Pest
Die Pest ist eine hochgradig ansteckende Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Yersinia pestis ausgelöst wird. Sie kann in verschiedenen Formen auftreten, unter anderem die Beulenpest (Bubonenpest) und die Lungenpest. Der Mediziner und Mikrobiologe Dr. Alexandre Émile Jean Yersin entdeckte 1894 das Bakterium. Die Behandlung im frühen Stadium ist mit Antibiotika möglich.
Die Krankheit ist auch heute noch nicht besiegt und in Deutschland ist sie eine „meldepflichtige Erkrankung“. Zuständig ist die Abteilung Infektionsschutz des Amtes für Gesundheit.
Die anfängliche Zoonose entsteht durch eine bakterielle Infektion bei wilden Nagetieren als Zwischenwirte, z. B. Wühlmäusen, Eichhörnchen, Haus- und Wanderratten.
Die Beulenpest erfolgt klassischerweise und verkürzt von einer infizierten Ratte über den in ihrem Fell lebenden Rattenfloh zum Menschen, vom Menschen über den Menschenfloh zu anderen Menschen.
Bei der Lungenpest erfolgt durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch.
Das Bakterium kann durch Berührung von durch Ratten verseuchte Lebensmittel, durch Wäsche, Kleider, Gebrauchsgegenstände und Ausscheidungen von Pestkranken übertragen.
Infizierten Ratten sterben nach zwei bis vier Wochen, das sogenannte „große Rattensterben“.
Ungefähr drei Wochen danach bricht bei den Menschen die Krankheit aus: Die Krankheit beginnt mit plötzlichem hohen Fieber, Kopfschmerzen, lallender Sprache und taumelnden Gang. Schon am zweiten Krankheitstag bilden sich oft gänseeigroße, schmerzhafte Anschwellungen der Lymphknoten (Bubonen) in den Leisten, den Achselhöhlen und am Hals. Von den Lymphknoten kann der Erreger in die Blutbahnen gelangen.
Es wird heute angezweifelt, ob die Epidemien im Mittelalter in Europa auf Ratten als indirekter Überträger der Pest allein zurückzuführen sind.
Auch vertreten einige Wissenschaftler die Ansicht, dass u. a. auch Flöhe als Überträger der Krankheit möglich sind.
Im Mittelalter war nur die Hausratte (Rattus rattus) heimisch, die Wanderratte (Rattus norvegicus) erreichte Mitteleuropa vermutlich erst im 18. Jahrhundert.[1]
Schwarzer Tod
Die Bezeichnung „Schwarzer Tod“ wurde im Mittelalter nicht verwendet. Zeitgenössische Chronisten sprachen vom „großen Sterben“ oder von der „großen Pestilenz“.
Der Begriff „Pest“ leitet sich vom lateinischen Wort „pestis“ für „Seuche“, „Verderben“, „Unheil“ ab. Er wird daher in älteren Schriften auch ohne direkten Bezug auf die Krankheit Pest verwendet.
Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit wurden deshalb auch andere Seuche und Epidemien als „Pest“ bezeichnet, z. B. Pocken und Windpocken, Syphilis, Typhus, Diphtherie, Masern, Röteln und Cholera. Letzteres wurde als die sogenannte „Pest des 19. Jahrhunderts“ bezeichnet.
Dänische und schwedische Chronisten des 16. Jahrhunderts verwendeten die Bezeichnung „Schwarzer Tod“ erstmals für den Ausbruch der Pandemie 1347.
Es mag sein, dass sie durch diesen Begriff das Furchtbare und das Schreckliche dieser Seuche betonen wollten; oder aber, dass die häufig bei der Beulenpest vorkommenden dunklen Hautverfärbungen zur Bezeichnung „Schwarzer Tod“ geführt haben.[2]
Pest-Pandemie 1350
Als Schwarzer Tod wird eine der verheerendsten Pandemien der Weltgeschichte bezeichnet, die in Europa, vermutlich von Zentralasien ausgehend, zwischen 1346 und 1353 geschätzte 20 bis 25 Millionen Todesopfer forderte. Dies war ein Viertel bis ein Drittel der damaligen Bevölkerung.
In der Quellen und Überlieferungen in Kiel wird nur im Jahr 1350 ein Pestfriedhof und die Gertrudenkapelle erwähnt. Aus der Anlage schließt man, dass Kiel von der Pestpandemie betroffen war.
In dem ältesten Rentebuch werden 3000 Kieler Einwohner angegeben Heute schätzt man zwischen 1800 bis 2000 Einwohner im 14. Jahrhundert. Der Gipfelpunkt der Seuche war wohl in den Sommermonaten 1350. So kann man in Kiel zwischen 180 bis 670 Pesttote ausgehen.
Wie auch für andere mittelalterliche Städte nimmt man an, dass sich die Pest in Kiel durch mangelnde Hygiene schnell ausbreitete. Einige begünstigende Faktoren waren:
- In Kiel lebten die Einwohner eng zusammen in Fachwerkhäusern und in kleinen Buden und Katen. Die Straßen und Marktplatz waren noch nicht gepflastert und hatten Löcher und Vertiefungen, in denen sich Regenwasser und Unrat sammelten.
- Viele Bürger betrieben nebenberufliche Landwirtschaft und hielten in den Häusern Vieh. Kühe und Schweine wurden durch die Straßen vor die Tore der Stadt auf die Weiden und in die Wälder zur Mast des Stadtfeldes getrieben.
- Händler und Handwerker warfen aus ihren kleine Buden die Abfälle auf der Straße wie z. B. die Schlachter am Rathaus am Markt auf die dahinter liegende Rosenstraße.
- An der Außenseite der Stadtmauer, bspw. bei dem Faulstraße (fulstrate, in den Stadtbüchern via immunda, d. h. „schmutzige Straße“) lagen Plätze, wo die Abfälle aus der Stadt abgeladen wurden.
- Man kann vermuten, dass im 14. Jahrhundert schon Stadtknechte wie der Büttel für die Reinigung des Markt und die Straßen und die Abdeckerei der Stadt Kiel zuständig waren. Dies entsprach aber nicht dem heutigen Standard der regelmäßigen Straßenreinigung und der Abwasserbeseitigung durch eine Kanalisation.
- Die persönliche Körperpflege entsprach ebenfalls nicht dem heutigen Hygienevorstellungen und im Wesentlichen scheint eine Sache der wirtschaftlichen Verhältnisse gewesen zu sein. Das tägliches Waschen im Mittelalter war eher zurückhaltend – was auch auf die mangelnde Wasserversorgung zurückzuführen sein mag. Wichtige Aspekte der Körperpflege vor allem die unmittelbar sichtbaren Teile des Körpers, wie z. B. das Haar.
Der Kieler Rat regelte mit zahlreichen Verordnungen und Gesetzen die Hygiene. Zum Beispiel war es bei hoher Geldstrafe verboten, Nachttöpfe und Fäkalien auf die Straße zu kippen.
Laut Carl Rodenberg werden im Kieler Rentebuch zahlreiche Badestuben aufgezählt - auch solche für die „armen Leute“. Sie dienten nicht nur der Sauberkeit, sondern auch als gesellschaftlicher Treffpunkt und zur Behandlung von Krankheiten.[3] Durch die fehlende Hygiene bspw. beim Ziehen von Zähnen, Aderlassen und Schröpfen durch „Bader“ wurden Krankheiten in den Badestuben verbreitet. Im 15. Jahrhundert wurde auch das Holz knapp, was zu einer Preissteigerung führte. Hierdurch wuren die Badestuben entsprechend weniger besucht.[4]
Die Menschen sahen in dem schicksalhaften Hereinbrechen der Pest eine Strafe Gottes, einen Einbruch in die göttliche Weltordnung. Es entstanden vielerorts Pestbilder, die den göttlichen Zorn als Erklärung für die Erkrankungen versinnbildlichen sollten.
Als Zerstörer der christlichen Ordnung wurden die Juden angesehen, die durch Giftmischerei und Brunnenvergiftung angeblich die Pandemie ausgelöst hatten. Unter anderem in Städten des Ostseeraumes kam es dadurch zu Judenverfolgungen.
Keine Überlieferung sagt etwas über ein Judenpogrom in Kiel aus. Vermutlich, da zu dieser Zeit noch keine Juden in Kiel lebten. Gleichfalls wohnten in Lübeck keine Juden, aber man weiß, dass der Lübecker Rat 1350 Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg bat, die in dessen Regierungsbezirk unter seinen Schutz gestellten Juden zu vernichten. Der Magistrat ließ einen Mann verbrennen, der angeblich gestanden hatte, von Juden für Geld gedungen worden zu sein, Vergiftungen durch giftige Würmer vorgenommen zu haben. Es mag sein, dass auch der Kieler Rat ähnliche Maßnahmen vollzog.
Man kann ausgehen, dass die Ärzte und Bader in Kiel vermuteten, dass diese für sie rätselhafte Krankheit eine Fehlmischung der vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe sowie schwarze Galle war, die durch faul riechende Winde oder durch Dämpfe aus dem Erdinneren verursacht wurden - der sogenannte „Pesthauch“ (Miasmentheorie). Die Lymphknotenschwellung wurde als Vergiftungszeichen gedeutet.
Heilende Therapien gab es nicht; dennoch sind mehrere medikamentöse und diätetische Rezepturen zur Behandlung der von der Pest betroffenen Menschen überliefert:
- mit Essig besprühen,
- mit „Theriak“ (eine auf Honigbasis zubereitete und meist opiumhaltige, kostspielige Arznei) behandeln,
- Aderlässe,
- Schröpfen,
- oder die Pestgeschwüre durch Salben „reifen“ und ausschneiden.
Man ließ die Luft durch Feuer auf Straßenkreuzungen oder das Verbrennen aromatischer Substanzen „reinigen“.
Anfangs wurden die Kranken ohne besondere Vorkehrungen in den Hospitäler gebracht, die Toten wurden normal beerdigt. Später kennzeichnete man die Häuser von Pestkranken mit einem Kreuz, die Betroffenen mussten in Zwangsunterkünfte außerhalb der Städte ziehen.
Persönliche Schicksale sind in Kiel ebenfalls nicht überliefert. Man weiß aus anderen Städten, dass es zu einer Stadtflucht kam, dass Eltern ihre Kinder im Stich ließen und Kinder ihre Eltern aus Furcht sich anzustecken verließen. Viele hatten Angst, ohne priesterlichen Beistand zu sterben. Geistliche erfüllten ihre Pflichten nicht mehr und flohen.
Aus Sorge um ihr Seelenheil vermachten Bürger Kirchen und Klöstern Stiftungen. Sie hofften sie auf die Fürbitte durch die Geistlichen. Die Kirche ging dadurch reicher aus der Zeit des „Schwarzen Todes“ hervor.
Man geht davon aus, dass als Folge der Seuche für die Stadt Kiel, das vorwiegend vom lokalen Handel mit Getreide lebte, die sinkende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten wegen des Bevölkerungsverlustes war.
Die Rezession des Getreidehandels löste allerdings nicht nur die Pest aus, sondern auch die sogenannte Kleine Eiszeit vom 14. bis ins 16. Jahrhundert.
Die These, dass sich Händler aus Kiel wegen des pestbedingten Niedergangs des Getreidehandels im späten 14. Jahrhundert der Piraterie zuwandten, wird angezweifelt. Dennoch fragte die ländliche Bevölkerung weniger überregionale Güter nach, sodass mit einem wirtschaftlichen Rückgang Kiels während und nach der Pest zu rechnen ist.
Durch die ländliche Entvölkerung kam es teilweise zu Nahrungsmittelknappheit, daviele Felder nicht mehr bewirtschaftet wurden. Die Wüstungen gingen schließlich in den Besitz der Adligen über und u. a. dadurch wurde der Grundstein für die später folgende Gutsherrschaft gelegt.[5]
Indes stiegen die Löhne in Städten und auf dem Land deutlich an. Die Zünfte ließen nun auch Mitglieder zu, denen man zuvor die Aufnahme verweigert hatte. Damit konnte sich eine größere Anzahl von Menschen als jemals zuvor einen höheren Lebensstandard leisten.
Rückkehr der Seuche in den folgenden Jahren
Lokale und regionale Fälle der Pest und übertragbaren Krankheiten, die man als Pest bezeichnete, gab es nördlich der Elbe 1358, 1367-1369, 1375/76, 1387-89, 1396, 1406, 1420/21, 1439/40, 1448-1451, 1464, 1483. Ebenso gab es eine Pestwelle im Nord- und Ostseegebiet zwischen 1502 und 1508.
1521 begann eine große Pest in Hamburg und in Schleswig-Holstein wurde ein Pestfall im Jahr 1524 belegt.
1525–1529 wird die Pest in Lübeck erwähnt. Erstmals wurde das Ausdruck „pestis sudorosa“ verwendet, was zum gängigen Ausdruck „Englischer Schweiß“ für die Krankheit wurde.
Hamburg war offenbar wieder 1526 und 1547 betroffen. Im Jahr 1546 brach auch eine Seuche in Lübeck aus.[6]
Wenn auch Kiel vielleicht nicht direkt von der Pest oder anderen ansteckenden Krankheiten betroffen war, wurde die Stadt und ihre Einwohner dennoch in Mitleidenschaft gezogen. Bereits im 14. Jahrhundert findet man Regelungen in vielen Ländern und Regionen, die das Eindringen und die Verbreitung der Pest verhindern sollten. Diese sogenannten Pestverordnungen bestanden zumeist aus einer Mischung aus wirksamen (Marktverbote, die isolierte Behandlung von Pestkranken und besondere Vorsichtsregeln bei Beerdigungen, Absperrung von Orten durch Soldaten, Quarantäne) und unwirksamen Maßnahme (medizinische Mittel, Verbot des Zuzugs von Fremden, nicht jedoch von Einheimischen, die aus pestverseuchten Gebieten kamen), die sich allmählich in Schleswig-Holstein verbreiteten.[7] Mancherorts sorgten Ärzte dafür, dass nach dem Tod alle Kleider und das Haus einer verstorbenen Familie verbrannt wurden.
Die Miasmentheorie wurden allmählich durch die Kontagionstheorie abgelöst. Dennoch unterschied sich im Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das Verständnis der Pest, die heute als einheitliche Krankheit mit einheitlicher Ursache versteht.
Bei frühen Beschreibung einer Krankheit ging man nur von den äußeren Symptomen aus, auch wenn seit dem 17. Jahrhundert mit größerer Gewissheit diagnostiziert werden konnte.
Für Kiel berichtete die Chronicon Kiliense tragicum-curiosum von Asmus Bremer aus den Jahren 1565/66 von einer Verlegung des Umschlages. In der Chronik wurde erwähnt, dass der Kieler Rat 1582 wegen der Pest den Markt eingestellt hatte.
1584 wandte sich der Rat an Herzog Adolf I. um Hilfe, damit die Pest sich nicht in Stadt ausbreitet, denn in der Vorstadt vor dem Holsteinischen Tor war sie bereits ausgebrochen. Die Menschen hier sollten sich von den Bewohnern der Stadt Kiel fern halten.
1596 bat Bürgermeister und Rat der Stadt Hamburg den Kieler Rat „um billige Moderation der Zulassung von Hamburger zum Kieler Umschlag“ (zitiert nach Peter Hanssen, Über Seuchenbekämpfung in Kiel im 18. Jahrhundert, S. 171).[8]
Weitere Fälle der Pest und anderen ansteckenden Krankheiten gab es 1623-29, 1639 und 1682 in den Herzogtümer Schleswig und Holstein. Vor allem im Dreißigjährigen Krieg sagte man, dass die Landsknechten und Soldaten die Pest brachten.
Die dänische und herzogliche Regierung hatte in dem 17. Jahrhundert einige Verfügungen zur Bekämpfung der Pest verfügt, u. a. den Nachweis, dass man „von einem reinen und gemeldeter Kontagion nicht infizierten Orte komme“ (ebd.), ansonsten muss man sechs Tage Quarantäne halten.
Ein solcher Pestbrief als Gesundheitspass, der als Vorläufer des späteren Reisepasses gilt[9], stellte der Kieler Rat aus: „Wir, Bürgermeistere und Rath der Stadt Kiehl in Holstein thun kund und bezeugen hiremit vor Jedermänniglichen / daß Gott dem Allerhöchsten sey dafür hertzlichen Danck / allhie in dieser Stadt und in dem umliegende Lande eine reine gesunde Lufft sey / das man von der Seuche der Pest / oder andern inflicierende giftigen Kranckheiten annoch nicht wisse. Wann dieses zu destso besseren Befoderung …... vorhabende Reise / denn beglaubten Schein von uns begehret / als haben wir …... denselben unter unserem gewöhnliche Stadt Secret wolwissentlich ertheilen lassen / So geschehen Kiehl … Anno 168.“ (ebd.)
Große Pest von 1708 bis 1714
Die Große Pest von 1708 bis 1714 verbreitete sich während des Großen Nordischen Kriegs in Nord- und Osteuropa mit Schwerpunkt im Ostseeraum.
Der Kieler Fürsorgearzt und Sanitätsrat Dr. Peter Hanssen (* 22. Juli 1868, † 5. März 1937) hat in seinem Artikel Über Seuchenbekämpfung in Kiel im 18. Jahrhundert anhand der herzogliche Verordnungen in den Akten des Kieler Magistrats die Entwicklung über die Ausbreitung des Seuche und Maßregeln veröffentlicht.[10]
1708 wurden erwähnt, dass die Pest in Polen grassieren soll und im August 1709 befahl die Regierung der Herzogtümer Schleswig und Holstein, keine Schiff aus Danzig und anderen verdächtigen Orten ohne genügend Quarantäne in den Kieler Hafen eingelassen werden soll.
Die Verordnungen im September 1709 sollten von den Kanzeln publiziert und an gewöhnlichen Orten in Kiel, an den Grenzen und Zollstätten wie der Hamburger und Lübscher Baum öffentlich angeschlagen werden über die immer mehr um sich greifenden Seuche:
- Reisende dürfen nur die breite Heerstraßen benutzen,
- Personen, die kein beglaubigtes Gesundheitsschein oder Pass vorweisen, sind in Sicherheitsverwahrsam zu nehmen, nach Tönningen zu bringen und mit Leib- und Lebenstrafe zu belegen.
- Es ist verboten, aus den bezeichneten Orten Pelzwerke, Stoffe und dergleichen Waren, die gar leicht etwas ansteckendes und Contagieuses an sich ziehen, nicht in die Stadt zu lassen.
- Schiffen mit solchen Waren sollen, auch wenn sie die Quarantäne halten wollen, gänzlich abgewiesen werden.
Am 27.09. 1709 fragte die Stadt Lübeck in Kiel an, wie es sich mit einem aus Danzig kommenden Schiff verhalten habe, das zwei Kranke mit Pestbeulen in einem Kiel angelegenen Dorfe untergebracht habe.
Im Jahr 1710 verschärften sich die Pestverordnungen:
- Neben Polen nahm die schädliche Seuche der Pestilientz in Schlesien, Preußem, Vor- und Hinter-Pommern mehr und mehr überhand.
- Keine Personen und keine Waren wie Wolle, Tücher, Kleider, Federn, Bettgeräte , Leinwand, Haare, Rauchwaren, Flachs, Hanf und dergleichen Sachen aus diesen Ländern sollten in den Herzogtum Holstein eingelassen werden.
- Vergleitete (= aus der Ordnung gleitete) Juden wurden nicht geduldet, außer solche, die Braunschweig-Lünebergischen Halberstadt, Hessen-Casselischen, Franckfurth und Ober*Teutschland, Hamburg und Hildesheim wohnten, wenn sie durch ein Attest bescheinigten, dass sie sich innerhalb von sechs Wochen an keinem infizierten Ort aufgehalten hatten.
- Bettler und Zigeuner dürfen nicht ins Land gelassen werden.
Am 26. September 1710 machte der Lübecker Rat bekannt, dass sie keine aus Holstein kommenden Fremden ohne beglaubigte Gesundheitspässe in die Stadt einlassen würden.
Am 10. Oktober 1710 wurde berichtet, dass die Seuche sich den Grenzen der Herzogtümer nähert. Da angeblich die Juden die ihnen erteilte Freiheit missbrauchten und Waren zum Kauf brachten, wurde ihnen Strafe an Leib und Leben angedroht.
Am 30. Oktober 1710 wurden die Verordnungen nochmals verschärft: Wer sich in die Herzogtümer einschlich oder Waren hineinbrachte, der wird ohne Prozess „sich seines Lebens verlustig gemacht und ohne Gnade sogleich (er sey wer er wolle)“. (zitiert nach Peter Hanssen ebd., S. 173)
In der Verordnung vom 24. Dezember 1710 erinnerte die landesherrliche Regierung bei dem Anlass des Kieler Umschlags „wegen des Anhaltens der Pestilentialischen Seuche in einige Benachbarten Provintzien“ (ebd.) daran, welche Waren gesperrt sind und die Quarantäne für Juden auf 40 Tage erhöht werden.
In der ersten Jahreshälfte 1711 lockerten sich die Pestverordnungen - so z. B. wurde am 11. April 1711 die bis dato durchgeführte Pest-Wachen aufgehoben, bis bekannt wurde, dass wieder eine immer mehr um sich greifenden ansteckende Seuche in Kopenhagen und auf den dänische Inseln herrschte.
Im August 1711 wurde deshalb wieder angeordnet, dass Strandreiter Tag und Nacht Wache hielten und besonders auf die Schiffe von den dänischen Inseln achten sollten.
Reisen waren nur auf den ordinären Landstraßen erlaubt: „Wer mit Vorsatz andere Wege benutzte, sollte ohne Gnaden an dem darauf in der nähe befindlichen Galgen gehangen werden. … Die benötigten Galgen sollten sofort gesetzt“ (Peter Hanssen ebd., S.174) werden.
Alle Personen, die von infizierten und verdächtigen Orte kamen, durften von niemanden beherbergt werden. Wer es täte „sollte ohne einiges Nachsehen mit dem Staupen-Schlag und Brand-Mark, auch nach Befinden mit noch schwerer Strafe belegt werden“ (ebd.)
Es erging eine Verordnung an den Kieler Rat, „daß gewisse tüchtige Leute bestellt würden, welche die Reisenden examiren sollten und ihre Legitimation prüfen“. (ebd.)
Jede Woche wurde eine Untersuchung von Haus zu Haus vorgenommen: Es wurde abgefragt wer dort wohnt, woher sie kamen und ob sie eine Krankheit haben. Wenn in einem Haus Kranke wohnten, sollte ein Haus sofort abgerissen und alle Sachen verbrannt werden. Ersatz des Schaden erfolgte ex publico.
Wenn Schiffe von verdächtigen Orten in Kiel Lebensmittel kaufen wollen, muss das Geld in ein Boot gelegt und zu Wasser gelassen werden „und erst wenn die Leute ausz dem Bohte bereits wiederumb weg, durfte die verlangte Nothdurft hingebracht werden“. (ebd.)
Am 25. September 1711 fragt die Stadt Hamburg in Kiel an, „wie es sich mit der im Christianpries herrschenden contagischen Krankheit und bösen Seuche verhalte und was Sie vor Veranstaltung dagegen gemacht.“ (ebd.)
Am gleichen Tag wurde verordnet, „daß wer an der anklebenden giftigen Seuche versterben sollte, man ihn nicht nur auff das aller fordersamste sollte begraben, sondern auch, was er etwan an und umb sich gehabt, sogleich zu verbrennen.“ (ebd.)
In einem von der landesherrlichen Regierung verlangten wöchentlichen Krankenbericht im Oktober wurde 34 Kranke gemeldet: 17 davon litten an der Brustseuche (eine Frau in der betreffenden Woche gestorben), die übrigen an den Blattern (eine Frau und drei Kinder gestorben).
Am 22. März 1712 wurde berichtet, dass die Ansteckung in Friedrichsort nachgelassen habe.
Deshalb würde die Postierung der Soldaten[Anm. 1] aufgehoben, der Handel „sollte aber so lange suspediert bleiben, bis die dort inflicirt gewesen Häuser durchgehends gereinbigt, geräuchert und die inflicirten Kleidung und Linnen verbrannt worden.“(Peter Hanssen, ebd. S. 175)[Anm. 2] im April wird berichtet, dass die Pest in Friedrichsort gänzlich verschwunden sei und auf den dänischen Inseln nachlässt.
Im Mai wird dann die „Examinations-Wachen“ vor den Toren Kiel eingestellt und die „Pest-Barbire“ abgeschafft, um die Stadt von den großen Kosten befreien. Von 1709 bis 1712 hatte die Stadt Kosten von 1001 Reichstaler 19 Schilling gehabt, darunter alleine für den Pest-Chirurgen-Gesellen 42 Reichstaler und 16 Schilling.
Ende Mai wurde jedoch nochmals die Anordnung nötig, keine Personen und „Gift leichtlich fassende Waren“ aus der Ostsee in den Herzogtümer einzulassen. Nachdem Anfang Juli der Handel wieder erlaubt wurde, wurden am 19. Juli in Glückstadt und Rendsburg Erkrankungen gemeldet und wenig später in den Braunschweig-Lüneburgisches Fürstentümern. Die vorigen Pestverordnungen wie z. B. die Pestwachen wurden erneuert, seit dem 28. Juli 1792 wurde der Handel mit dem Herzogtum Holstein gesperrt und die „Kommunikation“ zwischen Kiel und Rendsburg, Glückstadt und Itzehoe aufgehoben.
Am 6. August 1712 wurde befohlen, dass jeder Kieler Einwohner sich und sein Haus auf ein halbes Jahr verproviantieren sollte.
Am 10. August wurde dem Kieler Rat bei 100 Reichstaler Strafe verboten, Personen aus den verdächtigen Orten in dem Herzogtum in die Stadt zu lassen. Trotz des Verbots sollten einige in Kiel wohnende Bauern Itzehoe besucht haben und wurden in Kiel wieder eingelassen geworden sein. Zur Verhütung der Pest wurden die Privilegien der „Universitätsverwandten“ eingeschränkt und die müssen an die Pestwache teilnehmen. Ein Bote aus Jevenstedt durfte in der Stadt Kiel, aber er musste alle vier Wochen einen beeidigten Gesundheitspass mitbringen. In einem Schreiben vom 30. Dezember 1712 wird Friedrichsort als Anfangsort der Pest angegeben, des Weiteren Rendsburg, Glückstadt und andere Orte. Der Kieler Rat fragte in einem Schreiben von 2. Januar 1713 bei der herzöglichen Regierung an, „ob er die aus Süddithmarschen, Kremper- und Wilster Marsch, aus dem Ambte Steinburg, Schenefeld, Hohenwestedt, Jevenstedt, Aspe [= Hohenaspe; der Verf.], wie auch aus der Graftschaft Rantzau kommenden, ohne vorgeschriebene Quarantäne Schein eilassen dürfe, weil diese leute über die vorgeschriebene postirung an der seite abwohnen.“ (Peter Hanssen, ebd., S. 177) Die Regierung befahl, sich strikt an der ergangenen gedruckten Verordnung zu halten.
Im Februar wurde verordnet, dass alle aus Jütland oder über die Ostsee kommende Reisende Gesundheitsscheine mitführen müssen. „Wer ohne solche Reisepässe über die Grentzen käme, solle ohne Ansehen der Person erschossen „und die bey sich haltenden Sachen verbrannt werden“. (ebd.)
Der Weg von Hamburg über Kiel nach Dänemark wurde verboten. Nur der Reiseweg über Itzehoe, Hohenwestedt, Rendsburg nach Flensburg und Hadersleben war erlaubt.
Im September 1713 klagte der Jude Samuel Levin Burm, dass er in der Stadt Kiel nicht geduldet würde und da die Pest in Hamburg herrschte, er auch dahin nicht kommen könne. Es wurde angeordnet, dass er sich ungehindert in Kiel aufhalten könne.
Damit endeten vermutlich die Pestverordnungen gegen die Verbreitung der „Großen Pest“ in den Akten des Kieler Rates.
Erst im Mai 1737 erschien wieder Verordnungen „wegen der in Pohlen grassirenden Seuche und desfalls zu nehmenden praecautionen“ (ebd.).
Alle von Häfen in Polen und angrenzenden Ländern ankommenden Schiffe und Passagiere mussten einen Gesundheitspass mit sich führen und acht Tage Quarantäne halten, bevor sie in den Kieler Hafen eingelassen wurden. Teilweise war die Einfuhr von Kaufmannswaren verboten.
Im Oktober und November 1738 wurde der Handel mit den südlichen Gebieten Polens und mit Ungarn wegen der grassierenden Pest verboten; keine Waren durften eingeführt werden. „Die Lotsen durften nur Hilfe an Schiffe leisten, wenn sie sich wind-abwärts hielten und das Loots-Geld nicht anders, denn in einem mit Seewasser gefüllten Eimer annehmen“. (ebd.)
[Anm. 3] 1740 werden die Verordnungen abgeschwächt und aufgehoben.
1770 erfolgten Seuchenverordnungen, wiederum wegen der grassierenden Pest in Polen, in denen sollten u. a. „Bettel- und mit Pelzwerke handelnde Juden (…) nicht zugelassen werden, ferner mit Drell umhergehende Polacken nicht.“ (Peter Hanssen, ebd., S.178). Schiffe aus Danzig, Königsberg und Memel mussten ganz bestimmte „Losz- und Ladenstädte“ anlaufen. Vielleicht war Kiel keine solche Stadt.[Anm. 3]
Im Februar 1771 wurden die Verordnungen erneuert, weil in der Türkei und der Ukraine „die Pest noch wütet“. (ebd.)
Die letzten zwei Verordnungen, in der die Pest erwähnt wurden, stammten im Februar 1781. Am 3. Februar hieß es: „In dem Königl. Pohlnische Gebiete haben sich seit einiger Zeit ansteckende Krankheiten geäußert, die nunmehr für die wahre Pest gehalten werden“ (ebd.). Deshalb durften keine Bettler, Landstreiche und handelnde Juden in das Herzogtum Holstein eingelassen werden. Schon in dem Schreiben am 7. Februar wurden die Vorkehrungen wieder eingestellt, da die Pestgefahr aufgehört hatte.
Für den Arzt Dr. Peter Hanssen war schon im 18. Jahrhundert die Bekämpfung der Volksseuchen auf einen verhältnismäßig hohen Stand im Vergleich von 1925: „Unzweifelhaft waren die Absperrungsmaßnahmen sehr strenge und einschneidend, wenn beispielsweise Todesstrafen, Aufhängen, Staupenschlag angedroht wurde. Andererseits waren die Maßnahmen aber auch sicher sehr wirksam, so ist beispielsweise Kiel von der Pest, andererseits die weiter Umgebung Kiels ziemlich von der Ruhr befreit geblieben, was wohl nicht zum mindesten auf die strengen Absperrungsmaßnahmen in damaliger Zeit zurückführen ist, welche die Freiheit und Bewegungsfähigkeiten der Einwohner in sehr eingreifender Weise beschränkten und einengten, wie es heutzutage kaum mehr vorkommt.“ (Peter Hanssen, ebd., S. 180)[Anm. 4]
1811 soll ein Ehepaar in Laboe an der Pest gestorben sein.[11]
Anmerkungen
- ↑ Im Jahr 1711 soll die Pest in Laboe gewütet haben. (Johannes von Schröder, Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek, Zweeter Theil J-Z, C. Fränckel Oldenburg (in Holstein) 1841, S. 64) K. Peters, Lehrer in Wisch, schrieb in der der Jugend gewidmeten Chronik „Wisch und Umgegend (Nördliche Probstei)“ (Druck von Hellmuth Clasen, Schönberg 1898, S. 14), dass das Dorf durch Soldaten abgesperrt wurde und es starben 13 Personen (siehe [http://wiki-commons.genealogy.net/w/index.php?title=Datei:Wisch_und_Umgegend.djvu&page=14 'wiki-de.genealogy.net]
- ↑ In dem Artikel steht nicht 22. März, sondern 22. Mai 1712. Die folgenden Verordnungen sind im April und Mai 1712 datiert,
- ↑ 3,0 3,1 Das Lotsenwesen auf der Kieler Förde wurde erstmals 1785 anlässlich des Eiderkanalbaus erwähnt. Mit der Indienststellung des Kanals gründeten die Bülker und Laboer Lotsen die Eiderlotsenbrüderschaft. Zuvor boten Fischer einen Lotsendienst an, der auch die Seuchenverordnung betroffen war.
- ↑ Peter Hanssen ging auch auf die Ruhrepidemie im Jahr 1798 und ihre Bekämpfung, ebenfalls nach den Akten des Kieler Magistrats, ein (ebd., S. 178 ff.)
Einzelnachweise
- ↑ Wikipedia: „Pest“
- ↑ Wikipedia: „Schwarzer Tod“
- ↑ Carl Rodenberg, Aus dem Kieler Leben im 14. und 15. Jahrhundert. Kiel 1894 in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Kiel 1901, Kiel 1894, S. 18 ff.
- ↑ Wikipedia: „Badehaus“
- ↑ So lebte man in Schleswig-Holstein um 1350 auf geschichte-s-h.de
- ↑ Wikipedia: „Liste von Epidemien und Pandemien“; Pest - der schwarze Tod auf geschichte-s-h.de
- ↑ Pest - der schwarze Tod auf geschichte-s-h.de
- ↑ Peter Hanssen, Über Seuchenbekämpfung in Kiel im 18. Jahrhundert in: Archiv für Geschichte der Medizin, Vol. 17, No. 4, Franz Steiner Verlag 1925. Siehe auch Moritz Stern (Hg.), Chronicon Kiliense tragicum-curiosum 1432 - 1717 in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Kiel 1901
- ↑ Wikipedia: „Pestbrief“
- ↑ Peter Hanssen, Über Seuchenbekämpfung in Kiel im 18. Jahrhundert in: Archiv für Geschichte der Medizin, Vol. 17, No. 4, Franz Steiner Verlag 1925, S.171 ff. (jstor.org)
- ↑ Historischer Rundling musste weichen auf laboe.de, abgerufen am 26. Juli 2019; Traute Krull, Der Laboer Rundling: Erzählungen und Berichte über das Oberdorf, wie es einmal war und heute ist, Laboe 2005