Büttel
Der Büttel, in Kiel auch Racker oder in den historischen Kieler Akten Frohn genannt, war ein Vollstreckungsbeamter des Stadtrates.[1]
Hauptaufgabe des Büttels war im Rahmen der Kieler Gerichtsbarkeit das Aufgreifen, Festnehmen und in Gewahrsam nehmen von der Verbrechern und Personen bei Verdacht einer Straftat sowie Aufsicht und Versorgung von Gefangenen in der Büttelei.
Der Büttel in Kiel war meistens zugleich Schinder und Nachrichter. Dies waren verschiedene (historische) Ämter und Berufe, die aber häufig von dem Büttel ausgeübt wurden.
In einer Kleinstadt wie Kiel ernährte das untergeordnete Amt des Büttels nicht seine Familie. So fiel in den Zuständigkeitsbereich des Büttels neben Abdeckerei und Hinrichtungen auch die Reinigung des Markt und die Straßen im Rahmen der Guten Policey im Sinne der „guten Ordnung“ der Stadt Kiel[2] und / oder der Büttel versucht, die örtliche Zuständigkeit außerhalb Kiel zu erweitern.[3]
Entsprechend der niedrigeren Tätigkeiten, die mit Dreck, Blut und Tod zu tun haben, war die sozialen Anerkennung gering.
Durch die weitere Spezialisierung von Aufgaben und Funktionen wurden die Tätigkeiten von anderen Ämtern übernommen, in Kiel vor allem im 19. Jahrhundert.
Büttel Hans Schlöner[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ein Beispiel für die Tätigkeiten des Büttels vermittelt der Posten im "Schoßregister" 1576/79:
Hans Schlöner dem frohnen vor 5 Jahr denste des jahres 7 daler for besoldung und ene tonne flesch macht 70 Mark.
Besondere Bezahlung neben seiner Besoldung:
Als Nachrichter bekam Hans Schlöner für jede Hinrichtung 1 Mark und für das Stäupen (Auspeitschen bei Verhören und als Strafe) 6 Schilling.
Wurde einer friedlos gelegt (infolge der Verurteilung wegen einer Straftat Verlust allen bürgerlichen und Vermögensrechte und Achtung[4]), muss der Büttel den Verurteilten ausläuten (mit einer Glocke öffentlich bekannt machen) und der Nachrichter führte die Verurteilten aus der Stadt Kiel zur Stadtgrenze.
Als Schinder bekam Hans Schlöner für jedes Stück Vieh, das er eingegraben hatte, 4 Schilling.
Jedes Vierteljahr bekam er ferner als Vergütung für die Reinigung des Marktes 1577 8 Schilling (1495 waren es 5 Schilling).
Außerdem ließ der Rat noch mehrere Male im Jahr den Straßenschmutz vom Markt fahren.
Er hatte auch bei Schlägereien einzugreifen, jedoch nur, wenn ein Schaden in blawe ofte blut geschehen war.
Hatte Hans Schlöner einen Gefangenen in der Büttelei zu beköstigen, so betrug seine Entschädigung für die Woche 18 Schilling.[5]
Möglicherweise war Hans Schlöner der Büttel in den Hexenprozesse 1578 und 1580.
Büttelfamilie Pickel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Während fast 200 Jahren, etwa zwischen 1630 und 1829, übte der jeweilige Oberhaupt der Familie Pickel die Ämter des Büttels, Nachrichters und Schinders aus.
Bei dem letzten Hexenprozess im Kiel 1676 gegen Trinke Preetzen und Hinrich Busch hießt der Büttel Paul Möller, der in die Familie eingeheiratet hatte, und bis zum seinen Tod 1689 diese Ämter ausübte.
Danach übernahm sein Stiefsohn Christian-Albrecht Pickel und seine Nachfahren diese Ämter wieder.
In den Kieler Akten stehen:
Um 1700 Scharfrichtergerechtigkeit der Familie Pickel für die Ämter Kiel und Hütten und die Stadt Eckernförde nebst den dazu gehörigen Abdeckereien, die Gebühren des Scharfrichter, das Verfahren bei der Beerdigung der Scharfrichter und Scharfricherknechte sowie das Verfahren bei Hinrichtungen und die Abschaffung der Tortur. (Klassifikation: Scharfrichter und Abdeckerei)[3]
1765 Unterhaltung eines Gliedes an der Grundstücksgrenze zwischen den Gärten von Herrn Pickel und Bürgermeister Gerhard Samuel Benisch[6] (von 1757 zu seiner Tod 26.01.1766), vermutlich der Frohngarten am Haßturm.
1772 Von dem Scharfrichter Pickel beansprucht freie Weide für die Pferde auf dem Stadtfelde.[7]
Zwischen 1817 – 1827 Gesuch des Christian Albrecht Pickel um Übertragung des Scharfrichteramts nebst Abdeckereigerechtigkeit (Klassifikation: Polizei- und Gewerbesachen).[8]
1728 erfolgte eine Untersuchung der städtischen Angelegenheiten durch eine landesherrliche Kommission, u. a. speziell das Amt des Scharfrichter und die Frohnerei.[9] Die herzoglichen Kommissare verlangten von der Stadt Kiel, dass "...der Scharfrichter (Büttel), welcher nicht allein ein freies Haus, sondern auch ein kleines Jahresgehalt habe, solle, wie es anderwärts üblich, auf seine Kosten eine Büttelei bauen und die Gefangenen dort auf seine Kosten unterbringen, auch nur mäßige Entschädigung für die Beköstigung bekommen. Die schon hinreichend üble Zustand des Haßturms sollte aber noch über 100 Jahre erhalten bleiben.“[10].
Die Büttelei in dem Haßturm und die Frohnerei in dem Schuldturm wurde Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissen. Mit der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1848 wandelte sich grundlegend die Kommunalverfassung: die Provisorische Regierung verabschiedete am 18. Oktober 1848 für die Herzogtümer Schleswig und Holstein die Allgemeine Städteordnung. Nach dem Preußisch-österreichischen Krieg 1866 wurde Schleswig-Holstein preußische Provinz und für Städte wie Kiel galt die Gemeinde-Ordnung für den Preußischen Staat. Damit wandelten sich die Polizeiordnung und die die Ämter für Sicherheit und Ordnung.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Wikipedia: „Büttel“;Wikipedia: „Fronbote“
- ↑ Die Chronik des Asmus Bremer, Bürgermeister von Kiel. Im Auftrage der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte herausgegeben von Moritz Stern, S. 57 und S. 64 in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Heft 18, Kiel 1901
- ↑ 3,0 3,1 Stadtarchiv Kiel, Signatur 921 Magistrat Klassifikation: Scharfrichter und Abdeckerei
- ↑ Wikipedia: „Friedlosigkeit“
- ↑ Theodor Klüver, Beiträge zur Geschichte des Gemeindeorganismus bis zum Jahre 1600, S. 18 in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Heft 18, Kiel 1912
- ↑ Stadtarchiv Kiel, Signatur 56873 Magistrat
- ↑ Stadtarchiv Kiel, Signatur 56873 Magistrat
- ↑ Stadtarchiv Kiel, Signatur 17489 Kieler Amtshaus; http://www.einmetjennahmenspreetzen.de/wordpress/paul-moeller-und-sein-stiefsohn-christian-albrecht-pickel/
- ↑ Stadtarchiv Kiel, Sign. 4915 Magistrat Untersuchung der städtischen Angelegenheiten durch eine 1725 - 1729 landesherrliche Kommission, speziell das städtische Schulwesen; den Vermögensstand und die Verwaltung der Kirchen, Klöster und Armenhäuser; die Brückensachen; Regulierung der städtischen Finanzen und des Schuldenwesens der Stadt; die Regulierung des Polizeiwesens und den Erlaß einer neuen Bettelordnung und eines Schulreglements; das Stadtrechnungswesen; Straßenpflasterung; Erhöhung und Bebrückung der Straßen zum besseren Abfluß des Wassers; Hökerei von Victualien und Lebensmitteln; Fischerei auf der Kieler Föhrde; Straßenreinigung; verbotenen Handel mit Fischen nach auswärts; Fuhrleute; Erlaß einer Feuerordnung; Stadtmusikanten; Scharfrichter und Frohnerei; Stadtrestanten (Stadtschuldner); Wahl der Kirchenjuraten (Kirchengeschworene); Gnadenjahr der Witwe des Stadtschreibers Baasch
- ↑ Walter Wendrich, Die alte Kieler Stadtmauer. Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Nr. 47, Kiel 1955, S. 60