Kaiserliche Werft 1865-1919 / Ellerbek 1865-1910

Aus Kiel-Wiki

Das politische Umfeld

Mit dem Frieden von Wien (30. Oktober 1864) endete der zweite deutsch dänische Krieg (1. Februar 1864 bis zum 30. Oktober 1864). Preußen verwaltete den Landesteil Schleswig und Österreich den Landesteil Holstein. Dem Friedensschluss folgte am 24. März 1865 dann die Entscheidung Preußens, die preußische Marinestation von Danzig nach Kiel zu verlegen. Mit dem zwischen Preußen und Österreich abgeschlossenen Gasteiner Vertrag (14. August 1865) wurde Kiel zu einer geteilten Stadt. Das Stadtgebiet westlich einer Linie Holstenstraße - Förde verwaltete Österreich und der östliche Teil des Stadtgebietes wurde von Preußen verwaltet.

1865 wurde in Düsternbrook (dem Gelände der heutigen Landesregierung) an Stelle der früheren Badeanstalt ein preußisches Marinedepot, für die aus Danzig verlegte Einrichtung, gegründet. Das Depot umfasste leichte Holzschuppen und war für Instandsetzung sowie Aus- und Abrüstung der preußischen Marineeinheiten zuständig. 1879 stellte das Marinedepot auf dem Westufer seinen Betrieb ein. Die neue Torpedoinspektion nutzte große Teile der vorhandenen Infrastruktur, der restliche Teil musste der neuen Marine Akademie weichen.

Das Ergebnis des deutsch-deutschen Krieges um die Vorherrschaft in Deutschland von 1866 brachte beide Herzogtümer dann in preußischen Besitz. Am 24. Januar 1867 mittags um 12 Uhr verkündete der erste preußische Oberpräsident von Schleswig-Holstein, Graf Karl von Scheel-Plessen, feierlich im Kieler Schloss die Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen.

Kaiserliche Werft Kiel 1867 – 1919

Der erste Bauabschnitt 1868 - 1879

Entsprechend einer Kabinettsweisung (Kabinettsordre) vom 23. Mai 1867 verlegte das Marinedepot von Düsternbrook nach Ellerbek auf das Ostufer und wurde zu einer Großwerft ausgebaut.

Der Marinefiskus erwarb Ende März 1868 zunächst auf dem Ostufer das Gelände des ehemaligen Marineplatzes (Pächter war Georg Howaldt mit seiner Werft). Das 1868 vom Marinefiskus in Ellerbek erworbene Gelände für den ersten Bauabschnitt umfasste eine Baufläche von ca. 17 Hektar. Für zwei weitere Bauabschnitte wurden am noch weiteres Bauland erworben, 1869 (16 Hektar) und 1874 (37 Hektar). So umfasste die zu Verfügung stehende Baufläche insgesamt ca. 70 Hektar (Kaufpreis rund 2 Mill. Mark).

Im Juni 1900 verfügte der Kaiser persönlich den Ausbau der Kaiserlichen Werft bis an die Schwentine und erteilte der Verwaltung das entsprechende Enteignungsrecht. Bis zum Jahre 1903 erfolgte der vierte Landerwerb durch den Marinefiskus für einen vierten Bauabschnitt. Das alte Fischerdorf Ellerbek wurde nun endgültig von der Förde getrennt. Es wurden insgesamt 150 Familien (ca. 500 Personen) nach Wellingdorf und Strande umgesiedelt.

Die Ellerbeker Anwohner mussten für den ersten Bauabschnitt bis zum 30. April 1868 ihre Wohnungen räumen. Insgesamt fielen zunächst 44 Häuser mit Nebengebäuden den Bautätigkeiten zum Opfer. Für Ellerbek bedeuteten die Bauarbeiten eine sehr unruhige Zeit und das Dorf verlor seinen Reiz als kleines, romantisches Fischerdorf.

Auf Basis der Entwürfe für die Wilhelmshavener Werft (1856) wurden die Planungen für das neue Kieler Marine-Etablissement realisiert. Um die erworbene Grundfläche entsprechend zu erweitern, verlegte man die Uferlinie auf einer Länge von 1000 Meter um 6 Meter in die Förde hinein. In den ursprünglichen Planungen war der Bau von insgesamt fünf Helgen vorgesehen. Die Anzahl der Helgen wurde aber letztendlich auf drei reduziert. Weiterhin sollte auf dem Werftgelände ein Bau Bassin mit 4 Trockendocks und ein Ausrüstung Bassin angelegt werden. Beide Bassins wurden durch eine in der Mitte verschließbaren Kaimauer versehen. Zum Schutz des Baugeländes wurde ein großer Damm vor der Werfteinfahrt aufgeschüttet.

Der Bau der Werftanlagen zog sich lange hin und der erste Abschnitt war erst 1878 beendet, obwohl bereits 1874 der erste Neubau auf der im Aufbau befindlichen Werft das Panzerschiff „Friedrich der Große“ vom Stapel lief. Kaiser Wilhelm I. nahm am Stapellauf teil und taufte das Schiff persönlich.

Für die Kaikanten war eine Höhe von 3,14m über dem mittleren Wasserstand geplant. Die Sturmflut vom 13. November 1872 zeigte aber, dass diese Höhe nicht ausreichte. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurde das Werftgelände überflutet und es entstand ein Schaden von ca. 150 Tausendthaler. Weiterhin wurden die Kaikanten auf eine Höhe von 5,45m über dem mittleren Wasserstand erhöht. Auf dem gesamten Werftgelände wurden mit einem Kostenaufwand von ca. 5 Millionen Mark rund 6,5 Millionen Kubikmeter Bodenaushub bewegt.

Ab 1870 begann der Auf- und Ausbau der notwendigen Infrastruktur auf dem neuen Werftgelände. Man errichtete die ersten Verwaltungsgebäude und Werkstätten auf dem Gelände.

Im Herbst 1877 war der Werftaufbau so weit fortgeschritten, dass das ausgebaggerte Bau- und Ausrüstung Bassin durch die Entfernung des künstlich geschaffenen Fangdammes geflutet werden konnte.

1879 erfolgte dann, nach erfolgreicher Schaffung der Gebäude und Infrastruktur die Übergabe der neuen Werft an die Kaiserliche Marine. Von den 61 Hektar Werftgelände waren ca. 90.000 Quadratmeter bebaut.

Ab 1887 stellte man das erste deutsche Unterseeboot, den „Brandtaucher“, der während der Baggerarbeiten auf dem Gelände gefunden wurde, am Haupteingang der Werft auf.

Die Werft war militärisch organisiert und wurde von einem Oberwerftdirektor (OWD, Seeoffizier im Rang eines Stabs- oder Flaggoffiziers) geleitet. Die nachgeschaltete Organisation setzte sich aus Soldaten und Beamten zusammen die ohne Zwang zwar nicht rentabel, aber den gesetzlichen Vorschriften entsprechend wirtschaften arbeiten mussten. 1882 waren bereits 3.500 Mitarbeiter bei der Kaiserlichen Werft beschäftigt.

Der zweite Bauabschnitt 1886

Der Aufbau der Torpedobootflotte machte es notwendig einen neuen Torpedoboothafen für bis zu 70 Boote anzulegen. Der Torpedoboothafen wurde ab 1886 durch eine, in die Förde gebaute 400 Meter lange Mole nach Westen begrenzt. Für die gleichzeitige Reparatur mehrerer Boote wurde am neuen Hafenbecken eine Slipanlage errichtet. Landseitig wurden für die Instandsetzung der Torpedoboote benötigte Werkstätten, Magazine sowie das Verwaltungsgebäude des Torpedoressorts errichtet.

Parallel zu die Aktivitäten schuf man 1887 / 1888 zwischen Gießerei und Kesselschmiede noch eine neue Maschinenbauwerkstatt auf dem Werftgelände in Ellerbek. Das 1876 auf dem Westufer in Düsternbrook errichtete Gebäude entsprach nicht mehr den Anforderungen.

Der dritte Bauabschnitt 1897

Die Werftleitung und die Marine fassten bereits ab 1897 den Entschluss die Dockkapazität der Werft um zwei weitere, vom Hafen zugängliche Trockendocks zu erweitern. Die Notwendigkeit dieser Planungen wurden durch den zu erwartenden Ausbau der Flotte (Tirpitz, Flottengesetzt 1898) bestätigt.

Für die Realisierung der geplanten Erweiterungsarbeiten erwarb der preußische Fiskus ein weiteres, ca. 7 Hektar großes Gelände in Gaarden. Den Bau der Trockendocks übernahm die Firma P. Holzmann, Frankfurt am Main. Erstmals kam in Deutschland eine Taucherglocke während der Bauarbeiten zum Einsatz. Dock 5 konnte so bereits 1902 und Dock 6 dann 1903 in Betrieb genommen werden. Mit diesen neuen Docks verfügte die Werft insgesamt über 6 Trockendocks. Zu diesen Trockendocks kamen noch fünf Schwimmdocks mit einer Tragfähigkeit zwischen 100 t und 2000 t.

Zusätzliche verlegte auch noch zwei Jahre später die Norddeutsche Schiffbau AG ihr Betriebsgelände nach Süden. Die Straße „zur Fähre“ trennte jetzt Kaiserlicher Werft und Norddeutscher Schiffbau AG. Das frei gewordene Gelände baute man zunächst zum Holzhafen aus. Weiterhin diente dieses Gelände aber auch als sicherer und belastbarer Zugang zu dem 1911 in Betrieb genommenen 40.000 Tonnen Schwimmdock.

Die 1888 errichtete Maschinenbauwerkstatt wurde 1897 durch einen Anbau erweitert und für die Hammerschmiede wurde ein Neubau erstellt. Der erhöhte Bedarf an elektrischer Energie auf der Werft machte auch eine Erweiterung der E-Zentrale notwendig.

Der vierte Bauabschnitt 1903

Zunächst wurde wie bei der Erweiterung des Torpedoboothafens 1886 eine Mole zur westlichen Begrenzung des neuen Werftgeländes und zur Schaffung sicherer Liegeplätze in der Förde aufgeschüttet. Die Mole reichte von der Mündung der Schwentine bis zur Einfahrt des Ausrüstungsbassin. Das auch als Nordwerft bezeichnete neue Gelände war auch über Wellingdorf (Agnetha Tor) zugänglich und wurde zügig ausgebaut. Neben modernen Hallen und Werkstätten für das Artillerie- und Ausrüstungsresort entstehen aber auch entsprechende Büro- und Verwaltungsgebäude. Auch eine Flugmotorenwerkstatt war vorgesehen. Zur Verbindung der durch das Ausrüstungsbassin getrennten Werftteile wurde eine Schwebefähre erbaut. Das Gerüst der Schwebefähre behinderte nicht das Ein- bzw. Auslaufen der Einheiten.

Die Werfterweiterung hatte aber auch auf dem alten Werftgelände größere Veränderungen zur Folge. So wurde neben den Helgen eine neue Schiffbauhalle erbaut. Für diese neue Werkstatt verzichtete die Werftleitung auf den dritten Helgen. Die Länge der Schiffsneubauten für die Kaiserliche Marine nahm als Folge der technischen Entwicklung immer mehr zu. Daher musste die Werft 1913 die Helgen entsprechend verlängern.

Die Kieler Howaldtswerke lieferten der Kaiserlichen Werft 1916 ein zusätzliches Schwimmdock mit einer Tragfähigkeit von 40.000 Tonnen.

Ellerbek 1868 - 1910

Ellerbek 1868

Quelle:

Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 55, 1966, Hg. Sievert, Ellerbek

Entwicklungsgeschichte Alt-Ellerbeks, Von Julius Prange, 1937, Seite 17ff

Alt-Ellerbek, Siedlung, Bevölkerung und Brauchtum 1937, Von Andreas Blass 1937, Seite 39ff

Die zum Kloster Preetz gehörige Ortschaft Ellerbek am östlichen Ufer der Kieler Förde lag an der Mündung des Erlenbaches, der aus dem Tröndelsee bei Elmschenhagen gespeist wurde. Erstmalig wird Ellerbek 1286 im Bocholtschen Register erwähnt. In diesem Register ist auch aufgeführt das Ellerbek nicht nur ein Bauerndorf mit insgesamt 6 Höfen (Hufe) war, sondern auch Gewerbetreibende in 8 Hausstellen (Katenstellen) wohnten.

In Ellerbek endete in damaliger Zeit einen Verbindungsweg der aus Richtung Probstei über Schönkirchen, Oppendorf die Schwentine überquerte und dann über Wellingdorf nach Ellerbek an die Kieler Förde führte. Der weitere Weg von Ellerbek, über Gaarden und um die Hörn herum nach der um 1240 gegründeten Stadt Kiel war äußerst beschwerlich. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Stadt Kiel wurde auch dieser Verbindungsweg für den Warenaustausch zwischen Stadt und Land immer wichtiger. So ist es nicht verwunderlich das sich zwischen Kiel und Ellerbek eine Fährverbindung über die Förde etablierte. An der Mündung des Erlenbaches entstand auch ein Gast- und Fährhaus. Die Fährleute gingen zunächst nebenberuflich der Fischerei auf der Kieler Förde nach. Wegen dem Fischreichtum des Hafens und der Nähe zur Stadt Kiel als Absatzmarkt, wurde die Fischerei bald zu einem erträglichen Geschäft.

Letztendlich etablierte sich Ellerbek auf dem Ostufer der Kieler Förde zu einem Fähr- und Fischerort. Zu dieser Entwicklung haben u. a. die nachfolgenden Garantien des Klosters Preetz beigetragen:

1.    das garantierte Recht der Ellerbeker Fischerden Hafen in allen Richtungen zu befischen

2.    die garantierte Erlaubnis am Ellerbeker Ufer Schiffe beladen und entladen zu dürfen (Löschrecht)

3.    das Recht eine Fährlinie (Fährgerechtsame) zwischen Ellerbek und Kiel betreiben zu dürfen

Das alte, ursprüngliche Ellerbek war bis 1868 ein stilles Fischerdorf an der Kieler Förde mit seinen strohgedeckten Fischerhäusern und einer alteingesessenen Bevölkerung. Durch die Ansiedlung der neuen Werft und dem damit verbundenen Verlust eines direkten Zugangs zur Kieler Förde letztendlich den Fischern und den Fährleuten die Lebensgrundlage genommen.

Zwischen Marineplatz und Ballastberg, also südlich und nördlich der Mündung des Erlenbaches lag bis 1868 das Dorf Ellerbek. Neben dem Erlenbach verlief die alte Probsteier Landstraße (Dörpstrat). Von der Dörpstrat führte in Richtung Sandkrug (Wilhelminenhöhe) in Gaarden der Strandweg. Am Strandweg in Richtung Wilhelminenhöhe befanden sich zwischen Strand und Straße Fischerhäuser. Diese Siedlung trug den Namen Op’n Röbarg. In Richtung Wellingdorf lag dann der alte Fischerstrand. Diese Siedlung wurde als Ort bezeichnet. Am Fischerstrand lagen meist ungeschützt vor der Kieler Förde oder auf Anhöhen die Ellerbeker Fischerhäuser. Der Strand wurde als Liegeplatz für die Fischerboote und als Netztrockenplatz genutzt.

Als der Fiskus 1868 mit dem Aufbau der neuen Werft begann, mussten zunächst die Anwohner zwischen dem Marineplatz und der Dorfstraße ihre Häuser verlassen.

Schiffbau in Ellerbek

Quelle:

StAK 2010/53, Robin Müller, Der Übergang Ellerbeks von Fischerdorf zu Werftgelände, Kiel 2009

MKStG 1957, Heft 1/2, Radunz, Kieler Werften im Wandel der Zeit

MKStG 1966, Band 55, Hedwig Sievert, Kiel 1966

MKStG 2004, Band 82, Heft 1, Tillmann, Alt Ellerbek 1

Schon vor der Ansiedlung eines Marineetablissement am Strand von Ellerbek (Königliche – später dann Kaiserlichen Werft) im Jahre 1868 am Ellerbeker Strand gab es in Ellerbek mit dem, zu dieser Zeit noch als Handwerk betriebenen Schiffbau Berührungspunkte. Ab 1837 wurde auch der Schiffbau vom Zunftzwang befreit.

Vom Kloster Preetz erwarb der Schiffbaumeister Johann Asmus Repenning 1849 am Ellerbeker Strand günstig einen kleinen Schiffbauplatz. Noch im November des gleichen Jahres verkaufte Repenning diesen Schiffbauplatz an die von der Provisorischen Regierung in Kiel gegründete schleswig-holsteinische Marine. Nach Auflösung der neuen Marine im Jahre 1851 konnte Repenning erneut den Schiffbauplatz pachten. Der Kieler Bankier Wilhelm Ahlmann erwarb im Rahmen einer Versteigerung in der Gaststätte Wilhelminenhöhe dann diesen Schiffbauplatz und verkaufte diesen dann 1861 an die Stadt Kiel.

Die Stadt Kiel teilte den Schiffbauplatz in 5 Flächen auf. Die Fläche 4 sollte von der Stadt Kiel als Lade- und Löschplatz am Ellerbeker Strand genutzt werden. Die Flächen 1 – 3 wurden schon 1861 vom Schiffbaumeister Reuter gepachtet, obwohl auf diesen Flächen der Schiffbau nicht erlaubt war. Im Dezember 1865 pachtete dann Georg Howaldt den 5. Schiffbauplatz mit der Bedingung lediglich Eisenschiffe zu bauen. Im März 1866 übernahm Georg Howaldt dann auch den Pachtvertrag für die Plätze 1 – 3. Ab Februar 1867 konnte Georg dann die vier von ihm gepachteten Flächen zum Zwecke des Schiffbaus nutzen. Das von Georg Howaldt gepachtete Ellerbeker Gelände wurde als Marineplatz bezeichnet. Ende März 1868 erwarb der Marinefiskus zunächst auf dem Ostufer das Gelände des ehemaligen Marineplatzes und Georg Howaldt musste seine Werft räumen.

1868 - 1879, die erste Umsiedlung

Die große Veränderung in Ellerbek begannen im Jahre 1868 mit der Realisierung der geplanten Anlage eines  Marineetablissement am Strand von Ellerbek.

Zunächst musste nach dem Erwerb des ehemaligen Marineplatzes durch den Fiskus Georg Howaldt den Betrieb seiner Werft einstellen. Im März 1868 begann die Marine dann mit der Realisierung einer Werft (Marineetablissement) am Ellerbeker Strand. Zum Oberwerftdirektor wurde 1869 Korvettenkapitän Berger ernannt. Die Realisierung des Bauvorhabens dauerte schließlich noch bis zum Herbst 1877.

Das Dorf Ellerbek musste im ersten Bauabschnitt dreimal Land an den Fiskus abtreten müssen. Das erste 1868 vom Marinefiskus in Ellerbek erworbene Gelände umfasste eine Baufläche von ca. 17 Hektar. Mit dem weiteren Baufortschritt wurde noch weiteres Bauland erworben, 1869 (16 Hektar) und 1874 (37 Hektar). Durch eine erfolgte Ausdeichung der Ellerbeker Bucht um 6 Meter in die Förde hinein und weiterem Grunderwerb auf Gaardener Gebiet (neue Dockkapazitäten / Verlegung Germaniawerft) wurde das Werftgebiet bedeutend erweitert, so dass dem Marinefiskus für den Werftaufbau mehr als 70 Hektar (Kaufpreis rund 2 Mill. Mark) Bauland zur Verfügung standen.

Die ersten betroffenen Bewohner Ellerbeks die 1868 / 1869 ihre Wohnungen verlassen mussten waren die Anwohner von Dorfstraße und Strandweg. Die 44 frei gewordenen Häuser mit Nebengebäuden wurden abgerissen. Betroffen war auch die alte Fährschänke.

Für die Umsiedlung der Familien wurde ein Gelände zwischen Schönberger Straße und dem Fischerort (Ellerbeker Strand) ab 1868 eingeebnet und erschlossen. Die Mehrzahl der Bewohner siedelten sich auf dem eingeebneten Gelände zwischen der Schönberger Straße und dem Fischerort in unmittelbarer Nähe ihrer alten Häuser an, wo dann die Marien-, die Julien-, die Mathilden- und die Friedenstraße, mit der Minna- und Bergstraße (jetzt Ballastberg) rechtwinklig dazu, angelegt wurden. Die neu zwischen 1868 und 1874 erbauten Häuser an Ellerbeker Strand unterschieden sich deutlich von den alten mit Reet eingedeckten Fischerhäuser.

Die Straßenbauarbeiten wurden von dem Gaardener Bauunternehmer Bleßmann ausgeführt. Einige der neuen Straßen wurden nach den Töchtern des Bauunternehmers benannt. In Ost West Richtung zwischen Schönberger Straße und Strand legte man Friedenstraße, Mathildenstraße und Julienstraße an. Bergstraße (Ballastberg) und Minnastraße rechtwinklig (Nordost ⟨⟩ Südwest) dazu angelegt. Außerdem wurden von der Gemeinde Ellerbek und von Privatunternehmern die Wahlestraße und Katharinenstraße sowie etwas später auch die Augustenstraße angelegt.

•    Julienstraße

Die Julienstraße, eine Privatstraße des Bauunternehmers Bleßmann, wurde erstmals 1871 in einer Gemeinderatssitzung erwähnt. 1886 wurde die Verlängerung bis zur Strandstraße beschlossen.

Verlauf:

1875 ab Schönberger Straße

1886 Schönberger Straße ⟨⟩ Strandstraße

1905 Schönberger Straße ⟨⟩ Bergstraße

1910 Schönberger Straße ⟨⟩ Ballastberg

•    Mathildenstraße

Die Mathildenstraße (Mathilda = Ehefrau Bauunternehmer Bleßmann) erstmals als Privatstraße 1877 im Gemeinderat erwähnt.

Verlauf:

1877 Strandstraße (Ellerbeker Ort) ⟨⟩ Bergstraße

1890 Schönberger Straße ⟨⟩ Bergstraße

1910 Schönberger Straße ⟨⟩ Ballastberg

•    Friedenstraße

Die Friedenstraße wurde 1877 erstmalig in der Gemeinderatssitzung erwähnt. Mittig auf einer Raseninsel befindet sich eine Doppeleiche und ein Gedenkstein „Op ewig un gedeelt 1848 - 1898". Hinweis auf die Zusammengehörigkeit Schleswig-Holsteins und Erinnerung an die Ereignisse des Jahres 1848.

Verlauf:

1890 Schönberger Straße ⟨⟩ Bergstraße

1910 Schönberger Straße ⟨⟩ Ballastberg

•    Bergstraße / Ballastberg

Der Name Bergstraße wurde 1877 erstmals in einer Gemeinderatssitzung erwähnt. Ab der Einmündung der Schönberger Landstraße ⟨⟩ Klausdorfer Weg wurde der weitere Straßenverlauf bis zur Fähre als Fährstraße ab 1878 bezeichnet. Ab 1910 wurde diese Straße dann in den Klausdorfer Weg einbezogen. Ab 1877 bzw. ab 1890 wurde in Ellerbek die Friedenstraße bis an die Bergstraße verlängert und die Bergstraße bis zur Fährstraße verlängert. Ab 1910 wurden die Bergstraße im OT Ellerbek und im OT Wellingdorf die Verbindungsstraße u. Augustenstraße in Am Ballastberg umbenannt.

Verlauf Bergstraße in OT Ellerbek:

1877 – 1910 Fährstraße ⟨⟩ Ortsgrenze Wellingdorf (Ernst-Friedrich-Straße)

Verlauf Ballastberg (auch Am Ballastberg) im OT Ellerbek:

Ab 1910 Julienstraße ⟨⟩ Grenze OT Wellingdorf (Ernst-Friedrich-Straße)

Die Verbindungsstraße (Ufer- / Strandweg) zwischen Ellerbek und Gaarden (Wilhelminenhöhe, Sandkrug) musste um das neue Werftgelände herum neu angelegt werden und wurde dann mit der alten Verbindungsstraße kurz vor der Wilhelminenhöhe zusammengeführt. In Ellerbek verlängerte man die neue Verbindungsstraße fast gradlinig über den Klausdorfer Weg hinaus bis an die Schönberger Straße und stellte so die unmittelbare Verbindung mit der alten verkehrsreichen Probsteier Landstraße her. 1910 wurden Ringstraße und Schönberger Straße zwischen Ellerbek und Gaarden ab Wahlestraße (am Ellerbeker Markt) in Werftstraße umbenannt.

Das gesamte Werftgelände, von Ellerbek bis Gaarden wurde entlang der neu erstellten Verbindungsstraße (Werftstraße / Klausdorfer Weg) mit einer roten Werftmauer entgegen. Diese Mauer wurde am Klausdorfer Weg die südliche Grenze des Dorfes Ellerbek.

Bild: 1890 Ellerbeker Strand, Blickrichtung Kaiserliche Werft

Bildnachweis:

Signatur: 58.804 Bestand: 2.1 – Städtische Lichtbildstelle,  Titel: Ellerbek, Beschreibung: Fischer am Ellerbeker Strand. Im Hintergrund rechts die Kaiserliche Werft. Datierung: um 1890 Fotograf: Unbekannt

Nutzungsrechte: Stadtarchiv Kiel

Bild: 1890 Ellerbeker Strand, Blickrichtung von der Kaiserlichen Werft nach Wellingdorf

Bildnachweis:

Signatur: 72.240 Bestand: 2.1 - Städtische Lichtbildstelle, Titel: Ellerbek. Beschreibung: Blick von der Kaiserlichen Werft auf den Ellerbeker Strand. Im Hintergrund die Knabenschule an der Schulstraße (Verlängerung der Friedenstraße), die Bugenhagenkirche und die Windmühle. Mit dem Bau der Schule wurde 1877 begonnen. Im April 1878 wurden die Bauarbeiten beendet. Der Bau hatte 73511,39 Reichsmark gekostet. Das Inventar 869,71 Reichsmark und das Gelände 14924,00 Reichsmark. Am 25.04.1878 wurde die Schule durch den Oberschulinspektor Pastor de Fontaney aus Elmschenhagen eingeweiht.

Datierung: um 1900 Fotograf: Unbekannt

Nutzungsrechte: Stadtarchiv Kiel

1868 - 1904, das Alte Ellerbek

Die auf der grünen Wiese entstandene neue Wohnsiedlung wurde zunächst von den umgesiedelten Bewohner der südlichen Strandstraße genutzt. Mit dem Bau der roten Werftmauer wurde der Klausdorfer Weg die südliche Grenze des Ortes Ellerbek. Der nördlich der Werftmauer verlaufende Ellerbeker Strand zwischen Kaiserlicher Werft und der Grenze nach Wellingdorf teilten die alteingesessenen Fischerfamilien in mehrere Strandabschnitte ein.

Opp' n Knick

Direkt am südlichen Ende Ellerbeks lag der sog. Knick. Der Knick lag in der Nähe der neuen Werft und wurde südlich von Fährstraße und Klausdorfer Weg begrenzt. Opp’n Knick siedelten sehr viele Handwerker. Gleichzeitig lag hier die einzige Bäckerei des Dorfes. Eine vorhandene Gastwirtschaft mit Kegelbahn war bei Kieler Studenten sehr beliebt und wurde von den Marinesoldaten als Tanzlokal genutzt.

Ab der Verlängerung der Fährstraße lag zwischen Ellerbeker Strand und dem Bau- und Ausrüstung Bassin der Kaiserlichen Werft die Ellerbeker Dampferbrücke. 1866 richtete der Besitzer der Schmidt’schen Gastwirtschaft eine Dampfschiffslinie zwischen Ellerbek und der Stadt Kiel ein. Diese Fährlinie wurde dann von seinem Schwager Fritz Scheel bis zur zweiten Umsiedlung nach Wellingdorf und der damit verbundenen Einstellung der Fährlinie 1904 übernommen. In den Sommermonaten beförderten die Hafendampfer von und nach Kiel auch Besucher, der zwischen Ellerbek und Wellingdorf liegenden beiden Badeanstalten. Im Wintermonaten transportierten die Hafendampfer die Fische der Ellerbeker Fischer nach Kiel zum Fischmarkt.

Bei einer vereisten Förde richteten musste der Fährbetrieb zwischen Ellerbek und der Stadt Kiel eingestellt werden. Dann richteten die Ellerbeker Fischer zwischen dem Fähranleger und der Seeburg einen Schlittenverkehr, die sogenannte Peek, über die Kieler Förde ein.

Der Zugang zur Dampferbrücke führte nach der Erbauung der Werftmauer über das der Marine beanspruchte Gelände. Die Marine an diesem Strandabschnitt Schuppen für defekte Beiboote der im Hafen liegenden Einheiten erbaut. Schwimmkräne der Marine hatten weiterhin vor dem vor diesem Gelände große Betonklötze, die als Mooring Bojen genutzt wurden. An diesen Bojen machten die im Hafen liegenden Einheiten der Marine fest.

De Wiesch

An den Knick schloss sich als nächster Dorfteil „de Wiesch" an. Dieses war der Strandabschnitt, der erst zwischen 1868 und 1874 bebaut und besiedelt wurde. Zwischen den bereits existierenden Fischerhäusern gab es eine Anzahl moderner, zweistöckiger Gebäude. Drei höhergelegene moderne Bauten prägten das Erscheinungsbild der neuen Siedlung. Dieses waren zunächst die 1877 erbaute Knabenschule und die 1896 erbaute Ellerbeker Bugenhagenkirche an der Schul- / Friedenstraße. Das ebenfalls 1896 neu, aber auf Wellingdorfer liegende Hotel Hohenzollern leistete ebenfalls seinen Anteil an dem beeindruckenden Erscheinungsbild der neuen Siedlung.

Am Scheelschen Haus (Betreiber der Fährlinie) vorbei wurde zischen Ellerbeker Markt und Strandstraße die Julienstraße angelegt. De Wisch wurde weiterhin intensiv von den Fischern als Trockenplatz für die Netze genutzt.

Die große Sturmflut 1872

Bis zum Anfang der 1870er Jahre blieb der Ellerbeker Strand weitestgehend naturbelassen. Lediglich an besonders gefährdeten Strandabschnitten wurden einfache Steindämme errichtet. Eine tobende Ostsee traf also bei Sturmfluten auf ungeschützte Strandabschnitte. Die große Sturmflut an der Ostseeküste vom 13. November 1872 drückte das Wasser der Ostsee über den vorhandenen Steindamm, über den Strandweg bis an die alten Fischerhäuser. Diese Fischerhäuser wurden evakuiert und ihre Bewohner in den höher gelegenen Teil des Dorfes verbracht.

Erst nachdem das Wasser sich wieder zurückgezogen hatte, wurde der gesamte Schadensumfang sichtbar. Mit der Unterstützung des Klosters Preetz und vieler hilfsbereiter Hände begann man mit dem Wiederaufbau. Am stärksten war der östliche Strandabschnitt Russland betroffen. Das erste Opfer der Sturmflut war aber die Bäckerei auf dem Knick.

Nach der Sturmflut begann man mit der Eindeichung des Ellerbeker Strandes. Mit fortschreitendem Werftausbau stand sehr viel Bodenaushub zur Verfügung und man begann zunächst den Strand mit einem Holzdeich zu sichern. Vor diesem Deich wurde Erdreich aufgeschüttet und eine neue  Häuserreihe auf dem vorgeschütteten Gelände vor den alten Häusern erbaut. Aus dem Holzdeich wurde dann im Laufe der eine feste Betonmole. Diese neue Mole war lediglich durch eine Schleppstell mit Slipanlage für die Boote unterbrochen. Lediglich die Strandabschnitte Knick und Russland waren von diesen baulichen Sicherungsmaßnahmen nicht betroffen.

De Buch (Theedenbarg / Hintzenbarg)

In östlicher Richtung folgte der Wiesch dann der nächste, höher gelegene Strandabschnitt Theedenbarg. Am Strandweg am Fuße des Theedenberg lag hier der einzige Krämerladen Ellerbeks. Neben Fischerhäusern lagen hier auch die beiden Räuchereien von Joachim Theede und den Gebrüdern Hüllmann. Weiterhin lag auch hier das Fischerhaus, dass dann später im Volkspark wieder aufgebaut wurde. Dem Theedenbarg schloss sich der Hintzenbarg mit den für den typischen Fischerhäusern an. Die Ellerbeker nannten diese beiden Strandabschnitte auch „de Buch“ (Bucht).

Russland

Ein weiterer Strandabschnitt, der als Russland bezeichnet wurde, lag bereits auf Wellingdorfer Gebiet und wurde nicht durch die neue Eindeichung geschützt. Die Häuser in diesem Strandabschnitt standen auf aufgeschütteten  Hügeln, die durch eine selbstangelegte Steinmauer gesichert waren. Die Bewohner des abgelegenen, östlichen Strandabschnitts Russland waren einfache und bescheidene Leute. Am Ballastberg gab es insgesamt drei Anlegebrücken. Hier übernahmen gelöschte, auslaufende Schiffe ihren notwendigen Ballast.

De Eck

Nördlich vom Hintzenbarg an der Grenze zu Wellingdorf lag der Strandabschnitt „de Eck“. Hier lag in südlicher Richtung in Ellerbek die Badeanstalt von Wilkens, In Wellingdorf betrieb Möller mit seinem Schwager Selmer eine Badeanstalt, die aber 1904 ihren Betrieb einstellte. Die Badeanstalt der Familie Wilkens wurde nach abgeschlossener Umsiedlung als Agnetha Bar wieder aufgebaut. Eine dritte und sehr beliebte Badeanstalt war die von Nikolaus Hintz, die auch über ein Restaurant verfügte. Eine vierte sogenannte Volksbadeanstalt (am Koolcenbarg) schloss sich am Ufer der Schwentinemündung an.

Ellerbek und die neue Werft ab 1877

Mit den bis zunächst 1877 andauernden Bauarbeiten auf dem geplanten Werftgelände war die ruhige Zeit eines verträumten Fischerdorfes für Ellerbek vorbei. Im Herbst 1877, die Werftanlagen waren so weit fertiggestellt, konnte die Kaiserliche Marine die Werft in Betrieb nehmen. Trotz alle dem war für Ellerbek dieser Schritt von großer Bedeutung, da dadurch große wirtschaftliche Veränderungen aber auch eine Veränderung in der Bevölkerungsdichte und der Bevölkerungsstruktur eingeleitet wurden.

Schon bereits vor der Werft gab es in Ellerbek ab 1873 eine Poststation, die 1876 um eine Telegrafenstation erweitert wurde.

Durch die Stationierung der Kaiserlichen Flotte mussten die Ellerbeker Fischer immer mehr Fanggründe außerhalb der Kieler Förde aufsuchen. Trotz dieser Mehrbelastung blühte die Fischerei und die Fischindustrie, hier besonders die Räuchereien in den 1870er Jahren auf.

Ellerbek hatte um 1860 ca. 500 Einwohner1860. Bis zum Ende der zweiten Umsiedlung 1904 wuchs die Ellerbeker Bevölkerung auf ca. 7500 Einwohner an. Solange aber noch Fischer in Ellerbek wohnten und ihren Beruf ausübten, behielt das sich veränderte Ellerbek das Flair eines Fischerdorfes. Noch 1880 waren unter den 161 stimmberechtigten Bürgern 7o Fischer und 25 Räuchereibesitzer. Als die Alteingesessenen bildeten sie noch den Kern der Bevölkerung.

Trotz des eingetretenen wirtschaftlichen Aufschwungs musste die Dorfverwaltung mit großen finanziellen Schwierigkeiten kämpfe. Ellerbek hatte durch die schnelle Veränderung der Bevölkerung sehr hohe Gemeindelasten zu tragen. Die Steuerkraft des Zuwachses der Bevölkerung entsprach bei weitem nicht Kostendeckend. Weiterhin war die neu entstandene Werft Eigentum des Staates und somit gesetzlich nicht verpflichtet Beiträge zu den Gemeindelasten zu leisten. So war und blieb Ellerbek bis zur erfolgten Eingemeindung auf Unterstützung von Seiten des Fiskus besonders im Schul- und Armenwesen angewiesen.

1903, die zweite Umsiedlung

Der anhaltende Ausbau der Kaiserlichen Marine (Tirpitz, Flottengesetzte) machten nach dem dritten Bauabschnitt von 1897 eine weitere Erweiterung der Kaiserlichen Werft notwendig. Die neuen Planungen sahen eine weitere Ausdehnung der Kaiserlichen Werft am Ellerbeker Strand entlang bis nach Wellingdorf, dort wo die Werft Stocks & Kolbe an der Schwentinemündung lag, vor.

Die Konsequenz dieser neuen Planung war das Ellerbek völlig von der Kieler Förde abgeschnitten wurde. Die alte Fischersiedlung und der noch vorhandene Strand und sowie die Fährverbindung nach Kiel wurden für diese Planungen ebenfalls geopfert. Für die vierte Werfterweiterung mussten rund 800 Personen aus 150 Familien ihren Wohnort aufgeben. Gleichzeitig wurden die rund 60 freiwerdenden Häuser (teilweise aus dem 18. Jahrhundert) zum Abbruch freigegeben. Ab 1901 leitete der Geheimrat Franzius die Verhandlungen mit der von der Erweiterung betroffenen Bevölkerung. In den Verhandlungen ging es um eine Umsiedlung der Familien in eine neue Siedlung nach Wellingdorf und die Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Weitere Verhandlungsgegenstände waren die Errichtung eines geschützten Fischereihafens und die erneute Einrichtung einer Fährlinie nach Kiel.

Als neues Siedlungsgebiet wurde der bis an die Schwentine reichende Kriechhofsche Garten. Wegen seines Rosenbestandes wurde der ausgewählte Bauplatz auch als Rosenberg bezeichnet. Auf dem nicht genutzten Gelände des Gartens wurde 1923 eine Kindertagesstätte des Marinearsenals, das sog. Sohstheim errichtet.

Die Ellerbeker Familien erhielten bereits im Oktober die Kaufpreise für die in Ellerbek geräumten Häuser. Aufgrund eingetretener Verzögerungen konnten die Familien ihre Häuser aber noch bis zum 1. April 1904 nutzen. Als Stichtag für die Umsiedlung wurde der 5. März 1904 festgelegt.

Die Häuser der neuen Fischersiedlung, u. a. geplant von dem Architekten Johann Theede boten den Familien ausreichend Platz und einem der Zeit entsprechenden modernen Wohnkomfort.

Am 10. April 1902 wurden von der Gemeinde Wellingdorf die Pläne für die Erschließung der neuen Siedlung für die Ellerbeker Fischer veröffentlicht.

Bild: 1904 Die neue Fischersiedlung

Bildnachweis:

Signatur: 28.190 Bestand: 1.3 - Postkartensammlung; Kasten 3 - Stadtteile Titel: Wellingdorf Beschreibung: Neue Fischersiedlung zwischen Wischhofstraße, Brückenstraße, Sohststraße (rechts), Ellerbeker Straße (vorn), Ballastberg und Langenkampweg. Datierung: 1904 Fotograf: Speck, Carl (1875-1915) Nutzungsrechte: Gemeinfrei

Die Umsiedlung der Ellerbeker Familien nach Wellingdorf erforderte umfangreiche Baumaßnahmen auf dem Wellingdorfer Rosenberg. Das neue Siedlungsgebiet in Wellingdorf erhielt für die Brauchwasserversorgung auf den Grundstücken entsprechende Brunnen, die Abwässer wurden unterirdisch abgeleitet. Die für die Beleuchtung notwendige Elektrizität war auch im Siedlungsgebiet verfügbar. Bereits 1903 entstanden die ersten neuen Wohnungen für die „Neue Fischerei-Ansiedlung“ in Wellingdorf.

Westlich des Langenkampweges wurden in Wellingdorf für die Umsiedlung der Ellerbeker Fischer nachfolgende Straßen neu angelegt:

Quelle:

www.kiel.de Kieler Straßenlexikon, bis 2005 Hans-G. Hilscher, ab 2005 fortgeführt von Dietrich Bleihöfer, ab 2022 von Frank Mönig, Amt für Bauordnung, Vermessung und Geoinformation der Landeshauptstadt Kiel, Stand: Januar 2021.

•    Am Ballastberg

** Die Bergstraße in Ellerbek, die Verbindungsstraße zwischen Ellerbek und Wellingdorf und die Auguststraße in Wellingdorf wurden ab 1910 zusammengefasst und in Am Ballastberg umbenannt. Der Sand des am Wellingdorfer Strand gelegenen Sandberges wurde als Ballast für entladene Frachtsegler genutzt.

Verlauf:

1910 – 1948 Julien Straße ⟨⟩ Wischhofstraße

•    Auguststraße**

Die Auguststraße war in der neuen Siedlung die Verlängerung der Verbindungsstraße von der Luther- bis zur Möller Straße. Der Name wurde 1903 durch den Gemeinderat festgelegt.

Verlauf:

1903 – 1910 Lutherstraße (Einmündung Verbindungsstraße) ⟨⟩ Möller Straße

•    Ellerbeker_Straße

1903 beschloss der Gemeinderat, die nordwestliche Straßenbegrenzung der neuen Siedlung zwischen Möller Straße und Lutherstraße, nach dem Fischerdorf Ellerbek zu benennen.

Verlauf:

1903 – 1910 Lutherstraße ⟨⟩ Möller Straße

1910 – weiter Sohststraße ⟨⟩ Wischhofstraße

•    Franziusstraße

Die mittlere Straße zwischen Langenkampweg und Ufer Straße an der Wellingdorfer Dampferbrücke wurde 1903 nach dem Geheimen Admiralitätsrat Franzius benannt. Aber bereits 1910 erfolgte die Umbenennung in Brückenstraße.

Verlauf:

1903 – 1910 Franziusstraße ⟨⟩ Langenkampweg

1910 – 2020 Brückenstraße (von Uferstraße) ⟨⟩ Langenkampweg

•    Langenkampweg

Der Langenkampweg wurde erstmalig 1894 im Adressbuch Gaarden-Ost als Langenkamp aufgeführt. Im Rahmen der Erschließungsarbeiten für die neue Fischerei Ansiedlung wurde 1903 der Name durch den Gemeinderat in Langenkampweg geändert. Die Straße wurde nach einer alten Flurbezeichnung in Wellingdorf benannt.

Verlauf:

1894 – 1910 Schönberger Straße ⟨⟩ Schwentineufer

1910 – 1923 Schönberger Straße ⟨⟩ Uferstraße

1923 – 1948 Schönberger Straße ⟨⟩ Hansens Privatstraße

1948 – weiter zwischen Schönberger Straße ⟨⟩ Wischhofstraße

•    Lutherstraße / Sohststraße

Die südliche Straßenbegrenzung der neuen Siedlung wurde 1903 als Lutherstraße zwischen Langenkampweg und Ellerbeker Straße angelegt. 1910 wurde die Straße dann nach dem Bauunternehmer und Gründer des Sohstheimes, Steffen Sohst (1845 – 1908) umbenannt.

Verlauf:

1903 – 1910 Lutherstraße ⟨⟩ Langenkampweg

1910 – weiter Sohststraße ⟨⟩ Langenkampweg

•    Möller Straße

Die vom Langenkampweg bis an Ellerbeker Straße (Werft Stocks & Kolbe) verlaufende Straßenverbindung wurde 1903 als Möller Straße angelegt. Bereits 1910 wurde dieser Straßenabschnitt dann ein Teil der Wischhofstraße.

Verlauf:

1903 – 1910 Möller Straße ⟨⟩ Langenkampweg

1910 – weiter Wischhofstraße ⟨⟩ Schönberger Straße

•    Uferstraße

Der Straßenname wurde 1903 vom Gemeinderat beschlossen. War die Verbindungsstraße von der Wellingdorfer Dampferbrücke bis an die an die, an der Schwentine gelegenen Badeanstalt. 1923 wurde an der Uferstraße das Sostheim errichtet.

Verlauf:

1903 – 1910 Franziusstraße (Dampferbrücke) ⟨⟩ Badeanstalt

1910 – 1938 Brückenstraße (Dampferbrücke ⟨⟩ Badeanstalt

Nach Kriegsende existierte die Uferstraße nicht mehr

•    Verbindungsstraße **

Die Bergstraße in Ellerbek verlief ab Julien Straße in Richtung Ernst-Friedrich-Straße an der Grenze zur sog. Nordwerft. 1903 wurde eine neue Straße ab der Einmündung der Ernst-Friedrich-Straße / Bergstraße in Richtung neue Fischerei Ansiedlung angelegt. Der Name Verbindungsstraße wurde 1903 durch den Gemeinderat festgelegt. Die Verbindungsstraße endete an der Auguststraße in der neuen Siedlung

Verlauf:

1903 – 1910 Bergstraße (ab Einmündung Ernst-Friedrich-Straße) ⟨⟩ Auguststraße

•    Wischhofstraße

Die Wischhofstraße wurde nach einer alten Flurbezeichnung in Wellingdorf benannt und 1904 erstmals im Kieler Adressbuch aufgeführt. 1908  wurde die Straßenbezeichnung nochmals durch den Gemeinderat bestätigt.

Verlauf:

1904 – 1908 Schönberger Straße ⟨⟩ Altenteichstraße

1908 – 1910 Langenkamp Weg ⟨⟩ Altenteichstraße

1910 – 1968 Ellerbeker Straße ⟨⟩ Altenteichstraße

An der Schwentine, westlich der Werft Stocks & Kolbe und in ca. 300m Entfernung von der neuen Siedlung, entstand ein neuer Fischereihafen mit einem Netztrockenplatz, einer Slipanlage und einem Winterlager, der ab 1904 von den Ellerbeker Fischern genutzt wurde. Es sei hier anzumerken, dass die Fischer den Hafen als Eigentum erhielten (Wohnrecht mit Hafennutzung). Mit ihren eigenen finanziellen Mitteln konnten die Fischer diesen Hafen aber nicht unterhalten. Daher wandelte das Marineamt in Berlin 1908 das Eigentum in ein vererbtes Nutzungsrecht um. Dieses Recht wurde den Fischern erst 1952 durch das Kriegsfolgen Schlussgesetz aberkannt.

Neben der Slipanlage lag auch die neu erbaute Dampferanlegebrücke. Weiterhin konnte sich am westlichen Ende de Uferstraße, vor der Arsenalmole wurde die Badeanstalt von Wilkens errichtet.

Nach der vollzogenen Umsiedlung hat der Ort Ellerbek endgültig das Flair eines beschaulichen Fischerdorfes abgelegt. Durch die Werfterweiterung und dem Zuzug von Arbeitskräften wurde Ellerbek zu einem Ort mit einer überwiegend arbeitenden Bevölkerung.

Zunächst wurde wie im zweien Bauabschnitt zunächst zur Schaffung sicherer Liegeplätze eine Mole als westliche Begrenzung des neuen Werftgeländes zwischen der Mündung der Schwentine (Ballastberg) bis zur Werfteinfahrt aufgeschüttet. Auf dem neu gewonnenen Werftgelände, der sog. Nordwerft, wurden moderne Hallen und Werkstätten errichtet , auch war die Einrichtung einer Flugmotorenwerkstatt vorgesehen. Für die Verwaltung wurden ebenfalls entsprechende Büroflächen geschaffen. Die beiden durch das Ausrüstungsbassin getrennten Werftteile wurden über eine Schwebefähre miteinander verbunden.

Das ehemalige Dorf Ellerbek wurde am 1. April 1910 nach Kiel eingemeindet.

Literaturverzeichnis

Bock, B. (1988). Gebaut bei HDW 150 Jahre Howaldtswerke Deutsche Werft AG. Herford: Köhler.

Geckeler, C. (Juli 2005). Kieler Erinnerungstage 1. Juli 1955. Kiel: Stadt Kiel.

Geckeler, C. (Mai 2007). Kieler Erinnerungstage 23. Mai 1867. Kiel: Stadt Kiel.

Graupner, M. (1929). Geschichte der Standorte der Reichsmarine. Kiel.

Oliver Auge, D. T. (2017). Kiel und die Marine 1865-2015. Kiel: Verlag Ludwig.

Ostersehlte, C. +. (2014). Kleine Werftengeschichte, von den Anfängen bis zur Gegenwart, Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 74. Husum: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft mbH u. Co. KG.

Ostersehlte, C. (2004). Von Howaldt zu HDW. Hamburg: Koehlers Verlagsgesellschaft mbH.

Paul Koch, H. J. (2009 - 2012). Besitzergreifung des Kieler Hafens durch die Marine (Koch'sche Denkschrift). Kiel: Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte.

Petersen, S. (2016). Arbeiterbewegung Kommune und Howaldtswerke. Berlin: Pro Business GmbH.

Radunz, K. (1957). Kieler Werften im Wandel der Zeiten. Kiel: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 1957 Heft 1/2 Seite 171 / 187.

Rössler, E. (1986). Geschichte des deutschen U-Bootbaus Band 1/Band 2. Bonn: Bernhard & Graefe Verlag.

Stoy, V. (2003). Kiel auf dem Weg zur Großstadt. Kiel,: Verlag Ludwig.

Wenzel, R. (1978). Bevölkerung, Wirtschaft und Politik im kaiserlichen Kiel zwischen 1870 und 1914. Kiel: Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte.

Wilde, L. (1995). Denkmaltopographie Landeshauptstadt Kiel (Bd. Sonderveröffenlichung 29 der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte). (J. Jensen, Hrsg.) Neumünster: Wachholtz Verlag.

Ziemann, K. (1991). Geschichte des Kieler Handelshafen. Neumünster: Karl Wachholtz Verlag.

Quellen:

Stadtarchiv Kiel:

StAK 2010/53, Robin Müller, Der Übergang Ellerbeks von Fischerdorf zu Werftgelände, Kiel 2009

Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte:

Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 55, 1966, Hg. Sievert, Ellerbek

Entwicklungsgeschichte Alt-Ellerbeks, Von Julius Prange, 1937, Seite 17ff

Alt-Ellerbek, Siedlung, Bevölkerung und Brauchtum 1937, Von Andreas Blass 1937, Seite 39ff

Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 2004, Band 82, Heft 1, Tillmann, Alt Ellerbek

Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, 1957, Heft 1/2, Radunz, Kieler Werften im Wandel der Zeit

Stadt Kiel

www.kiel.de Kieler Straßenlexikon, bis 2005 Hans-G. Hilscher, ab 2005 fortgeführt von Dietrich Bleihöfer, ab 2022 von Frank Mönig, Amt für Bauordnung, Vermessung und Geoinformation der Landeshauptstadt Kiel, Stand: Januar 2021.