Kieler Steuerdeal: Unterschied zwischen den Versionen
(Rechtschreibung, offensichtlich fehlende Wörter ergänzt) |
|||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Der sog. ''Kieler Steuerdeal'' behandelt die Vorgänge im Jahr 2013 um die Entscheidung der Landeshauptstadt Kiel einem bekannten Augenarzt | Der sog. ''Kieler Steuerdeal'' behandelt die Vorgänge im Jahr 2013 um die Entscheidung der Landeshauptstadt Kiel einem bekannten Augenarzt angefallene Zinsen und Gebühren aus einer Gewerbesteuerschuld zu erlassen. | ||
=== Beteiligte Personen === | === Beteiligte Personen === | ||
Zeile 15: | Zeile 15: | ||
=== Chronologie === | === Chronologie === | ||
'''21. Juni 2013''' Die Kieler Oberbürgermeisterin [[Susanne Gaschke]] | '''21. Juni 2013''' Die Kieler Oberbürgermeisterin [[Susanne Gaschke]] erlässt eine Eilentscheidung, die der Stadt nach 15 Verhandlungsjahren die Gewerbesteuerschuld aus Immobiliengeschäften des Kieler Augenarztes [[Detlef Uthoff]] in Höhe von 4,1 Mio. Euro sichert; im Gegenzug verzichtet sie auf die in dieser Zeit angefallenen Zinsen und Gebühren in Höhe von 3,7 Mio. Euro. Mit dem Schuldner wird Ratenzahlung vereinbart. | ||
'''22. August 2013''' Susanne Gaschke tritt vor die Kieler Ratsversammlung und rechtfertigt in einer emotionalen Rede ihre Entscheidung. Sie habe aufgrund der wirtschaftlichen Situation des | '''22. August 2013''' Susanne Gaschke tritt vor die Kieler Ratsversammlung und rechtfertigt in einer emotionalen Rede ihre Entscheidung. Sie habe aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und in Anbetracht der langen Verfahrensdauer verhindern wollen, dass die Stadt am Ende leer ausgehen würde. | ||
'''23. August 2013''' Der Fall wird von der Oberbürgermeisterin an die Kommunalaufsicht des Innenministerium zwecks Überprüfung | '''23. August 2013''' Der Fall wird von der Oberbürgermeisterin an die Kommunalaufsicht des Innenministerium zwecks Überprüfung übergeben. Gleichzeitig erklärt sie öffentlich, dass bereits ihr Vorgänger im Amt, der jetzige Ministerpräsident [[Torsten Albig]], mit dem Fall befasst gewesen sei. | ||
'''11. September 2013''' Der Innen- und | '''11. September 2013''' Der Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages befasst sich erstmals mit dem Thema. Hierbei äußert sich der zuständige Innenminister Andreas Breitner (SPD) zu den Überprüfungen der ihm unterstellten Kommunalaufsicht, dass die Prüfung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen würde. | ||
Zeile 30: | Zeile 30: | ||
'''18. September 2013''' Die Finanzministerin erklärt in der Sitzung des Innen- und | '''18. September 2013''' Die Finanzministerin erklärt in der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages, dass der Steuerdeal ohne die Beteiligung von Finanzamt und Finanzministerium abgelaufen sei. | ||
Zeile 39: | Zeile 39: | ||
'''27. September 2013''' Die Kommunalaufsicht gibt | '''27. September 2013''' Die Kommunalaufsicht gibt als erstes Zwischenergebnis bekannt, dass die Eilentscheidung der Oberbürgermeisterin vom 21. Juni 2013 rechtswidrig war; sie hätte die Kieler Ratsversammlung einbeziehen müssen. | ||
In einem Interview wirft Gaschke Torsten Albig vor, "persönlich schon vor zwei Wochen in dieses Verfahren eingegriffen" zu haben. Ein Rücktritt käme daher für sie nicht in Frage. Innenminister Breitner erklärt, | In einem Interview wirft Gaschke Torsten Albig vor, "persönlich schon vor zwei Wochen in dieses Verfahren eingegriffen" zu haben. Ein Rücktritt käme daher für sie nicht in Frage. Innenminister Breitner erklärt, dass Gaschke vorher von ihm verlangt habe, das Zwischenergebnis zurückzuhalten, bis das Gesamtergebnis der kompletten Prüfung der Kommunalaufsicht vorliegt. | ||
Daraufhin macht | Daraufhin macht Ministerpräsident Albig seine SMS an Gaschke vom 17. September 2013 öffentlich und weist alle Vorwürfe scharf zurück. Sowohl der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner und der Innenminister Breitner erklären, dass es keine Einflussnahme Albigs auf das Verfahren der Kommunalaufsicht gegeben habe. | ||
'''30. September 2013''' In einer Pressekonferenz kündigt Susanne Gaschke sich in der nächsten Ratsversammlung für ihre Eilentscheidung zu entschuldigen. Ihre Entscheidung beruhe auf der Aktenlage, welche sie als Ursache für ihren Fehler ausmacht. | '''30. September 2013''' In einer Pressekonferenz kündigt Susanne Gaschke an, sich in der nächsten Ratsversammlung für ihre Eilentscheidung zu entschuldigen. Ihre Entscheidung beruhe auf der Aktenlage, welche sie als Ursache für ihren Fehler ausmacht. | ||
'''1. Oktober 2013''' Innenminister Breitner Gaschke und ihrem Ehemann Bartels Nötigung vor und schaltet den Generalstaatsanwalt ein. | '''1. Oktober 2013''' Innenminister Breitner wirft Gaschke und ihrem Ehemann Bartels Nötigung vor und schaltet den Generalstaatsanwalt ein. | ||
Zeile 53: | Zeile 53: | ||
'''6. Oktober 2013''' Der "Spiegel" berichtet, | '''6. Oktober 2013''' Der "Spiegel" berichtet, dass im vorliegenden Fall laut Aussage des Steueranwalts von Uthoff gar keine Eile geboten gewesen sei. | ||
'''7. Oktober 2013''' Bei einem Krisentreffen zwischen Bartels, Stegner und Weber im Kieler [[Legienhof]] | '''7. Oktober 2013''' Bei einem Krisentreffen zwischen Bartels, Stegner und Weber im Kieler [[Legienhof]] wird eine Einigung innerhalb der SPD erzielt. Demnach soll Gaschke ihre Vorwürfe gegenüber Albig bedauern, woraufhin dieser die Angelegenheit für sich als erldigt erklärt. | ||
=== Kieler Ratsversammlung === | === Kieler Ratsversammlung === | ||
Zeile 65: | Zeile 65: | ||
=== Medienecho === | === Medienecho === | ||
Der Kieler Steuerdeal traf nicht nur auf Interesse der lokalen und regionalen Presse, sondern | Der Kieler Steuerdeal traf nicht nur auf Interesse der lokalen und regionalen Presse, sondern fand auch Erwähnung in bundesweiten Medien. |
Version vom 8. Oktober 2013, 20:14 Uhr
Der sog. Kieler Steuerdeal behandelt die Vorgänge im Jahr 2013 um die Entscheidung der Landeshauptstadt Kiel einem bekannten Augenarzt angefallene Zinsen und Gebühren aus einer Gewerbesteuerschuld zu erlassen.
Beteiligte Personen
Susanne Gaschke - Oberbürgermeisterin von Kiel
Hans-Peter Bartels - Bundestagsabgeordneter
Torsten Albig - Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein und ehemaliger Oberbürgermeister von Kiel
Andreas Breitner - Innenmister des Landes Schleswig-Holstein
Wolfgang Röttgers - Kämmerer von Kiel
Jürgen Weber - MdL und Kreisvorsitzender der Kieler SPD
Ralf Stegner - Landesvorsitzender der SPD Schleswig-Holstein
Stefan Kruber - Vorsitzender der CDU Ratsfraktion Kiel
Hubertus Hencke - Vorsitzender der FDP Ratsfraktion Kiel
Detlef Uthoff - Augenarzt in Kiel
Chronologie
21. Juni 2013 Die Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke erlässt eine Eilentscheidung, die der Stadt nach 15 Verhandlungsjahren die Gewerbesteuerschuld aus Immobiliengeschäften des Kieler Augenarztes Detlef Uthoff in Höhe von 4,1 Mio. Euro sichert; im Gegenzug verzichtet sie auf die in dieser Zeit angefallenen Zinsen und Gebühren in Höhe von 3,7 Mio. Euro. Mit dem Schuldner wird Ratenzahlung vereinbart.
22. August 2013 Susanne Gaschke tritt vor die Kieler Ratsversammlung und rechtfertigt in einer emotionalen Rede ihre Entscheidung. Sie habe aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und in Anbetracht der langen Verfahrensdauer verhindern wollen, dass die Stadt am Ende leer ausgehen würde.
23. August 2013 Der Fall wird von der Oberbürgermeisterin an die Kommunalaufsicht des Innenministerium zwecks Überprüfung übergeben. Gleichzeitig erklärt sie öffentlich, dass bereits ihr Vorgänger im Amt, der jetzige Ministerpräsident Torsten Albig, mit dem Fall befasst gewesen sei.
11. September 2013 Der Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages befasst sich erstmals mit dem Thema. Hierbei äußert sich der zuständige Innenminister Andreas Breitner (SPD) zu den Überprüfungen der ihm unterstellten Kommunalaufsicht, dass die Prüfung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen würde.
17. September 2013 Torsten Albig schickt eine lange SMS an Susanne Gaschke mit Tips zum weiteren Vorgehen in der Sache.
18. September 2013 Die Finanzministerin erklärt in der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages, dass der Steuerdeal ohne die Beteiligung von Finanzamt und Finanzministerium abgelaufen sei.
19. September 2013 Susanne Gaschke tritt vor die tagende Ratsversammlung und verteidigt ihr Vorgehen. Darüber hinaus räumt sie auch Fehler ein.
23. September 2013 Innenminister Breitner erhält nach seinen eigenen Angaben Besuch vom Ehemann der Oberbürgermeisterin, dem SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels, der ihm einen Brief überbringt. Bartels habe gedroht und von ihm verlangt, Albig solle sich in dem Fall schützend vor die Oberbürgermeisterin stellen. Andernfalls werde Gaschke die SMS veröffentlichen, berichtet Breitner später.
27. September 2013 Die Kommunalaufsicht gibt als erstes Zwischenergebnis bekannt, dass die Eilentscheidung der Oberbürgermeisterin vom 21. Juni 2013 rechtswidrig war; sie hätte die Kieler Ratsversammlung einbeziehen müssen.
In einem Interview wirft Gaschke Torsten Albig vor, "persönlich schon vor zwei Wochen in dieses Verfahren eingegriffen" zu haben. Ein Rücktritt käme daher für sie nicht in Frage. Innenminister Breitner erklärt, dass Gaschke vorher von ihm verlangt habe, das Zwischenergebnis zurückzuhalten, bis das Gesamtergebnis der kompletten Prüfung der Kommunalaufsicht vorliegt.
Daraufhin macht Ministerpräsident Albig seine SMS an Gaschke vom 17. September 2013 öffentlich und weist alle Vorwürfe scharf zurück. Sowohl der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner und der Innenminister Breitner erklären, dass es keine Einflussnahme Albigs auf das Verfahren der Kommunalaufsicht gegeben habe.
30. September 2013 In einer Pressekonferenz kündigt Susanne Gaschke an, sich in der nächsten Ratsversammlung für ihre Eilentscheidung zu entschuldigen. Ihre Entscheidung beruhe auf der Aktenlage, welche sie als Ursache für ihren Fehler ausmacht.
1. Oktober 2013 Innenminister Breitner wirft Gaschke und ihrem Ehemann Bartels Nötigung vor und schaltet den Generalstaatsanwalt ein.
5. Oktober 2013 Die ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis übt in einem Interview Kritik am Vorgehen ihrer Parteifreunde in der SPD im Fall Gaschke.
6. Oktober 2013 Der "Spiegel" berichtet, dass im vorliegenden Fall laut Aussage des Steueranwalts von Uthoff gar keine Eile geboten gewesen sei.
7. Oktober 2013 Bei einem Krisentreffen zwischen Bartels, Stegner und Weber im Kieler Legienhof wird eine Einigung innerhalb der SPD erzielt. Demnach soll Gaschke ihre Vorwürfe gegenüber Albig bedauern, woraufhin dieser die Angelegenheit für sich als erldigt erklärt.
Kieler Ratsversammlung
Der Kieler Steuerdeal war mehrfach Inhalt einer Sitzung der Kieler Ratsversammlung.
Konflikt innerhalb der SPD
Im Verlauf der Geschehnisse kam ein Konflikt mehrere Beteiligter in der SPD Schleswig-Holsteins zu Tage.
Medienecho
Der Kieler Steuerdeal traf nicht nur auf Interesse der lokalen und regionalen Presse, sondern fand auch Erwähnung in bundesweiten Medien.