Kieler Umschlag
Der Kieler Umschlag ist ein Volksfest in Kiel.[1]
Historischer Kieler Umschlag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Kieler Umschlag geht auf einen gleichnamigen spätmittelalterlichen Freimarkt zurück, der seit 1431 jährlich stattfand. Anfangs wurde er im November (in der Woche nach St. Martin) veranstaltet, ab 1473 dann im Januar.
Termin und Ablauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Kieler Umschlag wurde jedes Jahr mit dem Hissen der Stadtflagge am Turm der Nikolaikirche eröffnet. Die „Fahne“ war damals noch ein rot gestrichenes Eisenschild, welches das Wappen der Stadt trug. Sie war Zeichen der Marktfreiheit, hieß offiziell die „Leyde“[2], wurde im norddeutschen Volksmund aber auch wegen ihrer Form leicht respektlos als „den Börgermeester sin Büx“ bezeichnet.
Schnell entwickelte sich der Kieler Umschlag zu einer der wichtigsten Einrichtungen des Landes. In Kiel, der damals sehr bedeutenden Stadt der Herzogtümer Schleswig und Holstein, trafen sich zu diesem einen Termin im Jahr die adeligen Grundbesitzer sowie Kaufleute aus Hamburg und Lübeck, um alle fälligen Geldgeschäfte abzuwickeln. Es wurden Schulden zurückgezahlt und neue Kredite aufgenommen. Verhandelt wurde auf dem Alten Markt, in den öffentlichen Räumlichkeiten des Rathauses sowie in der Kirche selbst.
Anfänglich wurde der Umschlag nach Martini (11. November) abgehalten. Spätestens seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts wurde er in der Dreikönigsoktave abgehalten, also in den acht Tagen, die mit dem 6. Januar beginnen und mit dem selben Wochentag in der Woche darauf enden. Das Hissen des Börgermeesters Büx geschah am 6. Januar um vier Uhr nachmittags. Diese acht Tage galten als ein Tag, was die Zahlungstermine betraf; daher enthalten Verträge aus jener Zeit häufig kein konkretes Fälligkeitsdatum, sondern als Zahlungsfrist die Festlegung „oct. tr. reg.“ (octavae trium regum - die Oktave der drei Könige).
Im Anschluss an die Geldverkehrstage begannen die Markttage des Umschlagsmarktes. Neben dem Warenhandel, lockten dazu zahlreiche Vergnügungsangebote das Volk in die Stadt. Gaukler, Seiltänzer, Schausteller und Komödianten sorgten für Belustigung. Aber auch diejenigen, die ihre Schulden nicht begleichen konnten, trugen zur allgemeinen Erheiterung bei, denn dem Gläubiger war es erlaubt, sogenannte „Schandgemälde“ - Karikaturen des Schuldners – anfertigen zu lassen und öffentlich auszuhändigen.
Der Umschlagsmarkt dauerte bis Lichtmess (2. Februar) und wurde durch das Einholen der Leyde an jenem Tag um vier Uhr Nachmittags beendet.[3]
Zahlungsverkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bis 1864 wurden Zahlungen auf dem Umschlag ausschließlich bar abgewickelt. Das bedeutete damals: In Silber. Damals war eine Vielzahl an Währungen in Umlauf (preußische Taler, Banktaler, Speziestaler, schleswig-holsteinische Mark u. a.) und Papiergeld war noch nicht üblich. Der Aufwand für den Transport des Silbergeldes von und nach Kiel sowie für das das Zählen und Umrechnen während des Umschlags war beträchtlich. Daher wurden viele Zahlungen auch mit vorab gezählten Münzen in verschlossenen und gesiegelten Beuteln geleistet, wenn derjenige, der sich auf dem angehängten Zettel und durch sein Siegel für den Inhalt verbürgte, vertrauenswürdig und hinlänglich bekannt war.
Ab 1813 war gesetzlich die Zahlung in Speziestalern vorgeschrieben. Das förderte das Wechselgeschäft, weil andere Münzsorten zunächst bei Wechselstuben gegen ein übliches Aufgeld von 2 % umgetauscht und häufig anschließend zurückgetauscht werden mussten. Hier liegt die Wurzel des Bankhauses Wilhelm Ahlmann, das 1852 als erste Kieler Bank eröffnet wurde.
An die Oktavtage schloss sich eine Schonfrist von drei „Respittagen“ (Respekttagen) an, bevor ein Gläubiger gegen einen säumigen Schuldner tätig werden konnte. Zu den Zwangsmitteln gehörte unter anderem das „Einlager“: Die Verträge enthielten üblicherweise die Regelung, dass der Gläubiger den Schuldner auffordern konnte, sich in eine vom Gläubiger bestimmte Herberge zu begeben und diese nicht zu verlassen, bevor nicht Schulden, Zinsen und Folgekosten bezahlt seien.[3]
Ende des historischen Umschlags[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im 16. Jahrhundert hatte der Kieler Umschlag seinen Höhepunkt erreicht und auch internationale Bedeutung. Diese nahm im 17. Jahrhundert jedoch langsam wieder ab und 1911 wurde der Kieler Umschlag vollends eingestellt.
Der Kieler Umschlag heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 31. Januar 1975 wurde der erste Kieler Umschlag der Neuzeit eröffnet. Die 1973 gegründete Fördergesellschaft Lebendiges Kiel nahm sich des neuen Volksfestes an, um sowohl die wirtschaftliche Entwicklung Kiels zu unterstützen, als auch, um das gesellige Stadtleben zu fördern. Der neue Kieler Umschlag sollte das winterliche Gegenstück zur Kieler Woche werden und wie diese mit einem bunten, kulturellen und traditionellen Programm vor allem die Kieler begeistern. Die erste Veranstaltung wurde ein voller Erfolg; vom Holstenplatz bis zum Alten Markt lockten verschiedenste Darbietungen, Buden und Musik.
Auch heute noch werden jedes Jahr der Kieler Umschlag und die Geschichte Kiels gefeiert. Während des Kieler Umschlags dreht sich das Geschehen in der Innenstadt um prägnante Wegmarken in der Geschichte Kiels. Angefangen von der Gründung Kiels am Kieler Kloster, über das Mittelalter auf dem Alten Markt, bis zur Zeit der Hanse auf dem Asmus-Bremer-Platz und zur Moderne mit Handwerk auf dem Holstenplatz lässt sich eine teils fundierte, teils folklorisch inszenierte Zeitreise durch die Epochen der Stadtgeschichte erleben.
Seit 1975 findet der Kieler Umschlag alljährlich nach einem festgelegten Ritual statt. Am Donnerstag zwischen dem letzten Februarwochenende und dem ersten Märzwochenende versammelt sich eine fröhliche Menschenmenge vor dem Stadtmuseum Warleberger Hof in der Dänischen Straße, um mit viel Krach und Musik die Symbolfiguren des Umschlags, den historischen Bürgermeister Asmus Bremer, sowie dessen Frau Dorothea Katharina zu wecken. Diese beiden, wie auch ihr Gefolge, bestehend aus dem Mönch Graf Adolf, dem Stadtschreiber, einem Trommler, einem Schutzmann und vielen mehr, werden von ehrenamtlichen Schauspielern dargestellt. Symbolisch überreicht ein Repräsentant der Stadt nach dem „Wecken“ das Kerbholz an Asmus Bremer, der damit nun die Amtsgeschäfte der Landeshauptstadt Kiel federführend leitet. Anschließend geht es zur St. Nikolaikirche am Alten Markt. Dort wird Bürgermeester sin Büx aus dem Turm von St. Nikolai gehisst und somit der Kieler Umschlag offiziell eröffnet. Von Donnerstag bis Sonntag gibt es ein abwechslungsreiches Programm. Asmus Bremer, seine Frau und das Gefolge kann man an allen Tagen mit Musik durch die Kieler Innenstadt ziehen und an verschiedenen Aktivitäten teilhaben sehen. Piraten prägen ebenfalls die Kieler Stadtgeschichte, denn wegen ihrer Unterstützung flog Kiel seinerzeit aus der Hanse. Deshalb sind die Piraten nicht wegzudenken beim Kieler Umschlag und als selbstverständlicher Teil der Festivitäten bei vielen Programmpunkten dabei. Auch das Publikum ist herzlich eingeladen, den Höhepunkten des Kieler Umschlags beizuwohnen. Begleitet wird der Umzug der Schauspieler von Gastronomie- und Handwerkerständen, sowie Auftritten verschiedenster Künstler. Nach vier Tagen, am Sonntag, werden Asmus Bremer und seine Frau dann wieder am Warleberger Hof „zu Bett gebracht“, um im nächsten Jahr erneut den Kieler Umschlag zu eröffnen.
Asmus-Bremer-Umschlag-Bahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Von 1976 bis 1984 befuhr während des Kieler Umschlags die Asmus-Bremer-Umschlag-Bahn, eine Garnitur aus zwei dafür besonders hergerichteten historischen Straßenbahnwagen, zum Sonderpreis die sog. Katastrophenschleife.
Hörspiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- In den Fängen der Hanse – Von den Kieler Burspraken. 120 Min., Hörspiel von Hilke Wilhelmsen (Hrsg.), u. a. über die Besonderheiten des Kieler Umschlags im Mittelalter, basierend auf historischen Gegebenheiten, Kiel 2009.
Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
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Die „Asmus-Bremer-Umschlags-Bahn“, 1976
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Wikipedia: „Kieler Umschlag“
- ↑ Tillmann/Rosenplänter in: Kiel Lexikon, Wachholtz Verlag, 2. Auflage, 2010, Stichwort: Umschlag, ISBN 978-3-529-02556-3
- ↑ 3,0 3,1 Ahlmann, Ludwig: „Der Kieler Umschlag“ in: Gloy, Arthur: „Aus Kiels Vergangenheit“, Kiel (Robert Cordes), 1925, S. 66-74