Kieler Sprotten
Die Kieler Sprotten sind eine Fischspezialität, die aus geräucherten Sprotten (sprattus sprattus), einer dem Hering verwandten Seefischart, hergestellt wird.
Der Fisch
Die Sprotte, auch „Breitling“, ist ein Verwandter des Herings und wird im Gegensatz zu ihm nicht größer als 15 bis 20 cm. Wie der Hering ist die Sprotte ein Schwarmfisch und lebt wie dieser vor der Küste auf dem Kontinentalschelf (bis zu 200 m Tiefe). Anders als der Hering kommt die Sprotte aber nicht nur zur Laichzeit ins küstennahe Flachwasser. Von Februar bis April sowie September bis Dezember ist sie in großen Schwärmen im Flachwassermeer Ostsee anzutreffen.
Die Verarbeitung
Sprotten werden als ganzer Fisch traditionell über Buchen- und Erlenholz geräuchert. Dafür finden vorwiegend kleinere Exemplare bis zu 10 cm Länge Verwendung. Das Räuchern geschah früher im sogenannten Altonaer Ofen über offenem Feuer. Die Fische wurden zunächst über Buchenholz gegart und bekamen dann über Erlenholz ihre goldgelbe Farbe und ihren charakteristischen Geschmack. Dieses Verfahren ist heute aus verschiedenen Gründen zunehmend von gasbetriebenen Öfen verdrängt worden. Die fertigen Sprotten kommen seit jeher in kleinen, flachen Holzkisten in den Handel.
In Skandinavien wird die Sprotte auch zum sogenannten „falschen“ oder „unechten“ Anchovis verarbeitet. Während Anchovis aus Sardellen (ebenfalls ein Verwandter des Herings) durch Einsalzen und nachfolgende Fermentierung hergestellt wird, wird die Ostseeprotte durch dieses Verfahren unter Zugabe von Gewürzen und Kräutern zum dänischen appetitsild (sild = Hering). So zubereitet ähnelt der Geschmack dem Matjeshering.
Darüber hinaus kann man Sprotten auch ähnlich wie Heringe filetieren, in Mehl wälzen und dann braten oder frittieren.
Um eine Kieler Sprotte zu werden, muss der Fisch aber wie beschrieben geräuchert und in Holzkistchen geliefert werden.
Der Verzehr
Sprotten werden aus der Hand gegessen. Dazu greift man sie mit zwei Fingern am Schwanz, lässt die Sprotte herabhängen, legt den Kopf in den Nacken und isst so den Fisch. Wer das nicht mag, kann auch auf Kopf, Schwanz und Rückengräte verzichten („Kopp un Steert sünd nix wert“), indem er diese Teile vorher entfernt. Dazu dreht man zuerst den Kopf ab und zieht dann die Rückengräte am Schwanz aus dem Fisch heraus, bevor man ihn ebenso mit zurückgelegtem Kopf verspeist.[1]
Beide Verzehrmethoden gelten in Kiel als fachgerecht - fettige Finger sind dabei garantiert.
Personen, die unter Gicht leiden, wird der Verzehr von größeren Mengen von Sprotten nicht empfohlen, da es sich bei ihnen um eines der Lebensmittel mit dem größten Puringehalt handelt.
Der Name
Kiel war einst die Welthauptstadt der geräucherten Sprotte. Dafür waren die Fischerfamilien aus dem heutigen Stadtteil Ellerbek verantwortlich. Das damalige Dorf Ellerbek lag an der Kieler Förde gegenüber der Kieler Altstadt. Die dortige Bevölkerung lebte früher zum großen Teil vom Fischfang und vom Räuchern. Bis in das 20. Jahrhundert hinein wurde die Ware von den Fischerfrauen in Ruderbooten über die Förde gebracht und unmittelbar am Fischerleger (dem Anlegeplatz der Boote) aus Marktständen heraus verkauft.
Um 1900 gab es in Ellerbek 34 Räuchereien und in Eckernförde, das eine ähnliche Sprottentradition besitzt 30.[2] Mit dem Niedergang der Ellerbeker Fischerei verlagerte sich die Herstellung der Sprotten mehr und mehr nach Eckernförde. Heute gibt es in Kiel keine Sprottenräucherei mehr.
Der Versand der haltbar geräucherten Sprotten geschah in der großen Zeit der Sprottenproduktion in Kiel und Eckernförde nach ganz Deutschland mit der Eisenbahn. Dazu hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der Produktname „Kieler Sprotte“ daher rührt, dass die Versandkisten aus beiden Städten in Kiel abgefertigt wurden und dort den Versandstempel des Kieler Bahnhofs bekamen. Allerdings hatte Kiel erst seit 1844 einen Eisenbahnanschluss, während Matthias Claudius bereits 1786 in einem Gedicht Kieler Sprott erwähnt,[3] sodass die Bezeichnung schon wesentlich früher populär gewesen sein muss.
Sonstiges
- Wer keinen Fisch mag, muss trotzdem nicht auf Kieler Sprotten verzichten, denn es gibt sie auch als Nachbildungen aus Schokolade, die ebenso in hölzernen Kistchen verkauft werden.
- Die Bezeichnung „Kieler Sprotte“ wird auch als Bezeichnung für waschechte, eingeborene Kieler verwendet.
Einzelnachweise
- ↑ Wenners, Peter: Kieler Objekte erzählen Stadtgeschichte - Eine Entdeckungstour zu den Zeugen der Vergangenheit, Heide (Boyens) 2017, ISBN 978-3-8042-1467-5, S. 72.
- ↑ Wendt, Stefen: Sprotten. In: Tillmann/Rosenplänter (Hrsg.): Kiel-Lexikon (Sonderveröffentlichung 63 der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte), 2. Auflage, Neumünster (Wachholtz) 2011, ISBN 978 3 529 02556 3, S. 345.
- ↑ „Drauf kauft' ich etwas kalte Kost, und Kieler Sprott und Kuchen“ im Gedicht Urians Reise um die Welt