Ernst Busch

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Friedrich Wilhelm Ernst Busch (* 22. Januar 1900 in Kiel; † 8. Juni 1980 in Bernburg (Saale) in Sachsen-Anhalt) war ein Werftarbeiter und Aktivist in der Kieler Arbeiterjugend. Er entwickelte sich zu einem international renommierten Sänger, Schauspieler und Regisseur.

Ernst Busch, 1946

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine Eltern waren der Maurer Friedrich Busch und dessen Ehefrau Emma, geborene Haß. Ernst Busch begann im Jahr 1915 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher auf der Germaniawerft. Er trat 1916 der Sozialistischen Arbeiterjugend bei und zwei Jahre später, im Alter von 18 Jahren, der SPD. Im selben Jahr wurde er auch Mitglied des Deutschen Metallarbeiter Verbands. Im Jahr 1920 schloss er die Lehre ab und wurde anschließend als Spezialist für U-Bootventile weiter auf der Werft beschäftigt.[1][2]

Busch spielte eine außerordentlich aktive Rolle in der Kieler Arbeiterjugend. Er war eine energiegeladene und charismatische, manchmal cholerische Persönlichkeit. Ab 1917 übernahm er für drei Jahre die Distriktleitung und war für das Jugendheim Jägersberg Nr. 18 zuständig. Er organisierte viele Veranstaltungen, in denen auch versucht wurde, den Hunger nach Bildung der Jugendlichen zu stillen. So gab es viele Vorträge (u. a. auch von Ferdinand Tönnies), Buchdiskussionen, Diskussionen über Alkohol- und Nikotinabstinenz, Besuche im Stadttheater etc. Busch tat sich mit Rezitationen hervor. Zum Teil wurden ganze Bücher auswendig gelernt.[3][4]

Der Kieler Matrosen- und Arbeiteraufstand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Busch führte ab September 1916 ein Notizheft, in dem er sporadisch Zusammenfassungen der Vorträge aber auch wichtige Ereignisse eintrug. Am Tag des Kieler Matrosen- und Arbeiteraufstands, dem 3. November 1918, kam Busch mittags von einer Wanderung der Arbeiterjugend zurück und notierte:

12 Uhr mittags[A 1]
Das ist die Revolution
Versammlung im Gewerkschaftshaus. Die schon vorhandene Stimmung der Matrosen brachte die Bevölkerung noch mehr aus dem Häuschen.
Die Matrosen sollten die von den Offizieren beschlossene Todesfahrt gegen England mitmachen, um mit ihnen den sog. Heldentod zu sterben. Damit waren die Matrosen nicht einverstanden. Verweigerten den Dienst.
80 Mann werden verhaftet. Ihre alten Machtmittel nützen aber nichts mehr. Die Kameraden wollen sie wieder befreien. Große Versammlung auf dem großen Exerzierplatz (das Rad ist nicht mehr zu halten). […] Demonstration durch die Stadt. Treffe Rose und Pfeiffer.
In der Brunswiker Straße kamen die vorderen Reihen mit dem Militär in Berührung. Eine Salve läßt die ganze Masse wie den Sturmwind die Straße hinunterfluten. Gleich darauf kam die hochlöbliche Feuerwehr mit einem Automobil durch die dichtgefüllte Menschenmenge hindurchgerast. Alles flüchtete zur Seite, ein Glück nur war es, daß keiner zu Schaden kam.
Geht doch vor, sie schießen ja nur mit Platzpatronen, so schreien einzelne Marinesoldaten, gehen aber selbst nicht vor. Da bringen sie schon die ersten Verwundeten. Arm in Arm gehen Pfeiffer, G. und ich die Straße weiter. Da sahen wir quer über die Karlstraße eine Reihe Polizei kniend, eine Reihe dahinter Soldaten stehend, und vor ihnen der Leutnant. Ich weiß nicht, wie mir zumute war, aber kein Gedanke darüber, daß auch uns die Kugeln in die Rippen gehen könnten. Noch weiter vor, der Leutnant erhebt den Säbel und drängt die Vorwitzigsten zurück. Unaufhaltsam schiebt sich die Masse vor. Da – Salven. Zwei Opfer fallen; aber die Straße ist frei. Alles drängt mit Todesangst die Brunswiker Straße hinauf.[5]

Später berichtete Busch verschiedentlich über die Ereignisse, u. a. äußerte er sich 1958 in einem ausführlichen Zeitungsartikel für die Berliner Zeitung und 1976 in einem Interview für den Dokumentarfilm von Karl Siebig.“ Ich bin kein Herr – Ernst Busch in Kiel“.

Klaus Kuhl kommt in einer Analyse der Aussagen zu folgender Bewertung:

Am zuverlässigsten dürfte die Tagebucheintragung Buschs sein, die offenbar mit nur wenig Zeitverzug erfolgt ist. Die späteren Aussagen Buschs weichen in wichtigen Details von den Aussagen im Tagebuch ab (Zeitpunkt des Feuerwehreinsatzes, kniende Polizisten werden nicht mehr erwähnt, stattdessen kniet jetzt die erste Reihe der Patrouille, in der Darstellung von 1978 wird sogar eine Barrikade erwähnt, die die Patrouille errichtet habe).

Max Lingner, Maler und Grafiker, der damals Flugzeugmaat in Kiel war, bestätigte in späteren Äußerungen Buschs Bericht: „Ich lag beim Sturm auf das Marinegefängnis, Deckung suchend hinter einer Plakatsäule, neben mir lag ein hellblonder Bursche … Über 30 Jahre später sah ich ihn wieder, es war Ernst Busch.“[6] Doch diese Erzählung muss man eher in das Reich revolutions-romantischer Erinnerungen verbannen.

Busch traf in den 1960er Jahren in einem Krankenhaus auch den in Kiel geborenen Alfred Meusel, und beide steigerten sich im Austausch ihrer Erlebnisse bis dahin, dass jeder mit einem Maschinengewehr hinter der Litfaßsäule in der Karlstraße gekauert habe.[7] Meusel selbst hat ein Typoskript über seine Erlebnisse bei den Kieler Auseinandersetzungen verfasst, das in der berlin-brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aufbewahrt wird (Signatur: dem NL Meusel, Nr. 4) und das vermutlich in den 1950er oder 60er Jahren verfasst wurde. Sein Bericht legt eine Beteiligung an den Auseinandersetzungen nahe. Aber die Details, die er beschreibt, widersprechen in fast allen Aspekten zeitnahen Berichten. Die Plakatsäule sowie Ernst Busch werden nicht erwähnt.

Doch muss die Tagebucheintragung sicherlich getrennt von Buschs späteren Aussagen, bei denen er zu deutlichen Übertreibungen und Ausschmückungen neigte, gesehen werden. Aber auch wenn man nur von diesen ausgeht, ergeben sich im zweiten Teil deutliche Widersprüche zu relativ gut belegten Details der Auseinandersetzung:

  • Nach Busch kam die Feuerwehr bereits nach der ersten Salve; nach Popp und Artelt kam sie erst nach den Salven von Steinhäusers Einheit.
  • Vor der Patrouille befand sich nach Busch eine Kette aus knienden Polizisten. Nach anderen Quellen wurde die Postenkette der Polizei sofort nachdem die Demonstranten sie erreicht hatte, durchbrochen und die Polizisten flohen in die Straße Langer Segen (vgl. etwa Steinhäuser oder Kleineweber).

Es ist wahrscheinlich, dass Busch tatsächlich an der Demonstration teilnahm. Dies legen sein großes Interesse für die Arbeiterbewegung und sein Temperament nahe. Er dürfte dabei die nach den Salven zurückflutenden Massen erlebt haben. Da seine Aussagen ab dann ungenauer werden, ist anzunehmen, dass Busch die weitere Auseinandersetzung mit Steinhäusers Einheit nicht mehr direkt mitbekam und nun ebenfalls den Rückzug antrat. In seiner Notiz stellte er es dann so dar, als habe er selbst gesehen, wie die Patrouille die zweite Salve abgab, was jedoch vor dem Feuerwehreinsatz passiert sein muss.[8]

Unter dem Eindruck des Kieler Matrosenaufstands ließ Busch sein Parteibuch Anfang 1919 auf die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) umschreiben.

Künstlerkarriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Busch hatte schon früher jede freie Minute für sprachliche Übungen genutzt. Ab September 1919 nahm er Schauspiel- und ab Oktober 1920 Gesangsunterricht. Ein Jahr später – Busch war, wie viele andere, wegen Arbeitsmangel von der Werft entlassen worden – besuchte der Dramaturg des Kieler Stadttheaters das Jugendheim. Busch bat ihn, sich einmal einen Blick hinter die Kulissen werfen zu dürfen. Zum vereinbarten Termin brachte ihn der Dramaturg zum Intendanten Max Poensgen-Alberty, der ihn, zu Buschs Überraschung, vorsprechen ließ. Daraufhin wurde Busch als Volontär engagiert. Er debütierte am 8. Oktober 1921 im Stadttheater als Ministrant in „Cavalleria rusticana“.[9] Schon bald gehörte Busch zum Ensemble des Theaters und erntete gute Kritiken. Mitglied des Ensembles war auch der spätere UFA-Star Hans Söhnker, dem Busch lebenslang verbunden blieb.[10]

Im Jahr 1924 verließ er Kiel und machte wenige Jahre später Karriere in Berlin, wo er etwa in Stücken von Brecht und in vielen Filmen, darunter einer Verfilmung der Dreigroschenoper und „Kuhle Wampe“ auftrat.

Film-Poster für Kuhle Wampe

Nach 1933 floh Busch über die Niederlande in die Sowjetunion und trat 1937 als Sänger bei den Internationalen Brigaden in Spanien auf. Nach einem Aufenthalt in Belgien wurde Busch in Südfrankreich interniert und später an die Nazis ausgeliefert. Er wurde wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Durch die Intervention von Anwälten über Gustaf Gründgens entging er der Todesstrafe und erhielt 1944 eine mehrjährige Zuchthausstrafe.[11]

Busch siedelte dann nach Ostberlin über und trat in die KPD/SED ein. Er übernahm viele Rollen am Berliner Ensemble, dem Deutschen Theater und der Volksbühne. Außerdem wurde er international bekannt als Interpret von Liedern von Hans Eisler. Im Jahr 1961 zog er sich aus gesundheitlichen Gründen zurück. Busch machte vielfach seinem Unmut über den Umgang der SED mit ihm Luft – die Kulturfunktionäre versuchten Busch aufs Abstellgleis zu schieben (Voit vermutet, dass Buschs „Prominentenstatus nicht ins Weltbild strammer Funktionäre“ passte)[12] – übte aber keine öffentliche Kritik.[13] Er starb im Juni 1980 im Alter von 80 Jahren.

Sein Nachlass wird im Archiv der Akademie der Künste in Berlin verwahrt.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der DDR wurde Busch vielfach geehrt, u. a. wurde 1981 die renommierte Ost-Berliner Schauspielschule zu seinen Ehren in Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ umbenannt.

Zum 100. Geburtstag wurde sein Grab auf dem Friedhof Berlin-Pankow III zum Ehrengrab des Senats von Berlin erklärt. Vor dem Eingang dieses Friedhofs in der Leonhardt-Frank-Straße, unweit seiner letzten Wohnung, wurde eine Stele mit dem Relief Ernst Buschs enthüllt.

In seiner Geburtsstadt Kiel wurde 2010 eine Ausstellung des Theatermuseums Kiel mit dem Titel „Ernst Busch – Jahrhundert-Künstler aus Kiel“ gezeigt. Die Ausstellung wurde durch eine Reihe von Vorträgen und Filmaufführungen begleitet.

Eine Reihe von Chören, darunter auch der Ernst-Busch-Chor Kiel tragen seinen Namen.

Nach Ernst Busch sind außerdem Straßen und Plätze benannt. Anlässlich der Umbenennung eines Platzes zwischen dem Kieler Germaniahafen und dem Gaardener Ring in Ernst-Busch-Platz titelten die Kieler Nachrichten am 3. September 2011: „Ende eines langen Kampfes“. Nach vielen politischen Debatten erklärte der damalige Oberbürgermeister Thorsten Albig: Es gäbe Dinge in Buschs Leben, die er nicht teilen könne, aber man „würdige einen brillanten Sänger und Schauspieler, aber auch einen engagierte Menschen, der gegen Faschismus und für die Rechte der Arbeiter eintrat.“

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ben Leenders, Bernd Meyer-Rähnitz (Hrsg.): Der Phonographische Ernst Busch. Eine Discographie seiner Sprach- und Gesangsaufnahmen. Albis International Bibliophilenverlag, Dresden 2005, ISBN 80-86067-39-4.
  • Bernd Meyer-Rähnitz, Frank Oehme, Joachim Schütte: Die „Ewige Freundin“ – Eterna und Amiga; Die Discographie der Schellackplatten (1947–1961), Albis International Bibliophilen-Verlag, Dresden-Ústí 2006, ISBN 80-86971-10-4
  • Carola Schramm, Jürgen Elsner (Hrsg.): Dichtung und Wahrheit. Die Legendenbildung um Ernst Busch. Trafo Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-89626-640-3.
  • Karl Siebig: „Ich geh’ mit dem Jahrhundert mit“. Ernst Busch. Eine Dokumentation. Rowohlt, Reinbek 1980, ISBN 3-499-25149-3.
  • Karl Siebig, Ludwig Hoffmann: Ernst Busch. Eine Biographie in Texten, Bildern und Dokumenten. Henschelverlag, Berlin 1987, ISBN 3-362-00103-3 (Lizenzausgabe: das europäische buch, Westberlin 1987).
  • Michel Stermann: Maman Grete. Eine Erzieherin aus Deutschland für KZ-Opfer-Waisenkinder in Frankreich und weitere Familien-Porträts. Twentysix Verlag, Norderstedt 2016, 2. Auflage 2018, ISBN 978-3-7407-4985-9.
  • Michel Stermann: „Dienstag geh ich ins Theater“ – Ernst Busch – Von der Werft zur Bühne 1917–1920. Twentysix Verlag, Norderstedt 2017, ISBN 978-3-7407-2668-3.
  • Jochen Voit: Er rührte an den Schlaf der Welt. Ernst Busch – Die Biographie. Aufbau Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-351-02716-2.[14]
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 1: A –– C. Erik Aaes – Jack Carson. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 620 f.
  • Kay Weniger: ‚Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …‘. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S. 118 f.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

 Commons: Ernst Busch (Schauspieler) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Angabe „12 Uhr mittags“ bezieht sich wahrscheinlich auf die Versammlung im Gewerkschaftshaus zu dieser Uhrzeit. Diese wurde von mehr als 5.000 Personen besucht. Das Gewerkschaftshaus war völlig überfüllt. Hauptredner war Heinrich Stubbe, Reichtagsabgeordneter der SPD aus Hamburg. Nach einer Kritik des Diskussionsredners Lothar Popp, einigte sich die Versammlung auf eine Resolution, dass man sich mit aller Kraft einer Fortsetzung des Krieges widersetzen müsse. Vgl. Anonym: Für Friede, für Freiheit! In: Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung (SHVZ), Montag, den 4. November 1918, S. 2.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jochen Voit: Er rührte an den Schlaf der Welt. Ernst Busch – Die Biographie. Berlin 2010, S. 290–301.
  2. Karl Siebig und Ludwig Hoffmann: Ernst Busch. Eine Biographie in Texten, Bildern und Dokumenten. Berlin 1987, S. 16–20.
  3. Voit, Busch, S. 303 ff.
  4. Siebig/Hoffmann, Busch, S. 20 ff.
  5. Siebig/Hoffmann, Busch, S. 26.
  6. Siebig/Hoffmann, Busch, S. 27.
  7. Voit, Busch, S. 287 f. und S. 464.
  8. Klaus Kuhl: Zeitzeugen zum Kieler Matrosen- und Arbeiteraufstand 1918/19. Kiel 2018. Online zugänglich (aufgerufen am 30. Juli 2024) unter: Datei:Kuhl zeitzeugenliste-matrosen-und-arbeiteraufstand.pdf.
  9. Siebig/Hoffmann, Busch, S. 21–31.
  10. Voit, Busch, S. 315–319.
  11. Voit, Busch, S. 156 f.
  12. Voit, Busch, S. 221.
  13. Voit, Busch, S. 210–286.
  14. Rezension „Perlentaucher“: Online zugänglich (aufgerufen am 30. Juli 2024) unter: [1].