bühnenjubiläums am 10. April 1931 umfasste das bis dahin gezeigte Repertoire bereits 72 Stücke.
Otto Mensing gab dann nach mehr als zehnjährigem Engagement im Jahr 1934 die Bühnenleitung auf. In den nächsten Jahren wechselten die Bühnenleiter in rascher Folge, bis Karl Wedemeyer von 1940/41 bis 1948/49 mehr Stetigkeit als Bühnenleitung mit sich brachte.
Gespielt wurde weiterhin im Kieler Theater, aber in der Saison 1943/44 auch in der Komödie am Ostuferin Wellingdorf. Der Spielbetrieb war während des Zweiten Weltkriegs eingeschränkt und konnte bis 1944 nur teilweise aufrechterhalten werden. Nach dem 1. Oktober 1944 waren bis zum Kriegsende 1945 wegen der Bombenalarme alle Kieler Theater geschlossen.
Im Sommer 1945 nahm die NBK ihre Arbeit unter Karl Wedemeyer wieder auf. Die Britische Militärregierung genehmigte die Probenarbeit im Klubhaus des Westens und die Neuerrichtung des Gebäudes, welches durch die Bombardierungen stark beschädigt war. Mit großem Engagement trotz Hungers und Mangels errichteten die Mitglieder der NBK aus den Trümmern ein neues Bühnenhaus mit einem vergrößerten Zuschauerraum, ihr Theater am Wilhelmplatz.
Der Trostlosigkeit jener Zeit wurde getrotzt und an durchweg restlos ausverkauften Spielorten in Kiel und in ganz Schleswig–Holstein der Spielbetrieb wieder aufgenommen, als erstes Theater in allen Besatzungszonen.
Der Versuch aus der NBK ein Berufstheater zu machen scheiterte aus wirtschaftlichen Gründen. Als Otto–Mensing-Theater anfangs erfolgreich, musste es 1948 mit der Einführung der D-Mark den Spielbetrieb einstellen und Konkurs anmelden. In der Saison 1948 bis April 1949 brachte das Theater noch acht Premieren heraus, aber der Traum von einer niederdeutschen Berufsbühne hatte sich nicht erfüllen können.
Im Sommer 1949 kam es zu einer Neugründung der NBK als Amateurtheater in Zusammenarbeit mit den Bühnen der Landeshauptstadt Kiel.
Als Niederdeutsche Bühne Kiel e. V. wurde sie 1949 ins Vereinsregister eingetragen.
Bis zur Spielzeit 1958/59 fanden die Aufführungen der NBK im Theater am Wilhelmplatz statt. Danach erfolgte ein Umzug in das restaurierte Schauspielhaus.
In der Folgezeit wechselten die Bühnenleiter mehrmals, von denen Heinz Busch[7] als Autor und Schauspieler sowie als Preisträger eine herausragende Rolle einnimmt.
Bühnenleiterinnen und Bühnenleiter der Niederdeutschen Bühne Kiel 1921-2023[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Spielzeit | bis | Bühnenleiter |
---|---|---|
1921/22 | 1933/34 | Otto Mensing |
1934/35 | Ivo Braak | |
1935/36 | Heinz Burmeister | |
1936/37 | 1937/38 | Walter Gundegast |
1938/39 | 1939/40 | Otto Holm |
1940/41 | 1948/49 | Karl Wedemeyer |
1949/50 | Gerhard Cordes | |
1950/51 | Karl Otto | |
1951/52 | 1956/57 | Carl Dumann-Rehna |
1957/58 | Hans Siegle | |
1958/59 | 1959/60 | Arthur Intert |
1960/61 | 1962/63 | John Karstaedt |
1963/64 | 1966/67 | Hans Hart |
1967/68 | 1987/88 | Heinz Busch |
1988/89 | 1994/95 | Jörg Warnholz |
1995/96 | 1997/98 | Peter Schreiber |
1998/99 | 2005/06 | Jutta Kessel |
2006/07 | 2011/12 | Karen Dietmair |
2012/13 | bis heute | Ulli Thode |
Der Erfolg blieb dem Theater treu. So hatte die Bühne in der Jubiläumsspielzeit 1970/71 fast 30 000 Besucher, 1980/81 mehr als 37 000 Besucher und eine wachsende Zahl von Abonnenten.
Die Zusammenarbeit mit den Bühnen der Landeshauptstadt Kiel führte 1977 zu einer vertraglich geregelten Kooperation. Die NBK verpflichtete sich, eigenverantwortlich niederdeutsche Werke und ein Weihnachtsmärchen zu inszenieren.
In der Spielzeit 1994/95 verbunden mit dem dortigen Umbau endeten die Aufführungen im Kieler Schauspielhaus.
Zurück im Klubhaus des Westens wurden die ehemaligen Räumlichkeiten des Theaters am Wilhelmplatz wieder in Eigenarbeit hergerichtet.
Ein Kooperationsvertrag mit der Stadt Kiel sicherte nunmehr den Verbleib der NBK an diesem Spielort. In Eigenverantwortlichkeit musste sie von nun an aber alles selbst organisieren, und zwar ausschließlich ehrenamtlich. Personal an der Abendkasse, an der Garderobe, bei der Bühnentechnik und dem Kulissenbau, der Maske und der Schneiderei sowie der Verwaltung usw. sorgt neben der Regie und den Darstellern für einen reibungslosen Ablauf der Aufführungen und den Erhalt des Theaters.
Neben eigenen Einnahmen finanziert sich die NBK durch die Unterstützung der Stadt Kiel und der Sponsoren.
Eine besondere Herausforderung für die NBK war die Zeit des pandemiebedingten Lockdowns in den Spielzeiten 2019/20 und 2020/21. Unter Einhaltung eines Hygienekonzeptes und der Abstandsregelungen sowohl im Zuschauerraum als auch auf und hinter der Bühne konnten zwei Produktionen noch Premiere feiern. Im November 2020 musste das Theater aber wegen eines erneuten Lockdowns vorübergehend geschlossen, neue Inszenierungen und Gastspiele verschoben werden.
Mit Videoclips in den sozialen Medien und im Internet blieb die NBK aber präsent.
Die Feierlichkeiten anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens im Jahr 2021 wurden zum späteren Zeitpunkt nachgeholt.
Nachdem diese unfreiwillig spielfreie Zeit durchstanden ist, erfreut die NBK wieder ihr Publikum mit Stücken in originär niederdeutscher Sprache, aber auch in Bühnenbearbeitungen von klassischen Dramen, beliebten Kinofilmen und zeitaktuellen Schauspielen.
Herausragende Beispiele in letzter Zeit sind:
Spielzeit | Bühnenstück Film |
Autor | Niederdeutsche Bearbeitung |
Übersetzung |
---|---|---|---|---|
1999/00 | Der Widerspenstigen Zähmung | William Shakespeare | Dat wedderborstig Käthchen | Joachim Gehring |
2001/02 | Misery | Stephen King | Moor/Jürgen Witt | |
Romeo und Julia | William Shakespeare | Joachim Gehring | ||
2002/03 | Endstation Sehnsucht | Tennessee Williams | Jürgen Witt | |
2009/10 | Ein Fall für Pater Brown | G.K.Chesterton | Een Fall för Paster Braun | K.Lensch |
Fräulein Smillas Gespür für Schnee | Peter Hoeg | Frolln Smillas Rüker för Snee | Jürgen Witt | |
2013/14 | Keinohrhase | Till Schweiger | Keenohrhaas | Jürgen Witt |
2014/15 | Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand | Jonas Jonasson | De Hunnertjährige, de ut dat Finster steeg un verswunn | |
2017/18 | Kalender Girls | T. Firth | Kalennerdeerns | M.Weise |
Frau Müller muss weg | L.Hübner | Frau Müller mutt weg | M.Weise | |
2018/19 | Honig im Kopf | Till Schweiger | Honnig in'n Kopp | Battermann, Grupe |
2022/23 | Chaim und Adolf | Stefan Vögel | Kerstin Stölting |
Im Jahr 2018 gedachte die Stadt Kiel des Matrosen- und Arbeiteraufstandes in Kiel von 1918. Viele Kultureinrichtungen erinnerten mit zahlreichen Veranstaltungen, darunter Vorträgen, Lesungen, Ausstellungen, u. v. a. m. an dieses historische Ereignis.
Die Niederdeutsche Bühne Kiel leistete ihren Beitrag in Gestalt der niederdeutschen Bearbeitung des Bühnenstückes 1918 (Negenteinachttein) von Robert Habeck[8] und Andrea Paluch[9].
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Broxtermann, Silke (Re.): ’’Ik kaam noch mal rin – 100 Jahre Niederdeutsche Bühne Kiel’’, Kiel (Eigenverlag NBK) 2021.
- ↑ Wikipedia: „Otto Mensing“, abgerufen am 11.04.2023
- ↑ Wikipedia: „Ohnsorg-Theater“, abgerufen am 12.04.2023
- ↑ Weitere Informationen zum Schauspielhaus auf kiel-sailing-city.de, abgerufen am 15.04.2023
- ↑ Wikipedia: „Gorch Fock“, abgerufen am 12.04.2023
- ↑ Wikipedia: (Schauspieler) „Hermann Boßdorf“, abgerufen am 12.04.2023
- ↑ Wikipedia: „Heinz Busch (Schauspieler)“, abgerufen am 12.04.2023
- ↑ Wikipedia: „Robert Habeck“, abgerufen am 12.04.2023
- ↑ Wikipedia: „Andrea Paluch“, abgerufen am 12.04.2023