Rüstungsbetriebe

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Rüstungsbetriebe. auch Sicherheits- und Verteidigungsindustrie genannt, sind heute Betriebe, die Waffensysteme, Waffen und Munition (Kernbereich) sowie im erweiterten Bereich die Güter für Prävention, Einsatzmanagement und Kommunikation, wie z. B. Software, Boote der Küstenwache, Navigation und Kommunikation herstellen.[1]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mittelalter wurden in Kiel und Umgebung durch ansässige oder von Dienstherr zu Dienstherr ziehenden Handwerker Angriffs- und Schutzwaffen und Rüstungen, teilweise schon unter industriellen Bedingungen, hergestellt und verkauft. Man mag auch die Ziegeleien und andere Bauhandwerker zu den frühen erweiterten Rüstungsbetrieben zu zählen, da sie für die Stadtbefestigung notwendig waren.

Nach der Erfindung des Schwarzpulvers Anfang des 13. Jahrhunderts wurden Kanonen und Feuerwaffen von den Büchsenmeistern gebaut, die meist direkt dem Stadtrat oder dem Landesherren unterstellt und in der Regel für den Betrieb des örtlichen Zeughauses verantwortlich waren.[2]
Spätesten im 14. Jahrhundert fing Kiel an, Waffenvorräte auf Kosten der Stadt anzulegen und seit dem 15. Jahrhundert erhielt jeder freien Bürger seine Waffen auf städtische Kosten, denn neben der Verpflichtung zur Verteidigung der Stadt selbst waren die Kieler Bürger verpflichtet an der Teilnahme der "Landesverteidigung“.
Im Jahre 1415 nahm der Kieler Rat den Meister Marquard als Armbrusterer in seinen Dienst, der jährlich zwei gute „Wyp-Armborste“ liefern sollte, dafür wohnte er frei am Schuhmachertor. Auch wurde ein Büchsenmeister für die durch Verfertigung und Bedienung der Büchsen eingestellt.[3] Im 16.Jahrhundert entstand in Kiel ein Bussenhus (Büchsenhaus, Zeughaus) für die Geschütze.[4]
Dass die Kleinstadt Kiel über Waffen und ihre Herstellung verfügte, beweist auch der "Wunsch" des dänischen Königs Christian I. im Jahr 1470, von Kiel „... zwei schermbreker und Steine, eine halbe oder ganze Tonne Pulvers und eine Tonne Pfeile zu leihen ...“.
Ebenfalls 1470 drängte der Stadtrat von Lübeck darauf "..., daß die Kieler ihre Waffen in einen kriegstüchtigen Zustande setzen, wie es für die Stadt nötig sei, denn wolle man sich der Feinde in den Zeiten der Noth erwehren, ...[3]
Vermutlich auf Betreiben Lübecks, an das Kiel 1469 bis 1496 verpfändet war, hat der Kieler Rat mit den Ämter (norddeutsch für Zünfte) 1470 die militärischen Leistungen festgelegt. Aufgeführt in der Urkunde waren die Knochenhauer, die Krämer, die Goldschmiede und Kannengießer, die Bäcker, die Schmiede, die Schneider, die Schuhmacher, die Fischer, die Höker, die Zimmerleute, Maurerleute und Böttcher, die Pelzer, die Riemenschneider, die Leinenweber aufgeführt. Jede Zunft mußte eine bestimmte Anzahl von Panzern, Schilden, Armbrüsten und eisernen Hüten zur Verfügung der Stadt halten.[4]

Mit den kriegerischen Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert, mit der Industrialisierung und mit dem Bau größeren Werften, die anfangs für die dänische Marine arbeiteten, wandelte sich die Bedeutung Kiels als Marinestation und Reichskriegshafen und die Unternehmen stiegen in der Rüstungsproduktion ein.

Ehemalige und heutige Rüstungsbetriebe (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auswahl von Rüstungsbetriebe mit Sitz in Kiel (sortiert nach Gründungsjahr)

  • Schweffel & Howaldt (1838-1889): 1825 pachtete Johann Schweffel einen Schiffbauplatz auf der Rosenwiese südlich der Altstadt an der heutigen Kaistraße, um eine Maschinenfabrik und Eisengießerei zu errichten, die 1838 mit August Howaldt unter dem Namen Schweffel & Howaldt firmierte, später die Maschinenfabrik Gebrüder Howaldt.
    "1848, während der schleswig-holsteinischen Erhebung, stellte die Firma Gewehre her, mit denen die Kieler Studenten in den Kampf zogen. Das Unternehmen erwarb sich mit seinen Produkten einen guten Ruf, so dass es der Berlin-Hamburger-Eisenbahngesellschaft 12 Güterwagen, an die dänische Eisenbahnlinie Kopenhagen-Roskilde 16 Wagenkästen und an die dänische Marine Kessel lieferte. 1848 baute die Firma das erste Schraubenkanonenboot der Welt, die „Von der Tann“. 1850 entstand hier das erste deutsche Unterseeboot, der „Brandtaucher“, nach den Entwürfen des Erfinders Wilhelm Bauer."[5][Anm. 1]
  • Schleswig-Holsteinischen Marinewerft Ellerbek (1865) und Kieler Werft (1876-1889): 1865 errichtete Georg Howaldt auf einem gemieteten Grundstück im Fischerdorf Ellerbek die Schleswig-Holsteinischen Marinewerft Ellerbek. Das Gelände beanspruchte die Königliche Werft, so dass Howaldt auf die Dietrichsdorfer Feldmark an der Schwentinemündung auswich und dort 1876 die Kieler Werft gründete[6]
  • Norddeutsche Werft (1867 bis 1880): Norddeutsche Schiffbaugesellschaft war Nachfolger der Bruhnsche Werft, als ihr die Stadt Kiel am 8. März 1865 unentgeltlich das Gelände am Gaardener Strand überließ. Im Jahr 1867 ging die Norddeutsche Schiffbau-Actiengesellschaft aus ihr hervor, die unter dem Namen Norddeutsche Werft bekannt war.
  • Kaiserliche Werft Kiel (1867 bis 1920): Königliche Werft Kiel auf dem ehemaligen Gelände der Werft von Georg Howaldt in Ellerbek, nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 umbenannt in Kaiserliche Werft Kiel und bis in Gaarden-Ost erweitert.[Anm. 2]
  • Germaniawerft (1880 bis 1945): ab 1902 die Friedrich Krupp Germaniawerft war Nachfolger der Norddeutsche Werft auf dem Gelände in Gaarden-Ost
  • Torpedowerk Friedrichsort (1887-1945): entstanden als Torpedoinspektion der Marine mit eigenständiger Entwicklung und Fertigung von Torpedos. Das Gelände und das (heute denkmalgeschützte) Verwaltunhsgebäude übernahm MaK (s..u.).
  • Howaldtwerke (ab 1889): am 22. Juni 1889 wurden die Maschinenfabrik Gebrüder Howaldt und die Kieler Schiffswerft von Georg Howaldt, in die Aktiengesellschaft Howaldtswerke vereinigt. Ende 1968 fusionierten Howaldtswerke Hamburg und Deutsche Werft mit den Kieler Howaldtswerke zu Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW).
    Das heutige ThyssenKrupp Marine Systems GmbH-Gelände in Kiel-Gaarden am Ostufer der Kieler Förde erstreckt sich über das Gelände der ehemaligen Kieler Großwerften Kaiserliche Werft/DWK/Howaldtswerke und Germaniawerft.[7][Anm. 2]
  • Bohn & Kähler (1897 bis ca. 1960): 1870 gegründete Friedrich Petersen die Gelbgießerei Friedrich Petersen in Kiel, die Friedrich Bohn (1860-1939) im Jahr 1897 zusammen mit dem Kieler Kaufmann August Kähler übernahm, die sich fortan Gießerei, Maschinen- und Metallwarenfabrik Bohn & Kähler nannte.
    1902 trat der Ingenieur Franz Büdigens an die Stelle von August Kähler. Er war Spezialist für Marine-Torpedos, und so begann das Werk zunehmend die Kaiserliche Marine mit Torpedos zu beliefern. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges hatte das Unternehmen dem Hauptumsatz mit der Kaiserlichen Marine und dem kaiserlichen Heer gemacht und bis um 1925 rund 100 Patente über Torpedos und Seeminen angemeldet. Seit 1939 stellte Bohn & Kähler wieder Teile für Torpedos, Minen und Munition her.[8]
  • Hagenuk (1899): Hans Neufeldt (* 1875, † 1963) und Carl Kuhnke (* 1870, † 1938] gründete 1899 die Firma Neufeldt & Kuhnke, 1936 erfolgte die Umbenennung in Hanseatische Apparatebau-Gesellschaft ehemals Neufeldt & Kuhnke GmbH (Hagenuk). Sie erhielt 1906 von der deutschen Marine den Auftrag, erhielt, Schallsender zu entwickeln, mit denen Morsezeichen ins Wasser gestrahlt werden können. 1911 wird die Signal Gesellschaft mbH durch Neufeldt und Kuhnke gegründet zur Entwicklung von Wasserschallanlagen. Sie baute neben konventionellen Helmtauchgeräten die ersten Panzertauchanzüge (1917). 1939 errichtete Hagenuk in Barth das Tochterunternehmen Pommersche Industriewerke Barth zur Herstellung von Nebelkampfstoffen und Brandbomben.[9]
  • Anschütz und Co. (1905): gegründet von Hermann Anschütz-Kaempfe am 23. September 1905, nachdem er den Kreiselkompass erfunden hatte. Das Unternehmen hatte die Massenproduktion von Kreiselkompassen für Schiffe aufgenommen. Das heutige Unternehmen Raytheon Anschütz am Standort in Kiel entwickelt, produziert und testet Instrumente für die Navigation sowie Überwachungs- und Kontrollsysteme für Handelsschiffe, Kriegsschiffe und Megayachten.[10]
  • Gebrüder Friedrich Werft (1921): gegründet von den Brüdern Johann und Wilhelm Friedrich in Friedrichsort. Zu den Kunden gehören neben Fischer und Privatleute auch die Reichsmarine[11]
  • Yacht- und Bootswerft Rathje (1922): gegründet am 22. September 1922 von Paul Rathje in Pries. In den 30er Jahren wurden im Auftrag der damaligen Reichsmarine mehrere 50er-Seefahrtskreuzer gebaut und während des Zweiten Weltkriegs wurden ausschließlich Kutter und Pinassen im Auftrag der Marine gebaut. [12]
  • Deutsche Werke Kiel (DWK, 1925 bis 1945) ging zurück auf die Königliche Werft.[13]
  • Electroacustic GmbH (1926): Gegründet von dem ehemaligen Mitarbeiter der Hagenuk-Tochterfirma Signal Gesellschaft mbH Heinrich Hecht hatte das Unternehmen sich vornehmlich auf Unterwasserschalltechnik, feinmechanisches Kriegsgerät sowie Zündelektronik für Minen spezialisiert. Der Nautikbereich übernahm in den 70er Jahren das amerikanische Unternehmen Honeywell.[14]
  • Maschinenbau Kiel AG (MaK, 1948): Nachfolger des Bereiches Maschinen- und Lokomotivbaus der Deutsche Werke Kiel (DWK), Hersteller von Dieselmotoren, Lokomotiven und Baumaschinen auch in dem Bereich der Rüstungsindustrie.
    1983 entstand MaK DATA SYSTEM Kiel GmBH, 1997 Übernahme der Schiffsmotoren-Sparte durch die Caterpillar Inc. (heute Caterpillar Motoren GmbH & Co. KG) und die Kieler MaK-Gießerei wurde nach Besitzwechsel und Namensumbenennung im Jahr 2013 in wesentlichen Teilen in die Caterpillar Castings Kiel GmbH (CCK) überführt.[16]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Im Schleswig-Holsteinischen Krieg unterstützte der spätere Konzerngründer Werner von Siemens als preußischer Artillerieleutnant 1848 die Kieler Bürgerwehr bei der Verteidigung des Kieler Hafens gegen dänische Seestreitkräfte. Er hatte zum Schutz des Hafens neuartige Minen erdacht, die sich auf der Höhe der Festung Friedrichsort durch die Besetzung mittels Kabel elektrisch zünden ließen. (Die Schleswig-Holsteinische Flottille auf der Website der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, abgerufen am 25. Januar 2019. Wikipedia: „Werner von Siemens“)
  2. 2,0 2,1 2,2 Die deutsche German Naval Yards Holdings GmbH (GNYH) vereint die Werften German Naval Yards Kiel (vormals HDW), Lindenau (Kiel) und die Nobiskrug im Rendsburg. (Wikipedia: „German Naval Yards Holdings“)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wikipedia: „Rüstungsindustrie“
  2. Wikipedia: „Geschichte der Waffen“
  3. 3,0 3,1 Die Lübecker Briefe des Kieler Stadtarchivs 1422 – 1534 bearbeitet und mit einen Vorwort begleitet von Dr. phil. August Wetzel, Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, S. 20 f.
  4. 4,0 4,1 Theodor Klüver, Beiträge zur Geschichte des Gemeindeorganismus bis zum Jahre 1600, S. 26 f. in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Heft 18, Kiel 1912
  5. Kieler Erinnerungstag: 1. Oktober 1838 Gründung der Maschinenfabrik und Eisengießerei Schweffel & Howaldt. Siehe auch Stadtpräsidentinnen und Stadtpräsidenten: Johann Schweffel 1796-1865auf kiel.de, abgerufen am 06. Januar 2019
  6. Kieler Erinnerungstag: 23. Mai 1867 Errichtung einer Marinewerft in Ellerbek auf kiel.de, abgerufen am 06. Januar 2019
  7. Wikipedia: „Howaldtswerke-Deutsche Werft“; Wikipedia: „Kaiserliche Werft Kiel“ Wikipedia: „Germaniawerft“
  8. Bohn & Kähler Motoren und Maschinenfabrik AG Kiel auf der Website www.motorenbau.eu; Bohn & Kähler Motoren und Maschinenfabrik AG auf der Website Dampfmaschinen und Lokomotiven, abgerufen am 24. Januar 2019
  9. Wikipedia: „Hagenuk“
  10. Wikipedia: „Hermann Anschütz-Kaempfe“; Wikipedia: „Raytheon Anschütz“
  11. Geschichte auf der Website der Gebr. Friedrich-Werft, abgerufen am 06. Januar 2019. Wikipedia: „Gebr. Friedrich-Werft“
  12. Historie auf der Website von Yacht- und Bootswerft Rathje, abgerufen am 06. Januar 2019
  13. Wikipedia: „Deutsche Werke Kiel (DWK)“
  14. Wikipedia: „ELAC“
  15. Wikipedia: „Lindenau Werft“
  16. Wikipedia: „Maschinenbau Kiel (MaK“]