Bearbeiten von „Hexenverfolgungen

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Der Höhepunkt der sogenannte '''Hexenverfolgung''' und die Hexenprozesse in Kiel fand zwischen [[1530]] und [[1676]] statt.<br>
Der Höhepunkt der sogenannte '''Hexenverfolgung''' und die Hexenprozesse in Kiel fand zwischen [[1530]] und [[1676]] statt.<br>
Mit 24 Hinrichtungen und mindestens fünf Frauen, deren weitere Schicksale nicht bekannt sind, zählt Kiel damit nicht zur Hochburg der Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, wo man in dieser Zeit etwa 846 Fälle verzeichnet, davon wohl 600 Hinrichtungen.<br>
Mit 24 Hinrichtungen und mindestens fünf Frauen, deren weitere Schicksale nicht bekannt sind, zählt Kiel damit nicht zur Hochburg der Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, wo man im dieser Zeit ca. 846 Fälle verzeichnet, davon wohl 600 Hinrichtungen.
Die Gerichtsbarkeit der Stadt Kiel bezogt sich in dieser Zeit auf die Stadt selbst, die heutige [[Altstadt]], und wahrscheinlich auf der Flecken [[Brunswik]].
 
== Das Hexenbild in Schleswig-Holstein ==
 
Die ersten Belege für den deutschen Begriff ''Hexe'' finden sich in den Frevelbüchern der Stadt Schaffhausen aus dem späten 14. Jahrhundert.
Der Begriff war im Gegensatz zu süddeutschen Regionen über 200 Jahre nach seinem ersten Erscheinen in Schleswig-Holstein nicht gebräuchlich.
Ein breites Spektrum von Begriffen bezeichnete bis Mitte des 17. Jahrhunderts vermeintliche magische Tätigkeiten in Schleswig-Holstein. Das am meisten verwendete Wort ''Zauberin'' wird erst ab etwa 1640 durch ''Hexe'' abgelöst (anscheinend wurde im Prozess gegen Sunde Bohlen 1587 der Straftatbestand „Hexerey“ benutzt, s. u.).<br>
Nach dem sogenannten „gelehrten Hexenbegriff“ waren Hexen als Mitglieder einer weltweiten Verschwörung entlarvt worden, an deren Spitze der Teufel stand. Als deren Ziel wurde unterstellt, die christliche Welt zu schädigen oder gar zerstören zu wollen.<ref>[http://www.geschichte-s-h.de/hexenverfolgung/ Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein] auf der Website der [http://www.geschichte-s-h.de Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte], abgerufen am 09. Januar 2019</ref><br>
Das protestantische Hexenbild sahen die Hexentheoretiker im Gegensatz zu zahlreichen katholischen Geistlichen in der Verknüpfung von magischer Aggression und weiblichem Geschlecht: Frauen galten für sie als potenzielle Agentinnen des Teufels. 89,0 % der Verfahren in Schleswig-Holstein richteten sich gegen Frauen, im reichsweiten Vergleich erheblich über dem Durchschnitt. In Kiel wurde anscheinend nur ein Mann (Hinrich Busch) hingerichtet.
 
Dennoch fasste laut ''Rolf Schulte'' das Bild des ''Hexensabbats'' als kultischem Zentrum des Hexenwesens, als Brutstätte zahlreichen Schadens und kollektiven Hexentreibens in der Elite- und der Volkskultur in Schleswig-Holstein wenig Fuß. Die Tradition des mittelalterlichen Zaubereibegriffs setzte sich in Schleswig-Holstein fort und wurde in der Frühen Neuzeit auf den ''Teufelsbund'' und die ''Teufelsbuhlschaft'' übertragen.<br>
Nach 1570 war in den Kieler Hexenprozesse auch der ''Teufelspakt'' einer der entscheidenden Erkennungsmerkmale für das angeblichen Hexenverbrechen. Vorher stand allein die Ermittlung der Schädigung im Vordergrund.<br>
Doch das Kollektivbild von der Hexerei spielte auf der Seite des Kieler Rates und des Gerichts eine geringe Rolle. Im Vordergrund der Verhören stand nicht die Teilnahme an der kollektiven Tat, sondern der persönliche Schadenszauber.<br>
Entsprechend sind wenige ''Besagungen'', Benennungen anderer Hexe, in den Kieler Prozessakten zu finden.
Die Angabe von Komplizen bildete aber die Grundlage für größere Kettenprozesse, Massenprozesse oder auch regelrechte Hexenjagden, die in Kiel sehr selten waren.<ref>[https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/akih-eskript/heft-2-2010/artikel/hexenverfolgung-13/#jumpLink6 Rolf Schulte, Hexenverfolgung in Schleswig und Holstein 4. Hexenbilder] in: @KIH-eSkript Interdisziplinäre Hexenforschung Online Heft 2, 2010 auf [https://www.historicum.net/ historicum.net. Fachinformationsdienst Geschichtswissenschaft], abgerufen am 09. Januar 2019. {{WP|Hexenverfolgung|Hexenverfolgungen}}</ref>
 
==  Mögliche Ursachen ==
 
Die vielfältigen und miteinander abhängigen Ursachen für die gegenüber dem Mittelalter in der Frühen Neuzeit deutlich verstärkte massenhafte Verfolgung in einigen Regionen sind u.a.:<br>
Schwere Krisen zu Beginn der Neuzeit wie die Kleine Eiszeit, eine Periode relativ kühlen Klimas mit Missernten, pandemische Seuchen wie die [[Pestfriedhof|Pest]] und verheerende Krieg wie 30jährige Krieg.<br>
Individuelle / familiäre Krisen und persönliche Motive: Materielle Motive bei vielen Denunziationen, aber auch Antipathie oder Nachbarschaftsstreitigkeiten, besonders, wenn die Denunziationen von privilegierteren Stand waren, und Krankheit.
Der kulturelle Hintergrund, u. a. im Späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit de­ge­ne­rie­rten die vorchristlichen Kulte zu abergläubischen Vorstellungen und Riten.<ref>{{WP|Hexenverfolgung#Ursachen|Ursachen der Hexenverfolgung}}</ref><br>
 
=== Ökonomischen Krisen und gesellschaftliche Spannungen ===
 
Die Klimaverschlechterung mit Missernten war auch in Schleswig-Holstein spürbar. Im Gegensatz zu der süd- wie westdeutschen und österreichischen Hexenverfolgungen kann man nicht folgern, dass die Hexenprozesse in Schleswig-Holstein und die Wetterverschlechterung
direkt verknüpft waren: Der Wetterzauber war fast unbekannt, nur in 0,5 % der Prozesse zeigten Kläger eine magische Aggression in Form eines angeblichen Wetterzaubers an. In den Kieler Akten der Hexenprozesse war anscheinend der Wetterzauber kein Tatbestand.<br>
 
In Schleswig-Holstein muss als einer der wichtigen Gründe für die Hexenprozesse im 17. Jahrhundert unverkennbar die ökonomischen Krise dieser Zeit angenommen werden.<ref>[http://www.geschichte-s-h.de/hexenverfolgung/ Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein] auf der Website der [http://www.geschichte-s-h.de Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte], abgerufen am 09. Januar 2019</ref><br>
Durch die Klimaverschlechterung nahm das Angebot von landwirtschaftliche Produkte ab, auf die Städte wie Kiel angewiesen waren.
Gleichzeitig nahm die Nachfrage zu, auch durch Bevölkerungsvermehrung: die Preise stiegen und die Löhne stagnierten oder fielen sogar.
Diese wirtschaftliche Krise setzten sich in einer sozialen Polarisierung um: Gesellschaftliche Randständigkeit entwickelte sich zur breiten sozialen Erscheinung, und die Obrigkeiten gingen gegen diese [[Armenpflege|verarmten]] Schichten vor, die ständisch nicht mehr integrierbar waren.<br>
 
Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Krise und Hexenverfolgung könnte in der gespaltenen Bevölkerungsstruktur liegen, in der die traditionellen Solidarbeziehungen und Nachbarschaften nicht mehr funktionieren:
In Jahren extrem schwieriger materieller Lagen suchten die  Armen verstärkt die Unterstützung in den Nachbarschaften, die jedoch in dieser Mangelsituation es abgelehnt und mit Zorn oder Beschimpfungen reagierten: Die Not in Städten verursachte latente oder offene soziale bzw. zwischenmenschliche Spannungen, setzten sich in Alltagskonflikte um (die in volkstümlicher Sichtweise prinzipiell zuerst dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben wurde,) und konnten schließlich in Hexenprozesse münden. Denn kam es innerhalb einen sozialen Geflecht zu unerklärlichen Ereignissen, Krankheiten oder Todesfällen, lag eine bestimmte Erklärung nahe: nach dem Aufkommen und der Verbreitung der neuen Hexenlehre gesuchte auch die Stadteinwohner die Ursache für manche Schädigungen in den okkulten Vergeltungsaktivitäten, die Racheversuche der Zurückgewiesenen.
 
In diesen gesamten Komplex von ökonomischer Krise und zwischenmenschlichen Spannungen mischte sich nun auch noch eine Obrigkeit mit eigenen Absichten ein.<ref>[https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/akih-eskript/heft-2-2010/artikel/hexenverfolgung-13/#jumpLink6 Rolf Schulte, Hexenverfolgung in Schleswig und Holstein 4. Hexenbilder] in: @KIH-eSkript Interdisziplinäre Hexenforschung Online Heft 2, 2010 auf [https://www.historicum.net/ historicum.net. Fachinformationsdienst Geschichtswissenschaft], abgerufen am 09. Januar 2019. {{WP}}</ref><br>
 
Es mag sein, dass in Kiel als eine im Vergleich der [[Hansezeit|Handelsstädte]] Lübeck und Flensburg arme Stadt die Kluft zwischen den Schichten bzw. Ständen geringer und dadurch entstehenden gesellschaftlichen Spannungen kleiner waren, so dass in Kiel weniger die Hexenprozesse stattfanden. In den Kieler Akten ist die gesellschaftlichen Spannungen und Konflikte erkennbar.
 
=== Die Rolle der  Obrigkeit  ===
Für Hexenprozesse waren in erster Linie die weltlichen Institutionen zuständig: das städtische Gericht ermittelte von Amts wegen und die Verfahren wurden vor dem Hohen Gericht (Blutgericht) der Stadt Kiel verhandelt. Ihr Urteil mussen sie – im Gegensatz der Gerichtsbarkeit der freien Städte – von dem Landesherr ratifizieren lassen.
 
===== Kirche =====
Die Kirchen spielten in der Hexenverfolgung eine ambivalente Rolle:
Die weit verbreitete Meinung, Hexenverfolgungen seien hauptsächlich eine Erscheinung des Mittelalters gewesen, ist ebenso falsch wie die Meinung, die großen Wellen neuzeitlicher Hexenverfolgung seien vorrangig von der kirchlichen Inquisition angestrebt oder ausgeführt worden.
Zwar gab es die Hexenbulle aus dem Jahr 1484, in der der Papst Innozenz VIII die Existenz der Hexereier als einziger Papst überhaupt bestätigte<ref>{{WP|Summis desiderantes affectibus|Hexenbulle]]</ref>, und wirkungsmächtige Hexentheoretiker, die Geistliche waren wie die Rendsburger Pastor ''Samuel Meiger''(* 1532 in Rendsburg; † 12. Juni 1610 in Nortorf), aber auch Hexenverfolgungsgegner.<br>
Die Geistliche waren aber verpflichtet, die angenommenen Hexen dem hohen weltlichen Gerichte anzuzeigen.<br>
 
Ein eindeutiger direkter Zusammenhang zwischen regionaler Konfession und Hexenverfolgung ist nicht festzustellen.<br>
Während die katholische Diskussion sich dogmatisierte, blieb die protestantische Debatte offener, da keine entscheidende Amtsautorität
vorhanden war und grundsätzlich viele Argumente nicht unterdrückt wurden.<br>
Dennoch verschärfte die (weltliche) Vorschrift in protestantischen Regionen wie in Schleswig-Holstein, weil Hexerei einen Bund mit dem Teufel darstelle und somit in Sinne von Luther immer des Todes würdig sei.<ref >Luther glaubte wie viele seiner Zeitgenossen an die Existenz von Hexen und er forderte die Exkommunikation der als Hexen verdächtigten Frauen und die Todesstrafe für vermeintliche Schadenszauberei. Über andere Aspekte der mittelalterlichen Hexenlehre wie Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und Hexensabbat äußerte sich Luther eher kritisch. So beriefen sich später sowohl Befürworter als auch Gegner der Hexenverfolgung auf ihn.{{WP|Martin_Luther#„Hexen“|Verhältnis zu den "Hexen"}}</ref><br>
 
In der "gemäßigten Hexenlehre" von Pastor Samuel Meiger stellte die Hexerei als „Mutter aller Sünden" einen Verstoß gegen sämtliche zehn Gebote dar. Mit seinen dreibändigen Werk der über die Hexerei "... Dat ys: nödige und nütte underrichtinge I. Van der Töverschen geschwinden list und geschicklicheit quodt thodoude ..." richtete Meiger sich vor allem an die Obrigkeiten in Stadt und Land und forderte sie auf zur unnachgiebige Verfolgung der Zauberer und Hexen.<br>
Sein Buch erschien 1587 und seit 1590 stiegen die Zahlen der Hexenprozesse in Schleswig-Holstein stark an (anscheinend allerdings nicht in Kiel), wohl nicht zuletzt veranlasst durch Meigers Buch.<br>
Gleichzeitig aber warnte Meiger davon, dass die Anwendung von Folter zur Erpressung von Geständnissen dazu führen würde, dass Unschuldige fälschlich angeklagt und verurteilt würden:
„So ist nun dies meine Absicht und Meinung gewesen, dass die Obrigkeit davon recht unterrichtet werden möge, was Zauberei für eine schreckliche Sünde sei, damit, gleichwie sie die richtigen, bekannten und überführten Zauberer nach Gottes Wort und kaiserlichem Recht nicht verschonen, sondern das Böse von der Erde wegtun soll, sie doch wiederum sich wohl vorsehen möge, dass sie auf geringschätzige, ungewisse, unbegründete, ja mitunter falsche Bezichtigung und Anklage nicht unbesonnen zur Marter und Tortur mit den Unschuldigen eile.“
<ref>{{WP|Samuel_Meiger|Samuel Meiger}}; [https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/akih-eskript/heft-2-2010/artikel/hexenverfolgung-13/#jumpLink6 Rolf Schulte, Hexenverfolgung in Schleswig und Holstein 4. Hexenbilder] in: @KIH-eSkript Interdisziplinäre Hexenforschung Online Heft 2, 2010 auf [https://www.historicum.net/ historicum.net. Fachinformationsdienst Geschichtswissenschaft], abgerufen am 09. Januar 2019.</ref>
 
==== Weltliche Obrigkeit ====
Die am 27.Juli 1532 in Kraft getretene ''Constitutio Criminalis Carolina'' schwächte die zuvor entstandene Hexenbulle von Papst Innozenz VIII. ab, in der für jede Zauberei die Todesstrafe vorgesehen war. Kaiser Karls V. so genannte Halsgerichtsordnung beschrieb die Todesstrafe lediglich für solche Verbrechen, bei denen Menschen zu Schaden kamen.<br>
Dadurch wurden der Sachsspiegel, der allerdigns das Stadtrecht und die Statdfeerichtsarkeit erwähnte, für jeden Zauber die Todesstrafe vorsah und in Holstein bis 1865 galt, abgeschwächte. Für Zauberei, die lediglich mit Sachschaden verbunden war, wurden nur Reparationen gefordert.<br>
 
Vor allem in protestantischen Gebieten erließ die Landesherren – im Fall Kiels der Herzog von Holstein bzw. der dänischen König - Rahmenrechte und nahm die kriminalisierte Hexerei in die Landesverordnungen auf, um ihre Verantwortung gegenüber Gott, die sittliche und spirituelle Ordnung wieder herzustellen und den Druck zu einer Konformität zu erhöhen. Diese Zaubereibestimmungen der „gelehrte Hexenlehre“ setzen die magischen Verbrechen mit einem vermeintlichen Teufelsbündnis gleich. Die Regelungen übertrafen die der „Carolina“ an Schärfe, erreichten aber in Schleswig-Holstein nicht die strengeren Erlasse anderer lutherischer Landesherren.
Die weltliche Herrschaft mussten bereit sein, Hexenprozesse zu fördern oder wenigstens zu tolerieren und ihren Verwaltungs- und Justizapparat hierfür zur Verfügung zu stellen.<br>
 
Das  größer Teil der schleswig-holsteinischen Hexenverfolgung fand in den ländlichen Gebieten statt: Die Rechtssprechung oblag dem Bauerngericht aus freien Bauern oder dem Gutsherrn, dem zwar formal zwei Bauernvertreter assistierten und den abhängige Verwalter.
In diesen Gutsbezirken verfügten die Gutsherrn über zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten.Die Gutseigentümer als oberster Richter konnte auf seine Leibeigenen Druck ausüben, (Schein-) Legitimation bäuerlicher Forderungen gegen vermeintliche Hexen und Hexenmänner zu initiieren oder Begehren von Untertanen zu verhindern, wenn sie in seinem Interesse lagen, und die Diktion und die Vollständigkeit der Protokollen beeinflussen.<br>
 
In Kiel übte der Rat die oberste Gerichtsgewalt aus  in dem die Kaufleute ein eindeutiges Übergewicht besaßen, denn Krämer und Handwerker galten häufig als ratsunfähig.<br>
 
Ab dem 16. Jahrhundert ergänzten zahlreiche Juristen („Hexenkommissar“ ) in den größeren Städten das führende Gerichte und wirkten damit auch bemerkbar bei der Rechtsprechung mit.
Die Stadtgerichtsherren entschieden als Vertreter der Landesobrigkeiten, welche Zeugenaussagen besonders gewertet, wann und ob überhaupt Folter eingesetzt wurde oder welche Verdächtigungen gegen angebliche Komplizinnen plausibel erschienen und was und wie in den Protokollen stand.Auch das städtische Hohe Gericht hatte auch Manipulationsmöglichkeiten, aber im Vergleich der Gutsherren weniger.<br>
 
In einen Stadt fanden in der Regel im Gegensatz zu den ländlichen Gebieten wenige Hexenprozesse auf massiven Druck „von unten“ statt.<ref>[https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/akih-eskript/heft-2-2010/artikel/hexenverfolgung-13/#jumpLink6 Rolf Schulte, Hexenverfolgung in Schleswig und Holstein 4. Hexenbilder] in: @KIH-eSkript Interdisziplinäre Hexenforschung Online Heft 2, 2010 auf [https://www.historicum.net/ historicum.net. Fachinformationsdienst Geschichtswissenschaft], abgerufen am 09. Januar 2019.</ref>


== Aus den amtlichen Akten ==
== Aus den amtlichen Akten ==
Die Gerichtsbarkeit der Stadt Kiel bezog sich in dieser Zeit auf die Stadt selbst, die heutige [[Altstadt]], das [[Stadtfeld]] und die [[Stadtdörfer]].<br>


Wortwörtliche Zitate der Quellen zitiert nach Hartmut Hegeler, [http://www.anton-praetorius.de/downloads/namenslisten/Hexenprozesse_Kiel.pdf Fälle und Opfer der Hexenprozesse / Hexenverfolgung Kiel]
Wortwörtliche Zitate der Quellen zitiert nach Hartmut Hegeler, [http://www.anton-praetorius.de/downloads/namenslisten/Hexenprozesse_Kiel.pdf Fälle und Opfer der Hexenprozesse / Hexenverfolgung Kiel]
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Den "bösen Geist", Blasius mit Namen, hatten die Schwestern Linden in das Kind von Marien Leistenschneiders Sohn in der Brunswik eingewiesen. Das beklagenswerte Schicksal des Kindes konnte nur Gott bessern.<br>
Den "bösen Geist", Blasius mit Namen, hatten die Schwestern Linden in das Kind von Marien Leistenschneiders Sohn in der Brunswik eingewiesen. Das beklagenswerte Schicksal des Kindes konnte nur Gott bessern.<br>


Zusammen mit der "Schweinhirtschen" hatte sie einen Trunk u.&nbsp;a. aus Essig und Bocksblut für Heinrich Siemßen gebraut, der ihm den Verstand raubte.<br>
Zusammen mit der "Schweinhirtschen" hatte sie einen Trunk u.a. aus Essig und Bocksblut für Heinrich Siemßen gebraut, der ihm den Verstand raubte.<br>


Sie verhinderte, dass die "Schweinhirtsche" mit Ancke Wulffes zu Schönwohld einen Jacob toyen das Korn verdarb.<br>
Sie verhinderte, dass die "Schweinhirtsche" mit Ancke Wulffes zu Schönwohld einen Jacob toyen das Korn verdarb.<br>


6 Pferde ihres Schwagers hatte sie vor 2 oder 3 Jahren in die Augen gepustet. Sie erblindeten, wurden toll und krepierten. Andere Pferde brachte sie und Grete Horen z.&nbsp;B. im Birkenmoor (Gut Dänisch Nienhof) um, indem sie sie in einem kleinen Teich trieben, in welchen die Hexen ein Kraut geworfen hatten.<br>
6 Pferde ihres Schwagers hatte sie vor 2 oder 3 Jahren in die Augen gepustet. Sie erblindeten, wurden toll und krepierten. Andere Pferde brachte sie und Grete Horen z.B. im Birkenmoor (Gut Dänisch Nienhof) um, indem sie sie in einem kleinen Teich trieben, in welchen die Hexen ein Kraut geworfen hatten.<br>


Sich selbst und ihrer Schwester tötete sie Schafe.<br>
Sich selbst und ihrer Schwester tötete sie Schafe.<br>
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Der Rat der Stadt Kiel berichtet den Landesherrn, dass diese Beschuldigung falsch war: Die Palschke sei neulich verstarb, und ehrlich begraben worden. Dagegen sei die Abell Beegmanß übelbeleumdetund einen unzüchtigen Lebenswandel geführt, weshalb sie aus der Stadt gewiesen werden sollte.<br>
Der Rat der Stadt Kiel berichtet den Landesherrn, dass diese Beschuldigung falsch war: Die Palschke sei neulich verstarb, und ehrlich begraben worden. Dagegen sei die Abell Beegmanß übelbeleumdetund einen unzüchtigen Lebenswandel geführt, weshalb sie aus der Stadt gewiesen werden sollte.<br>
   
   
**'''Margrete Brunß 1666 vermutlich gerichtlich nicht vorgegangen'''
**'''Margrete Brunß 1666 vermutlich gerichtlich nicht vorgegangen'''
Die Braunsche, (Mar-)Grete Brunß, Ehefrau von Claus Grellen aus der [[Fischerstraße]] wurde auch von Abell Beegmanß in deren Bittschrift an den Herzog Christian Albrecht der Hexerei beschuldigt und soll laut Abell Beegmanß als Komplizin von bereits hingerichteten Hexen benannt worden sein.<br>
Die Braunsche, (Mar-)Grete Brunß, Ehefrau von Claus Grellen aus der [[Fischerstraße]] wurde auch von Abell Beegmanß in deren Bittschrift an den Herzog Christian Albrecht der Hexerei beschuldigt und soll laut Abell Beegmanß als Komplizin von bereits hingerichteten Hexen benannt worden sein.<br>
Außerdem wurde sie von Marie Beegmanß, der Tochter der Abell, als Hexe beschimpft.
Außerdem wurde sie von Marie Beegmanß, der Tochter der Abell, als Hexe beschimpft.
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"…In ihrem und ihres Mannes "Keller" soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Die Untersuchung ergab, dass sie nicht als Zauberin oder Hexe verurteilt werden durfte, dass sie aber aufgrund des zugestandenen und an verschiedenen Leuten geübten "Raden, Wicken und Seegnen", welches sie von einer gewissen Person in ihren jungen Jahren erlernet, wegen der "Abergläubischen und gotteslästerlichen Misshandlungen" aus der Stadt verwiesen werden sollte.<br>
"…In ihrem und ihres Mannes "Keller" soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Die Untersuchung ergab, dass sie nicht als Zauberin oder Hexe verurteilt werden durfte, dass sie aber aufgrund des zugestandenen und an verschiedenen Leuten geübten "Raden, Wicken und Seegnen", welches sie von einer gewissen Person in ihren jungen Jahren erlernet, wegen der "Abergläubischen und gotteslästerlichen Misshandlungen" aus der Stadt verwiesen werden sollte.<br>


Als der Nachrichter der Stadt Kiel sie aus der Stadt am [[25. April]] [[1686]] führte, wurde sie auf dem Weg
Als der Nachrichter der Stadt Kiel sie aus der Stadt am 25.04.1686 führte, wurde sie auf dem Weg
nach Hagen zu von etlichen Männern zu Tode gesteinigt. Gegen diese Übeltäter ging die Stadt
nach Hagen zu von etlichen Männern zu Tode gesteinigt. Gegen diese Übeltäter ging die Stadt
gerichtlich vor." (Quelle: Stadtarchiv Kiel, Protocollum civitatys Chiloniensis de anno 166-1673 ( Obergerichtsprotokoll Nr. 6). Vgl. Asmus Bremer, Kieler Chronik in: Moritz Stern (Hrsg.), Kiel 1916 (Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Heft 18 und 19), S. 315; Nachrichter und Scharfrichter sind seit dem Mittelalter gebräuchliche Berufsbezeichnung für den Vollstrecker der Todesstrafe oder anderer Gerichtsurteile)
gerichtlich vor." (Quelle: Stadtarchiv Kiel, Protocollum civitatys Chiloniensis de anno 166-1673 ( Obergerichtsprotokoll Nr. 6). Vgl. Asmus Bremer, Kieler Chronik in: Moritz Stern (Hrsg.), Kiel 1916 (Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Heft 18 und 19), S. 315)  
   
   
* '''Trienke Gieren''' - eventuell identisch mit Anneke Gieren
* '''Trienke Gieren''' - eventuell identisch mit Anneke Gieren
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* '''Anjen Preetze Weiteres Schicksal unbekannt'''<ref>Siehe auch [http://www.einmetjennahmenspreetzen.de/wordpress/anje-preetzen/ '''Ein Metjen nahmens Preetzen''' ''Ein Film von Gerald Koll'' Historisches-Personen: Anje Preetzen]</ref><ref>[http://www.anton-praetorius.de/downloads/namenslisten/Hexenprozesse_Kiel.pdf Fälle und Opfer der Hexenprozesse / Hexenverfolgung Kiel] auf  der Website [http://www.anton-praetorius.de Anton Praetorius - Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter], abgerufen am 10. Januar 2019</ref>
* '''Anjen Preetze Weiteres Schicksal unbekannt'''<ref>Siehe auch [http://www.einmetjennahmenspreetzen.de/wordpress/anje-preetzen/ '''Ein Metjen nahmens Preetzen''' ''Ein Film von Gerald Koll'' Historisches-Personen: Anje Preetzen]</ref><ref>[http://www.anton-praetorius.de/downloads/namenslisten/Hexenprozesse_Kiel.pdf Fälle und Opfer der Hexenprozesse / Hexenverfolgung Kiel] auf  der Website [http://www.anton-praetorius.de Anton Praetorius - Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter], abgerufen am 10. Januar 2019</ref>


== Das Hexenbild in Schleswig-Holstein ==
== Die Rolle der Kieler Universität ==
 
An vielen Universitäten wurde die Verfolgung von Hexen in den verschiedenen Fakultäten theoretisch unterfüttert, diskutiert und gefördert. Durch die europaweite Vernetzung der Akademiker fanden derartige Ideen weite Verbreitung.
Die ersten Belege für den deutschen Begriff ''Hexe'' finden sich in den Frevelbüchern der Stadt Schaffhausen aus dem späten 14. Jahrhundert.
Der Begriff war im Gegensatz zu süddeutschen Regionen über 200 Jahre nach seinem ersten Erscheinen in Schleswig-Holstein nicht gebräuchlich.
Ein breites Spektrum von Begriffen bezeichnete bis Mitte des 17. Jahrhunderts vermeintliche magische Tätigkeiten in Schleswig-Holstein. Das am meisten verwendete Wort ''Zauberin'' wird erst ab etwa 1640 durch ''Hexe'' abgelöst (SO im Prozess gegen Sunde Bohlen 1587 der Straftatbestand „Hexerey“).<br>
Nach dem sogenannten „gelehrten Hexenbegriff“ waren Hexen als Mitglieder einer weltweiten Verschwörung entlarvt worden, an deren Spitze der Teufel stand. Als deren Ziel wurde unterstellt, die christliche Welt zu schädigen oder gar zerstören zu wollen.<ref>[http://www.geschichte-s-h.de/hexenverfolgung/ Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein] auf der Website der [http://www.geschichte-s-h.de Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte], abgerufen am 09. Januar 2019</ref><br>
 
Dennoch fasste laut ''Rolf Schulte'' das Bild des ''Hexensabbats'' als kultischem Zentrum des Hexenwesens, als Brutstätte zahlreichen Schadens und kollektiven Hexentreibens in der Elite- und der Volkskultur in Schleswig-Holstein wenig Fuß. Die Tradition des mittelalterlichen Zaubereibegriffs setzte sich in Schleswig-Holstein fort und wurde in der Frühen Neuzeit auf den ''Teufelsbund'' und die ''Teufelsbuhlschaft'' übertragen.<br>
Nach 1570 war in den Kieler Hexenprozesse auch der ''Teufelspakt'' einer der entscheidenden Erkennungsmerkmale für das angeblichen Hexenverbrechen. Vorher stand allein die Ermittlung der Schädigung im Vordergrund.<br>
Doch das Kollektivbild von der Hexerei spielte auf der Seite des Kieler Rates und des Gerichts eine geringe Rolle. Im Vordergrund der Verhören stand nicht die Teilnahme an der kollektiven Tat, sondern der persönliche Schadenszauber.<br>
Entsprechend sind wenige ''Besagungen'', Benennungen anderer Hexe, in den Kieler Prozessakten zu finden.
Die Angabe von Komplizen bildete aber die Grundlage für größere Kettenprozesse, Massenprozesse oder auch regelrechte Hexenjagden, die in Kiel sehr selten waren.<br>
 
Nach der Reformation entwickelte sich der tradierte nicht ge­schlechts­spe­zi­fische Zaubereibegriff zu dem volkstümliche Hexenbegriff in Schleswig-Holstein:<br>
Das protestantische Hexenbild sahen die Hexentheoretiker im Gegensatz zu zahlreichen katholischen Geistlichen in der Verknüpfung von magischer Aggression und weiblichem Geschlecht: Frauen galten für sie als potenzielle Agentinnen des Teufels. 89,0 % der Verfahren in Schleswig-Holstein richteten sich gegen Frauen, im reichsweiten Vergleich erheblich über dem Durchschnitt. Die Gerichte klagten hier nicht nur Frauen überproportional an, sondern ahndeten auch ihre vermeintlichen Verbrechen ungleichmäßig strenger. Männer überstanden die Hexenprozesse nicht nur im höheren Maße lebend, sie kamen auch in ungleich höherer Zahl frei.<br>
Auch in Kiel wurde anscheinend nur ein Mann (Hinrich Busch) hingerichtet.
<ref>[https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/akih-eskript/heft-2-2010/artikel/hexenverfolgung-13/#jumpLink6 Rolf Schulte, Hexenverfolgung in Schleswig und Holstein 4. Hexenbilder] in: @KIH-eSkript Interdisziplinäre Hexenforschung Online Heft 2, 2010 auf [https://www.historicum.net/ historicum.net. Fachinformationsdienst Geschichtswissenschaft], abgerufen am 09. Januar 2019. {{WP|Hexenverfolgung|Hexenverfolgungen}}</ref>
 
==  Mögliche Ursachen ==
 
Die vielfältigen und miteinander abhängigen Ursachen für die gegenüber dem Mittelalter in der Frühen Neuzeit deutlich verstärkte massenhafte Verfolgung in einigen Regionen sind u.a.:<br>
* Schwere Krisen zu Beginn der Neuzeit wie die Kleine Eiszeit, eine Periode relativ kühlen Klimas mit Missernten, pandemische Seuchen wie die [[Pestfriedhof|Pest]] und verheerende Krieg wie 30jährige Krieg.<br>
* Individuelle / familiäre Krisen und persönliche Motive: Materielle Motive bei vielen Denunziationen, aber auch Antipathie oder Nachbarschaftsstreitigkeiten, besonders, wenn die Denunziationen von privilegierteren Stand waren, und Krankheit.<br>
* Der kulturelle Hintergrund, u. a. im Späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit de­ge­ne­rie­rten die vorchristlichen Kulte zu abergläubischen Vorstellungen und Riten.<ref>{{WP|Hexenverfolgung#Ursachen|Ursachen der Hexenverfolgung}}</ref><br>
 
=== Ökonomischen Krisen und gesellschaftliche Spannungen ===
 
Die Klimaverschlechterung mit Missernten war auch in Schleswig-Holstein spürbar. Im Gegensatz zu der süd- wie westdeutschen und österreichischen Hexenverfolgungen kann man nicht folgern, dass die Hexenprozesse in Schleswig-Holstein und die Wetterverschlechterung
direkt verknüpft waren: Der Wetterzauber war fast unbekannt, nur in 0,5 % der Prozesse zeigten Kläger eine magische Aggression in Form eines angeblichen Wetterzaubers an. In den Kieler Akten der Hexenprozesse war anscheinend der Wetterzauber kein Tatbestand.<br>
 
In Schleswig-Holstein muss als einer der wichtigen Gründe für die Hexenprozesse im 17. Jahrhundert unverkennbar die ökonomischen Krise dieser Zeit angenommen werden.<ref>[http://www.geschichte-s-h.de/hexenverfolgung/ Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein] auf der Website der [http://www.geschichte-s-h.de Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte], abgerufen am 09. Januar 2019</ref><br>
Durch die Klimaverschlechterung nahm das Angebot von landwirtschaftliche Produkte ab, auf die Städte wie Kiel angewiesen waren.
Gleichzeitig nahm die Nachfrage zu, auch durch Bevölkerungsvermehrung: die Preise stiegen und die Löhne stagnierten oder fielen sogar.
Diese wirtschaftliche Krise setzten sich in einer sozialen Polarisierung um: Gesellschaftliche Randständigkeit entwickelte sich zur breiten sozialen Erscheinung, und die Obrigkeiten gingen gegen diese [[Armenpflege|verarmten]] Schichten vor, die ständisch nicht mehr integrierbar waren.<br>
 
Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Krise und Hexenverfolgung könnte in der gespaltenen Bevölkerungsstruktur liegen, in der die traditionellen Solidarbeziehungen und Nachbarschaften nicht mehr funktionieren:
In Jahren extrem schwieriger materieller Lagen suchten die  Armen verstärkt die Unterstützung in den Nachbarschaften, die jedoch in dieser Mangelsituation es abgelehnt und mit Zorn oder Beschimpfungen reagierten: Die Not in Städten verursachte latente oder offene soziale bzw. zwischenmenschliche Spannungen, setzten sich in Alltagskonflikte um (die in volkstümlicher Sichtweise prinzipiell zuerst dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben wurde,) und konnten schließlich in Hexenprozesse münden. Denn kam es innerhalb einen sozialen Geflecht zu unerklärlichen Ereignissen, Krankheiten oder Todesfällen, lag eine bestimmte Erklärung nahe: nach dem Aufkommen und der Verbreitung der neuen Hexenlehre gesuchte auch die Stadteinwohner die Ursache für manche Schädigungen in den okkulten Vergeltungsaktivitäten, die Racheversuche der Zurückgewiesenen.
 
In diesen gesamten Komplex von ökonomischer Krise und zwischenmenschlichen Spannungen mischte sich nun auch noch eine Obrigkeit mit eigenen Absichten ein.<ref>[https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/akih-eskript/heft-2-2010/artikel/hexenverfolgung-13/#jumpLink6 Rolf Schulte, Hexenverfolgung in Schleswig und Holstein 4. Hexenbilder] in: @KIH-eSkript Interdisziplinäre Hexenforschung Online Heft 2, 2010 auf [https://www.historicum.net/ historicum.net. Fachinformationsdienst Geschichtswissenschaft], abgerufen am 09. Januar 2019. {{WP}}</ref><br>
 
Es mag sein, dass in Kiel als kleine und ärmere Stadt mit nur rund 3000 Einwohner (im Vergleich die größeren [[Hansezeit|Handelsstädte]] in dieser Zeit: Lübeck über 30.000 Einwohner; Flensburg rund 10.000) die Kluft zwischen den Schichten bzw. Ständen geringer und dadurch entstehenden gesellschaftlichen Spannungen kleiner waren, so dass in Kiel weniger die Hexenprozesse stattfanden. In den Kieler Akten ist die gesellschaftlichen Spannungen und Konflikte jedoch auch erkennbar.
 
=== Die Rolle der  Obrigkeit  ===
Für Hexenprozesse waren in erster Linie die weltlichen Institutionen zuständig: das städtische Gericht ermittelte von Amts wegen und die Verfahren wurden vor dem Hohen Gericht (Blutgericht) der Stadt Kiel verhandelt. Ihr Urteil mussen sie – im Gegensatz der Gerichtsbarkeit der freien Städte – von dem Landesherr ratifizieren lassen.
 
===== Kirche =====
Die Kirchen spielten in der Hexenverfolgung eine ambivalente Rolle:
Die weit verbreitete Meinung, Hexenverfolgungen seien hauptsächlich eine Erscheinung des Mittelalters gewesen, ist ebenso falsch wie die Meinung, die großen Wellen neuzeitlicher Hexenverfolgung seien vorrangig von der kirchlichen Inquisition angestrebt oder ausgeführt worden.
Zwar gab es die Hexenbulle aus dem Jahr 1484, in der der Papst Innozenz VIII die Existenz der Hexereier als einziger Papst überhaupt bestätigte<ref>{{WP|Summis_desiderantes_affectibus|Hexenbulle}}</ref>, und wirkungsmächtige Hexentheoretiker, die Geistliche waren wie die Rendsburger Pastor ''Samuel Meiger''(* 1532 in Rendsburg; † 12. Juni 1610 in Nortorf), aber auch Hexenverfolgungsgegner.<br>
Die Geistliche waren aber verpflichtet, die angenommenen Hexen dem hohen weltlichen Gerichte anzuzeigen.<br>
 
Ein eindeutiger direkter Zusammenhang zwischen regionaler Konfession und Hexenverfolgung ist nicht festzustellen.<br>
Während die katholische Diskussion sich dogmatisierte, blieb die protestantische Debatte offener, da keine entscheidende Amtsautorität
vorhanden war und grundsätzlich viele Argumente nicht unterdrückt wurden.<br>
Dennoch verschärfte die (weltliche) Vorschrift in protestantischen Regionen wie in Schleswig-Holstein, weil Hexerei einen Bund mit dem Teufel darstelle und somit in Sinne von Luther immer des Todes würdig sei.<ref >Luther glaubte wie viele seiner Zeitgenossen an die Existenz von Hexen und er forderte die Exkommunikation der als Hexen verdächtigten Frauen und die Todesstrafe für vermeintliche Schadenszauberei. Über andere Aspekte der mittelalterlichen Hexenlehre wie Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und Hexensabbat äußerte sich Luther eher kritisch. So beriefen sich später sowohl Befürworter als auch Gegner der Hexenverfolgung auf ihn.{{WP|Martin_Luther#„Hexen“|Verhältnis zu den "Hexen"}}</ref><br>
 
In der "gemäßigten Hexenlehre" von Pastor Samuel Meiger stellte die Hexerei als „Mutter aller Sünden" einen Verstoß gegen sämtliche zehn Gebote dar. Mit seinen dreibändigen Werk der über die Hexerei "... Dat ys: nödige und nütte underrichtinge I. Van der Töverschen geschwinden list und geschicklicheit quodt thodoude ..." richtete Meiger sich vor allem an die Obrigkeiten in Stadt und Land und forderte sie auf zur unnachgiebige Verfolgung der Zauberer und Hexen.<br>
Sein Buch erschien 1587 und seit 1590 stiegen die Zahlen der Hexenprozesse in Schleswig-Holstein stark an (anscheinend allerdings nicht in Kiel), wohl nicht zuletzt veranlasst durch Meigers Buch.<br>
Gleichzeitig aber warnte Meiger davon, dass die Anwendung von Folter zur Erpressung von Geständnissen dazu führen würde, dass Unschuldige fälschlich angeklagt und verurteilt würden:
„So ist nun dies meine Absicht und Meinung gewesen, dass die Obrigkeit davon recht unterrichtet werden möge, was Zauberei für eine schreckliche Sünde sei, damit, gleichwie sie die richtigen, bekannten und überführten Zauberer nach Gottes Wort und kaiserlichem Recht nicht verschonen, sondern das Böse von der Erde wegtun soll, sie doch wiederum sich wohl vorsehen möge, dass sie auf geringschätzige, ungewisse, unbegründete, ja mitunter falsche Bezichtigung und Anklage nicht unbesonnen zur Marter und Tortur mit den Unschuldigen eile.“
<ref>{{WP|Samuel_Meiger|Samuel Meiger}}; [https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/akih-eskript/heft-2-2010/artikel/hexenverfolgung-13/#jumpLink6 Rolf Schulte, Hexenverfolgung in Schleswig und Holstein 4. Hexenbilder] in: @KIH-eSkript Interdisziplinäre Hexenforschung Online Heft 2, 2010 auf [https://www.historicum.net/ historicum.net. Fachinformationsdienst Geschichtswissenschaft], abgerufen am 09. Januar 2019.</ref>
 
==== Weltliche Obrigkeit ====
Die am 27.Juli 1532 in Kraft getretene ''Constitutio Criminalis Carolina'' schwächte die zuvor entstandene Hexenbulle von Papst Innozenz VIII. und der zwischen 1220 und 1235 entstandene Sachsenspiegel, in dem Stadtrecht und Stadtgerichtsbarkeit geregelt wurden und in Holstein bis 1865 galt, ab. Diese sahen für jede Zauberei die Todesstrafe vor, die so genannte Halsgerichtsordnung des Kaisers Karl V. beschrieb die Todesstrafe lediglich für solche Verbrechen, bei denen Menschen zu Schaden kamen. Für Zauberei, die lediglich mit Sachschaden verbunden war, wurden nur Reparationen gefordert.
 
Vor allem in protestantischen Gebieten erließen die Landesherren – im Fall Kiels der Herzog von Holstein bzw. der dänischen König - strengere Rahmenrechte und nahmen die kriminalisierte Hexerei in die Landesverordnungen auf, um ihre Verantwortung gegenüber Gott, die sittliche und spirituelle Ordnung wieder herzustellen und den Druck zu einer Konformität zu erhöhen. Diese Zaubereibestimmungen der „gelehrte Hexenlehre“ setzen die magischen Verbrechen mit einem vermeintlichen Teufelsbündnis gleich. Die Regelungen übertrafen die der „Carolina“ an Schärfe, erreichten aber in Schleswig-Holstein nicht die strengeren Erlasse anderer lutherischer Landesherren.
Die weltliche Herrschaft mussten bereit sein, Hexenprozesse zu fördern oder wenigstens zu tolerieren und ihren Verwaltungs- und Justizapparat hierfür zur Verfügung zu stellen.<br>
 
Das  größer Teil der schleswig-holsteinischen Hexenverfolgung fand in den ländlichen Gebieten statt: Die Rechtssprechung oblag dem Bauerngericht aus freien Bauern oder dem Gutsherrn, dem zwar formal zwei Bauernvertreter assistierten und den abhängige Verwalter.
In diesen Gutsbezirken verfügten die Gutsherrn über zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten.Die Gutseigentümer als oberster Richter konnte auf seine Leibeigenen Druck ausüben, (Schein-) Legitimation bäuerlicher Forderungen gegen vermeintliche Hexen und Hexenmänner zu initiieren oder Begehren von Untertanen zu verhindern, wenn sie in seinem Interesse lagen, und die Diktion und die Vollständigkeit der Protokollen beeinflussen.<br>
 
In Kiel übte der Rat die oberste Gerichtsgewalt aus in dem die Kaufleute ein eindeutiges Übergewicht besaßen, denn Krämer und Handwerker galten häufig als ratsunfähig.<br>
Die Stadtgerichtsherren entschieden als Vertreter der Landesobrigkeiten, welche Zeugenaussagen besonders gewertet, wann und ob überhaupt Folter eingesetzt wurde oder welche Verdächtigungen gegen angebliche Komplizinnen plausibel erschienen und was und wie in den Protokollen stand.Auch das städtische Hohe Gericht hatte auch Manipulationsmöglichkeiten, aber im Vergleich der Gutsherren weniger.<br>
 
In einen Stadt fanden in der Regel im Gegensatz zu den ländlichen Gebieten wenige Hexenprozesse auf massiven Druck „von unten“ statt.<ref>[https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/akih-eskript/heft-2-2010/artikel/hexenverfolgung-13/#jumpLink6 Rolf Schulte, Hexenverfolgung in Schleswig und Holstein 4. Hexenbilder] in: @KIH-eSkript Interdisziplinäre Hexenforschung Online Heft 2, 2010 auf [https://www.historicum.net/ historicum.net. Fachinformationsdienst Geschichtswissenschaft], abgerufen am 09. Januar 2019.</ref>
 
==== Die Rolle der Kieler Universität ====
An vielen Universitäten wurde die Verfolgung von Hexen in den verschiedenen Fakultäten theoretisch unterfüttert, diskutiert und gefördert. Durch die europaweite Vernetzung der Akademiker fanden derartige Ideen weite Verbreitung.<br>
Ab dem 16. Jahrhundert ergänzten zahlreiche Juristen in den größeren Städten das führende Gerichte und wirkten damit auch bemerkbar bei der Rechtsprechung mit.<br>
Nach ihrer Gründung 1665 unterstützte die juristischen Fakultät der [[Christian-Albrechts-Universität zu Kiel|Kieler Universität]] die Hexenverfolgung und billigten die Besagungen, auch wenn nicht vollständig, grundsätzlich keine strafrechtliche Konsequenz zu.  
Nach ihrer Gründung 1665 unterstützte die juristischen Fakultät der [[Christian-Albrechts-Universität zu Kiel|Kieler Universität]] die Hexenverfolgung und billigten die Besagungen, auch wenn nicht vollständig, grundsätzlich keine strafrechtliche Konsequenz zu.  
Die Rechtsgelehrten der Universitate erstellten in Schleswig-Holstein Rechtsgutachten und Stellungnahmen zu den Hexenverfahren und als Hexenkommissaren sollten sie den ordnungsgemäßen Verlauf eines Hexenprozesses gewährleisten.<ref>{{WP|Hexenkommissar|Hexenkommissar}}</ref><br>
Die Rechtsgelehrten der Universitate erstellten in Schleswig-Holstein Rechtsgutachten und Stellungnahmen zu den Hexenverfahren und als Hexenkommissaren sollten sie den ordnungsgemäßen Verlauf eines Hexenprozesses gewährleisten.<ref>{{WP|Hexenkommissar|Hexenkommissar}}</ref><br>
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Mauritius war zwar ein Befürworter der Hexenverfolgung und -hinrichtungen und stellte die Existenz von Hexen grundsätzlich nicht in Frage, aber der Hauptaugenmerk des Juristen lag auf dem rechtlichen Bereich:<br>
Mauritius war zwar ein Befürworter der Hexenverfolgung und -hinrichtungen und stellte die Existenz von Hexen grundsätzlich nicht in Frage, aber der Hauptaugenmerk des Juristen lag auf dem rechtlichen Bereich:<br>
er forderte die Einhaltung von Prozessvorschriften auch im Hexenverfahren, den „processus ordinarius“ , d. h. Prozesse ohne Sondergerichtsbarkeit und kein Ausnahmerecht bei der Verfolgung.  
er forderte die Einhaltung von Prozessvorschriften auch im Hexenverfahren, den „processus ordinarius“ , d. h. Prozesse ohne Sondergerichtsbarkeit und kein Ausnahmerecht bei der Verfolgung.  
Er verwarf die klassisch geltenden Indizien für Hexerei wie z.&nbsp;B. die sogenannte Wasserprobe, und die typischen Belastungsmerkmalen wie die angeblich entlarvende Tränenlosigkeit unter Folter oder das Hexenmal. Er warf sogar Richtern, die derartige Hexenprüfungen anordneten, Gotteslästerung vor, u. a. weil sie auch Unschuldige gefährden.<br>
Er verwarf die klassisch geltenden Indizien für Hexerei wie z.B. die sogenannte Wasserprobe, und die typischen Belastungsmerkmalen wie die angeblich entlarvende Tränenlosigkeit unter Folter oder das Hexenmal. Er warf sogar Richtern, die derartige Hexenprüfungen anordneten, Gotteslästerung vor, u. a. weil sie auch Unschuldige gefährden.<br>
Durch seine mäßigenden Argumente beeinflusste er die damaligen Diskussion in nicht unbeträchtlichem Maße.<br>
Durch seine mäßigenden Argumente beeinflusste er die damaligen Diskussion in nicht unbeträchtlichem Maße.<br>
Diese Schwierigkeit, wirkliche Verfolgungsgegner zu finden, gilt nicht nur für den Rechtsgelehrten der Universität Kiel, sondern auch
Diese Schwierigkeit, wirkliche Verfolgungsgegner zu finden, gilt nicht nur für den Rechtsgelehrten der Universität Kiel, sondern auch
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Michaelis verwies in seiner rechtlichen Gedankenführung vorsichtig auf das Werk des Theologen und maßgeblichen Verfolgungsgegners ''Friedrich Spee ''<ref>{{WP|Friedrich_Spee|Friedrich Spee}}</ref> (1591-1635), in dessen Werk die Absurdität von Hexengeständnissen gebrandmarkt worden war.<ref>[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_16/Demokratische_Geschichte_Band_16_Essay_2.pdf Rolf Schulte: Widerstand gegen Hexenverfolgung] mit dem Quellen ''Ericus Mauritius: De denuntiatione sagarum, abgedruckt in: Hertius, J.N. (Hg.): Ericus Mauritius Dissertationes et Opuscula, de selectis conscripta, et se orsius antehac diversis locis edita, jam verò explendis eruditorum diuturnis desideriis, Giessen 1724''; ''Henricus Michaelis: Responsorum sive deductorum Juris Kiloniensium aliorumque selectorum Liber, Quorum argumenta in indice praefixo exhibentur, Lubecae 1673''; ''M. Volbehr-Weyl: Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665-1933, Kiel 1934 (2.Auflage)''; Eugen Wohlhaupter: Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, in: Geschichte der Rechtsquellen Schleswig-Holsteins von den Anfängen bis zum Jahre 1800, Band 1, Kiel/ Neumünster 1938'' in:  Manfred Jessen-Klingenberg et al. (Hrsg.), Demokratische Geschichte Band 16 auf den Website [https://www.beirat-fuer-geschichte.de/ Beirat für Geschichte in der Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holstein e. V.], abgerufen am 09. Januar 2019</ref>
Michaelis verwies in seiner rechtlichen Gedankenführung vorsichtig auf das Werk des Theologen und maßgeblichen Verfolgungsgegners ''Friedrich Spee ''<ref>{{WP|Friedrich_Spee|Friedrich Spee}}</ref> (1591-1635), in dessen Werk die Absurdität von Hexengeständnissen gebrandmarkt worden war.<ref>[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_16/Demokratische_Geschichte_Band_16_Essay_2.pdf Rolf Schulte: Widerstand gegen Hexenverfolgung] mit dem Quellen ''Ericus Mauritius: De denuntiatione sagarum, abgedruckt in: Hertius, J.N. (Hg.): Ericus Mauritius Dissertationes et Opuscula, de selectis conscripta, et se orsius antehac diversis locis edita, jam verò explendis eruditorum diuturnis desideriis, Giessen 1724''; ''Henricus Michaelis: Responsorum sive deductorum Juris Kiloniensium aliorumque selectorum Liber, Quorum argumenta in indice praefixo exhibentur, Lubecae 1673''; ''M. Volbehr-Weyl: Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665-1933, Kiel 1934 (2.Auflage)''; Eugen Wohlhaupter: Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, in: Geschichte der Rechtsquellen Schleswig-Holsteins von den Anfängen bis zum Jahre 1800, Band 1, Kiel/ Neumünster 1938'' in:  Manfred Jessen-Klingenberg et al. (Hrsg.), Demokratische Geschichte Band 16 auf den Website [https://www.beirat-fuer-geschichte.de/ Beirat für Geschichte in der Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holstein e. V.], abgerufen am 09. Januar 2019</ref>


== [[Sagen und Stadtlegenden|Sagen]] ==
== Sagen ==
Aus [[Karl-Müllenhoff-Weg|Karl Müllenhoff]]: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845.
Erstdruck: Kiel (Schwerssche Buchhandlung) 1845


[[Hexentellerweg|'''Hexenteller''']] war eine Flurbezeichnung in [[Moorsee]]. Vermutlich bezeichnete der Begriff "Teller" eine flache Mulde, von der man sagen, dass die Hexen sich dort trafen.<br>
<big>'''364. Hexen als Katzen.'''</big>
Vielleicht aber bezieht sich der Teller auf den Aberglauben, den ''Johann Georg Schmidt'' (* 1660,; † 1722) in seiner Sammlung volkstümlicher magischer Praktiken ''Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben'' beschreibt:<br>
"''Wenn man einen Teller über der Mahlzeit umwendet / so können die Hexen Theil an der Mahlzeit haben''"<ref>[http://www.zeno.org/nid/20005624541 Johann Georg Schmidt, Die gestriegelte Rocken-Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), S. 327-328] auf zeno.org. {{WP|Johann_Georg_Schmidt_(Apotheker)|Johann Georg Schmidt}}</ref>
In den Sagensammlung von [[Karl-Müllenhoff-Weg|Karl Müllenhoff]] finden sich:


'''Die Hexen als Katzen'''<br>
''Als mein Vater noch ein Knabe war, passierte hier folgende Geschichte, erzählte eine alte Frau in Kiel. In einem Hause auf dem [[Walkerdamm]], das einem Manne Namens Arp gehörte, war mehrere Tage schon ein gewaltiger Lärm von Katzen auf dem Boden gewesen.''<br>
"''Als mein Vater noch ein Knabe war, passierte hier folgende Geschichte, erzählte eine alte Frau in Kiel. In einem Hause auf dem [[Walkerdamm]], das einem Manne Namens Arp gehörte, war mehrere Tage schon ein gewaltiger Lärm von Katzen auf dem Boden gewesen.''<br>
''Eines Abends will das Dienstmädchen Heu vom Boden für die Kühe herabholen (daaltücken). Da das Geheul der Katzen fortdauerte, sagte sie: »Du verdammte Katt, wat jaulst du so?« und wirft dann mit dem Tückhaken nach der Katze. Wie das eben geschehen ist, fahren alle Katzen auf das Mädchen los, zerreißen und beißen sie, und machen sie ganz zu Schande. Das Mädchen schrie und jammerte, aber es dauerte noch etwas, ehe die Herrschaft es hörte und hinaufkam. Da konnten sie kaum die Katzen von dem Mädchen loskriegen. Das Mädchen war davon sterbenskrank geworden.''<br>
''Eines Abends will das Dienstmädchen Heu vom Boden für die Kühe herabholen (daaltücken). Da das Geheul der Katzen fortdauerte, sagte sie: »Du verdammte Katt, wat jaulst du so?« und wirft dann mit dem Tückhaken nach der Katze. Wie das eben geschehen ist, fahren alle Katzen auf das Mädchen los, zerreißen und beißen sie, und machen sie ganz zu Schande. Das Mädchen schrie und jammerte, aber es dauerte noch etwas, ehe die Herrschaft es hörte und hinaufkam. Da konnten sie kaum die Katzen von dem Mädchen loskriegen. Das Mädchen war davon sterbenskrank geworden.''<br>
''Es hielt zehn bis elf Wochen an; die Doktors konnten ihr nicht helfen und im Hause war jede Nacht ein schrecklicher Lärm, die Katzen schrien und miauten, auch die Kühe brüllten beständig, keiner wagte sich auf den Boden. Da hörten die Leute endlich, daß ein Mann auf Dorfgaarden wohne, Namens Thöming, der so was verstehe. Sie ließen ihn holen, und als er die Kranke sah, so sagte er, er wolle das bald helfen. Er setzte sich darauf vor das Bett, drückte aus einer Wunde des Mädchens etwas Blut, und fing dann an zu lesen aus einem Buche. Da kamen alle Katzen in die Stube über die Schwelle gepurzelt nacheinander bis vor das Bett, gewiß zehn Stück; dann hat er wieder gelesen und sie eben so wieder hinausgelesen.''<br>
''Es hielt zehn bis elf Wochen an; die Doktors konnten ihr nicht helfen und im Hause war jede Nacht ein schrecklicher Lärm, die Katzen schrien und miauten, auch die Kühe brüllten beständig, keiner wagte sich auf den Boden. Da hörten die Leute endlich, daß ein Mann auf Dorfgaarden wohne, Namens Thöming, der so was verstehe. Sie ließen ihn holen, und als er die Kranke sah, so sagte er, er wolle das bald helfen. Er setzte sich darauf vor das Bett, drückte aus einer Wunde des Mädchens etwas Blut, und fing dann an zu lesen aus einem Buche. Da kamen alle Katzen in die Stube über die Schwelle gepurzelt nacheinander bis vor das Bett, gewiß zehn Stück; dann hat er wieder gelesen und sie eben so wieder hinausgelesen.''<br>
''Am andern Morgen war die nächste Nachbarin ebenso zerrissen, wie das Mädchen; denn sie war eine Hexe gewesen und nun hatte der Mann die Katzen durch das Lesen gezwungen, sie auch so zu zerreißen. Von dieser Zeit an war alles ruhig im Hause, das Mädchen ward wieder gesund, aber hinkte davon. Als ich ein kleines Kind war, habe ich sie noch gekannt, sagte die alte Frau.''<br>
''Am andern Morgen war die nächste Nachbarin ebenso zerrissen, wie das Mädchen; denn sie war eine Hexe gewesen und nun hatte der Mann die Katzen durch das Lesen gezwungen, sie auch so zu zerreißen. Von dieser Zeit an war alles ruhig im Hause, das Mädchen ward wieder gesund, aber hinkte davon. Als ich ein kleines Kind war, habe ich sie noch gekannt, sagte die alte Frau.''<br>
''Durch Herrn Student Volbehr.''"<ref>[http://www.zeno.org/nid/20005407788 Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, 2. Buch, S. 244] auf zeno.org. Siehe auch "Die Katzenhexen" in: Broder-M. Ketelsen, Kieler Sagen, Verlang Michael Jung Kiel 1991, S. 27f.</ref>
''Durch Herrn Student Volbehr.''
 
'''<big>309. Das bezauberte Wirtshaus.</big>'''


'''Das bezauberte Wirtshaus'''<br>
''Zu Guckelsby, Kirchspiel Sieseby, lebte vor Jahren ein Wirt, zu dem kam ein Tischler, Namens Wiese, der sich auf die Schwarzkunst verstand; denn er hatte das Buch Cyprianus gut durchstudiert.''<br>
"''Zu Guckelsby, Kirchspiel Sieseby, lebte vor Jahren ein Wirt, zu dem kam ein Tischler, Namens Wiese, der sich auf die Schwarzkunst verstand; denn er hatte das Buch Cyprianus gut durchstudiert.''<br>
''Nachdem Wiese sich eine Zeitlang bei dem Wirt aufgehalten, entzweite er sich mit ihm und ward aus dem Hause gewiesen. Dafür aber bezauberte er nun das Haus. Es fing bald darin, besonders in der Gaststube, ein Werfen mit Kartoffeln an, nicht von außen, sondern unter dem Bett heraus. Trat ein Gast ein, ward er jedesmal mit Kartoffelwürfen empfangen. Ließ er sich dadurch nicht abschrecken, sondern setzte sich und forderte was zu trinken, so tanzte ihm das Glas auf dem Tische. Überhaupt war alles in der Stube, Tische, Stühle, Schränke, in steter Bewegung. Anfangs kamen viele Leute aus Neugier, allein nach und nach ward das Haus von Fremden gemieden. Wollte der Wirt nun nicht ganz verarmen, so mußte er sich mit Wiese vertragen. Er ging daher nach Eckernförde, wo dieser sich damals aufhielt, vertrug sich mit ihm und gleich darnach ward alles wieder so in seinem Hause, wie es zuvor gewesen war.''<br>
''Nachdem Wiese sich eine Zeitlang bei dem Wirt aufgehalten, entzweite er sich mit ihm und ward aus dem Hause gewiesen. Dafür aber bezauberte er nun das Haus. Es fing bald darin, besonders in der Gaststube, ein Werfen mit Kartoffeln an, nicht von außen, sondern unter dem Bett heraus. Trat ein Gast ein, ward er jedesmal mit Kartoffelwürfen empfangen. Ließ er sich dadurch nicht abschrecken, sondern setzte sich und forderte was zu trinken, so tanzte ihm das Glas auf dem Tische. Überhaupt war alles in der Stube, Tische, Stühle, Schränke, in steter Bewegung. Anfangs kamen viele Leute aus Neugier, allein nach und nach ward das Haus von Fremden gemieden. Wollte der Wirt nun nicht ganz verarmen, so mußte er sich mit Wiese vertragen. Er ging daher nach Eckernförde, wo dieser sich damals aufhielt, vertrug sich mit ihm und gleich darnach ward alles wieder so in seinem Hause, wie es zuvor gewesen war.''<br>
''Die Sache war ganz landkundig geworden, und man sagt, daß sogar Professoren aus Kiel verkleidet dagewesen waren und sie untersucht und ganz so befunden hatten, wie sie hier erzählt ist.''<br>
''Die Sache war ganz landkundig geworden, und man sagt, daß sogar Professoren aus Kiel verkleidet dagewesen waren und sie untersucht und ganz so befunden hatten, wie sie hier erzählt ist.''<br>
''Durch Herrn Schullehrer Boysen in Bistensee.''"<ref>[http://www.zeno.org/nid/20005407192 Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, 2.Buch, S. 209] auf zeno.org</ref><br>
''Durch Herrn Schullehrer Boysen in Bistensee.''<ref>[http://www.zeno.org/Literatur/M/M%C3%BCllenhoff,+Karl/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Sagen,+M%C3%A4rchen+und+Lieder/Zweites+Buch/364.+Hexen+als+Katzen Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, Buch 2]. Einige längere Variation in: Ketelsen, Broder-M., Kieler Sagen, Verlag Michael Jung Kiel 1991, S. 28ff.</ref>
In einer  Variation - "Der Schwarzkünstler Wiese" - fragte der Wirt die Kieler Professoren, was er tun sollte: "''Die Professoren überlegten lange. Dann sagte einer: "Es bleibt dir nichts anderen  übrig, als den Tischler Wiese zu suchen und mit ihm zu sprechen!" ...''"<ref>Broder-M. Ketelsen, Kieler Sagen, Verlag Michael Jung Kiel 1991, S. 30</ref>
 
'''Die Hexe als Fuchs'''<br>
"''Vor hundert Jahren lauerte in dem Redder,''...'', oft ein Fuchs Vorübergehenden auf, biß sie und nahm besonders Kindern die Sachen weg, die sie mit sich führten. Der Weg war zuletzt so verschrien, daß niemand ihn mehr zu passieren wagte; keine Kugel hatte den Fuchs noch erlegen können.''<br>
''Zwei Bauern luden endlich ihre Flinten mit einem ererbten silbernen Knopf; und als der Fuchs bellend auf sie zukam, schoß der eine seine Flinte auf ihn ab und verwundete ihm den einen Vorderfuß. Nun eilte der Fuchs so schnell davon, daß die Jäger nicht folgen konnten; doch sahen sie, daß er in einen runden Backofen ... schlüpfte.''<br>
''Als sie dahin kamen und die Tür öffneten, um ihm den Rest zu geben, kroch ein altes Weib, dessen Arm stark blutete, heraus und schrie: »Kommt, Hunde, freßt!« – Wenn eine Hexe nämlich verwundet wird, muß sie ihre wahre Gestalt wieder annehmen.''<br>
''Durch Herrn Heinrich. – Dieses Stück wird auch häufig z.&nbsp;B. im Gute Wensien, [[Ellerbek#Sagen|in Ellerbek bei Kiel etc. von Hexen erzählt]], die sich in Hasen verwandelt haben; verwundet fliehen sie in einen Backofen.''"<ref>[http://www.zeno.org/nid/20005407834 Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, 2, Buch, S. 246-247] auf zeno.org</ref><br>
 
In den Sagensammlung von [[Gustav Friedrich Meyer]] findet man:<br>
 
'''Hans der Büttel'''<br>
''Vor langer Zeit wohnte in Kiel ein Mann namens Asmus von Ahlefeld, den man Hans der Büttel nannte, denn er war der Gehilfe des Scharfrichters''<br>
''Der hatte sich der schwarzen Kunst verschrieben, weil er seinen schwer erkrankten Bruder Jürgen von Ahlefeld helfen wollte. Doch er hatte kein Erfolg. Er vermutete, dass auf dem Gut seines Bruders eine Frau sei, die durch den Bösen Blick sein Brüder Böses angesagt hatte. Das Gesinde auf dem Gut halfen ihn, die Frau zu fassen.''<br>
''Sie leugnete, dass sie mit der Krankheit seines Bruders etwas zu tun hatte. Aber die Leute sie nicht und flüsterten sich zu, dass sie eine Hexe sei und so ließ Hans der Büttel die Frau durchpeitschen. Dreimal wurde sie peinigt, dreimal schwieg sie, doch dass man von ihr abließ.''<br>
''Mit Kräutern versuchte Hans der Büttel seinen Bruder zu heilen, aber Jürgen von Ahlefeld verstarb.''<br>
''Nun stand Hans der Büttel schwer belastet vor Gericht. Er stritt ab, dass er mit dem Tod seines Bruders etwas zu tun habe Aber das Verhör ergab, das er schuldig sein müsse und man gefordert, ihm das Haupt abzuschlagen. Darüber wird ein späteres Verfahren entscheiden.''<ref>Nacherzählt nach Gustav Friedrich Meyer: Schleswig-Holsteiner Sagen, Jena 1929; Broder-M. Ketelsen, Kieler Sagen, Verlag Michael Jung Kiel 1991, S. 35</ref><br>
Die Sage erinnert vielleicht an die Familie von Ahlefeld, die ein Haus in der Flämischen Straße besaßen, welches einen seltsamen Ruf hatte. So soll Detlev von Ahlefeld (* 1617, † 1686), selbst nicht in Kiel wohnhaft, sich mit der Goldmacherei beschäftigt haben und  okkultistische Interessen hegen. Sein Sohn Christoff von Ahlefeld bewohnte das Haus bis 1669: nach einem Duell erlitt er einen Schlag und soll stumm dem Wahn verfallen sein.<ref>http://www.einmetjennahmenspreetzen.de/wordpress/flaemische-strasse/</ref>
 
== Siehe auch ==
[[Ein Metjen nahmens Preetzen]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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