PAECH-Brotfabrik

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Paech-Brotfabrik
auch "Kieler Brotfabrik Wilh. Nehlsen & Sohn, Kieler Brot- und Gebäckfabrik Wilhelm Nehlsen"

Hist. Namen
Bäckerei Flügge, Brotfabrik Flügge
Aktiv
Nein
Rechtsform
KG
Gegründet
1833 / 1906
Beendet
1986
Adresse
Adalbertstraße 7 - 9
24108 Kiel
Stadtteil
Wik
Geschäftsführung
Ernst Flügge, Ernst Lorenz Flügge, Wilhelm Nehlsen, Lina Pohl
Branche
Bäckerei
Paech-Brotfabrik

Das Gebäude der ehemaligen Kieler PAECH-Brotfabrik in der Adalbertstraße 7-9 wurde 1906 gebaut.
Die Wiker Brotfabrik ist als industrielles Kulturdenkmal eingetragen in die Liste der Kulturdenkmale in Kiel.[1]
Mittlerweile wurde das Gebäude umfassend saniert und dient nun als Wohngebäude.

Geschichte

Der Brotfabrik entstand aus der Bäckerei Flügge:
Ernst Flügge (* 1807, † 1882) gründete nach seinen Umzug nach Kiel 1833 seinen ersten Betrieb in der Schevenbrücke.
Sein Sohn Ernst Lorenz Flügge (* 1839, vermutlich in Kiel) übernahm die Bäckerei und verlegte diese 1872 in die Waisenhofstraße 14.
1865 heiratete Wilhelm Nehlsen die Tochter von Ernst Lorenz Flügge, trat 1889 in den Betrieb der Bäckerei Flügge ein und übernahm sie.

Mit dem „Kommißbrot“ (heute Kommissbrot)[2] für die Marine begann der wirtschaftliche Aufschwung der kleinen Bäckerei zu einer Großbäckerei. Durch die Marine und die Werftbetriebe nahm die Einwohnerzahl zu (1875: 37 245, 1900: 107 977, 1910: 211 627) und der Bäckereibetrieb in der Waisenhofstraße genügte der steigenden Nachfrage nicht mehr.

Wilhelm Nehlsen kaufte 1905 das Gelände zwischen Knorrstraße und Wiker Straße, strategisch nah am Rande des Lazaretts und der Kaserne der Kaiserlichen Marine, und beauftragte den Hamburger Architekten Friedrich Theodor Speckbötel (1861-1936) mit dem Bau. Die Brotfabrik diente anfangs hauptsächlich zur Versorgung der Marine mit Brot und Zwieback. Ihr Mehl bezog sie aus der Holsatiamühle an der Schwentine in Neumühlen.

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges verlor die Brotfabrik die Marine als ihren Hauptabnehmer. Trotz der schon im Ersten Weltkrieg beginnenden Inflation gelang es der Bäckerei, ihre Existenz durch die wieder wachsende Rüstungsindustrie, allen voran die Werften, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu sichern.

In den 1950er und 1960er Jahren konnte die Geschäftsführerin Lina Pohl das in Kiel bekannte „Flügge-Brot“ (Foto) zu einem Markenartikel machen und damit der Brotfabrik zu einem neuen Wirtschaftsaufschwung verhelfen.

1968 wandelte man das Familienunternehmen in eine Kommanditgesellschaft um. Kurze Zeit später wurde diese vom Berliner Unternehmen „Paech-Brot“[3] übernommen und produzierte als Filiale in der Wik bis zu ihrer Schließung im Jahr 1985 Backwaren, bis in die 1970er Jahre auch das „Flügge-Brot“.
1986 verkaufte der Gründer Eberhard Paech (* 1910, † 2000) sein Berliner Unternehmen an die Großbäckerei Wendeln.

Schornstein

Gebäude

In seiner Gestaltung der Fabrikbauten orientierte sich der Architekt Speckbötel an den gegenüberliegenden Bauten des Garnisonslazaretts, die seit 1903 im Stil des Historismus dort entstanden. Ende der 1920er Jahre folgte eine zweite größere Bauphase mit Neu- und Umbauten, die teilweise noch auf die Entwürfe von Theodor Speckbötel zurückgingen.

Zum Fabrikkomplex gehörten u. a. die Villa von Wilhelm Nehlsen, das Lagerhaus, südlich davon die Bäckereihalle, flankiert von den zwei Schornsteinen, und die eigentliche Bäckerei mit Öfen beiderseits eines Ganges. Östlich und westlich schlossen sich die Heiz- und Kohlenräume an die Schornsteine an.
Im Lagerhaus waren die Arbeits-, Material- und Personalräume untergebracht sowie in den Obergeschossen die Speicherböden für das Mehl, welches über einen heute noch sichtbaren Kranerker und Ladeluken dorthin transportiert wurde. An der Westfassade lag ein Trafogebäude. Östlich des Speicherhauses lag ein Auslieferungsgebäude.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Anbauten aus den 1920er Jahren und die Villa zerstört. Nach der Stilllegung 1985 wurden auch die meisten der An- und Nebenbauten und einer der Schornsteine abgerissen. Ende der 1990er Jahre wurde das Trafogebäude im Rahmen der Sanierung abgetragen. Schließlich wurde 2019(?) auch der zweite Schornstein wegen Baufälligkeit entfernt.

Von den Betriebsanlagen der Brotfabrik sind nur das Lagerhaus und der östliche Anbau erhalten.

Umnutzung der Brotfabrik

Schon 1984 schrieb der Historiker Dr. Urs Justus Diederichs an das Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein:

"(…) Auch im Stadtgebiet von Kiel scheinen die wenigen erhaltenen Gebäude dieser Art (sieht man von Speicherbauten einmal ab) nun unterzugehen, obwohl sie einst das Gesicht der Stadt prägten. Die Eiche-Brauerei ist bereits verschwunden. Die unter Denkmalschutz stehende Margarinefabrik Seibel soll nach dem Willen des Besitzers so schnell wie möglich abgerissen werden. Ein weiterer typischer Bau, die Kieler Brotfabrik W. Nehlsen beziehungsweise Flügge, noch zur Paechbrotgruppe gehörend, wird demnächst den Besitzer wechseln und soll im nächsten Jahr vom Erdboden verschwinden. Angesichts dieser Sachlage möchte ich Sie bitten, zu prüfen, ob das Gebäude der Brotfabrik nicht unter Denkmalschutz gestellt werden kann (…)."[4]

1985 wurden die Fabrikgebäude zunächst als „einfaches Kulturdenkmal“ klassifiziert. In dieser Zeit war das Interesse an industriellen Kulturdenkmalen offenbar noch gering.

Es gab viele Vorschläge und Projekte für die Umnutzung[5], u. a. als Wohngebäude, als soziale Einrichtung oder als Kulturzentrum - das Konzept von Friedemann Prose, die Wik zum Mittelpunkt der "Ars Baltica" zu machen, bezog die Brotfabrik ausdrücklich ein.[6] Teils wegen der wirtschaftliche Interessen der Eigentümer und Investoren, teils wegen Auflagen des Denkmalschutzes wurden diese nicht realisiert.

Südfassade mit Balkons (2015)

Erst 1990 erfolgte die Eintragung der ehemalige Brotfabrik Paech als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. In den zwölf Jahren Leerstand verschlechterte sich die Bausubstanz weiter, bis 1997 ein neuer Investor Instandsetzungsarbeiten in die Wege leitete. Die Brotfabrik wurde nach Plänen des Architekturbüros Bock & Bock (Rendsburg) zu einem Wohnkomplex umgebaut, wobei zumindest das äußere Erscheinungsbild weitgehend (besonders die Nordfassade) erhalten wurde.[7]

In ihrer Dissertation schreibt die Kunsthistorikerin Cathrin Prietzel:

"Die Brotfabrik in Kiel ist ein industrielles Denkmal mit hohem Identifikationswert für die Kieler Bevölkerung (vielen Kielern ist das „Flügge-Brot“ noch ein Begriff).526 Die Fabrikanlage des beginnenden 20. Jahrhunderts repräsentiert als eines der letzten Beispiele ihrer Art den industriellen Werdegang Kiels von einer kleinen Handelsstadt zum Reichskriegshafen in eindrucksvoller Weise. Die von Kriegszerstörungen und späterem Abbruchwahn stark heimgesuchte Stadt weist nur noch sehr wenig ihrer damaligen Industrie-Architektur auf und umso wichtiger ist es daher, die letzten Zeugen dieser für Kiel so wichtigen Epoche zu bewahren und einen weiteren Denkmalverlust industriellen Erbes zu vermeiden. Die ehemalige Brotfabrik ist ein bedeutendes Zeugnis der Kieler Industriegeschichte und somit eine Anlage von besonderem architekturhistorischen und wirtschaftgeschichtlichen Wert.[..]"

"„Die Spatzen pfeifen es vom Dach: Flügge-Brot macht keiner nach!“ Kieler Brotfabrik Wilh. Nehlsen und Sohn; „Kenner verlangen Flügge-Brot. Flügge-Brot ist gut und billig“, Kieler Brotfabrik Wilhelm Nehlsen & Sohn (Ernst Lor. Flügge Nachf.) (Informationsschrift 1997)" (Prietzel 2009, S.222[8])

Weitere Beispiele der Umnutzung von Kulturdenkmalen (Auswahl)

Weblinks

Karte „PAECH-Brotfabrik“ auf dem Online-Stadtplan der Stadt Kiel, aufrufbar auf kiel.de

 Commons: Paech-Brotfabrik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Liste der Kulturdenkmale in Kiel (nach Stadtteilen gegliedert) in der deutschsprachigen Wikipedia
  2. Wikipedia: „Kommissbrot“
  3. Wikipedia: „Paech-Brot“
  4. Vermerkt in den Denkmalschutz-Akten „Kiel Adalbertstraße 7“, Dezember 1984, im Landesamt für Denkmalpflege, zitiert nach Prietzel, Cathrin: Cathrin Prietzel, Nutzungsdruck – Konversionsmaßnahmen Bewahren. Erneuern. Gestalten. Die Umnutzung von industriellen Kulturdenkmalen in Schleswig Holstein, Dissertation Kiel 2009, S. 221
  5. Wikipedia: „Nutzungsänderung“
  6. Friedemann Prose: Ars Baltica. Kulturelle Begegnung am Ort der Revolution 1918. Konzept 1988
  7. Cathrin Prietzel, Nutzungsdruck – Konversionsmaßnahmen Bewahren. Erneuern. Gestalten. Die Umnutzung von industriellen Kulturdenkmalen in Schleswig Holstein Dissertation Kiel 2009, 202 ff.. Siehe auch Gert Kaster, Tradition und Aufbruch im Schwentinetal (Sonderveröffentlichung 38 der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Husum 2001), S. 81 ff.
  8. Cathrin Prietzel, Nutzungsdruck – Konversionsmaßnahmen Bewahren. Erneuern. Gestalten. Die Umnutzung von industriellen Kulturdenkmalen in Schleswig Holstein, Dissertation Kiel 2009