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== Rückkehr nach Schleswig ==
== Rückkehr nach Schleswig ==
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Gründung des Bundeslandes Schleswig-Holstein mit Kiel als Landeshauptstadt dazu, dass das Nydamboot nicht nach Kiel zurückkehrte. Die damit zusammenhängende Auflösung des Regierungsbezirks Schleswig beraubte die Schleistadt ihrer Verwaltungsfunktion. Zum Ausgleich der damit verbundenen Nachteile erhielt Schleswig drei Landeseinrichtungen: Das Oberlandesgericht (vorher in Kiel im heutigen Justizministerium), das Landesarchiv (1922/23 als Provinzialarchiv von Schleswig nach Kiel verlegt und dort in der [[Karlstraße]] 27 beheimatet gewesen) und das neu zu gründende Landesmuseum, welches im Schloss Gottorf u. a. die Bestände des ''Schleswig-Holsteinischen Museums vorgeschichtlicher Altertümer'' und des [[Taulow-Museum]]s übernahm.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Gründung des Bundeslandes Schleswig-Holstein mit Kiel als Landeshauptstadt dazu, dass das Nydamboot nicht nach Kiel zurückkehrte. Die damit zusammenhängende Auflösung des Regierungsbezirks Schleswig beraubte die Schleistadt ihrer Verwaltungsfunktion. Zum Ausgleich der damit verbundenen Nachteile erhielt Schleswig drei Landeseinrichtungen: Das Oberlandesgericht (vorher in Kiel im heutigen Justizministerium), das Landesarchiv (1922/23 als Provinzialarchiv von Schleswig nach Kiel verlegt und dort in der [[Karlstraße]] 27 beheimatet gewesen) und das neu zu gründende Landesmuseum, welches im Schloss Gottorf u. a. die Bestände des ''Schleswig-Holsteinischen Museums vorgeschichtlicher Altertümer'' und des [[Thaulow-Museum]]s übernahm.


Das Nydamboot kam nach fünf Jahren im Ziegelsee auf dem gleichen Weg, auf dem es ausgelagert worden war, nach [[Holtenau]] und wurde von dort weiter über die Ostsee und die Schlei geschleppt. Es erreichte Schleswig am [[18. Oktober]] [[1946]] und überwinterte zunächst auf der Schute im Hafen, bevor es exakt zwei Jahre nach dem Ende des Krieges, am [[8. Mai]] [[1947]], wieder mit einem Tiefladertransport, durch die Schleswiger Innenstadt zum Schloss Gottorf gebracht wurde. Dort fand es seinen Platz in der ehemaligen Exerzierhalle, die seitdem ''Nydam-Halle'' heißt.
Das Nydamboot kam nach fünf Jahren im Ziegelsee auf dem gleichen Weg, auf dem es ausgelagert worden war, nach [[Holtenau]] und wurde von dort weiter über die Ostsee und die Schlei geschleppt. Es erreichte Schleswig am [[18. Oktober]] [[1946]] und überwinterte zunächst auf der Schute im Hafen, bevor es exakt zwei Jahre nach dem Ende des Krieges, am [[8. Mai]] [[1947]], wieder mit einem Tiefladertransport, durch die Schleswiger Innenstadt zum Schloss Gottorf gebracht wurde. Dort fand es seinen Platz in der ehemaligen Exerzierhalle, die seitdem ''Nydam-Halle'' heißt.

Version vom 23. Januar 2023, 22:42 Uhr

Das Nydamboot ist ein eisenzeitliches Kriegsschiff, das 1863 in einem Moor in Dänemark entdeckt und archäologisch gesichert wurde. Von 1877 bis 1941 befand es sich in Kiel und wurde im Museum für Vaterländische Alterthümer ausgestellt. Heute ist es im Museum für Archäologie im Schloss Gottorf in Schleswig zu finden.

Das Schiff

Das 23 m lange und über 3 m breite Nydamboot wurde um das Jahr 320 unserer Zeitrechnung aus Eichenholz gebaut und zwischen 340 und 360 an der Fundstelle offenbar als Opfergabe versenkt.

Der Rumpf ist in Klinkerbauweise, also mit überlappenden Planken gefertigt. Das Nydamboot stellt damit ein Bindeglied zwischen der "genähten" Bauweise mit auf Stoß gesetzten Planken und den späteren, stets geklinkerten Wikingerschiffen dar.

Das Schiff wurde ausschließlich gerudert und hatte eine Besatzung von 45 Mann, davon 36 Ruderer. Es konnte eine Geschwindigkeit von 9 kn (ca. 18 km/h) erreichen und war mit seiner guten Wendigkeit für Kriegszüge auf der Ost- und Nordsee geeignet.[1] In Bauart und Ausstattung zeigt das Schiff Einflüsse römischer Schiffe jener Zeit.

Der Rumpf bestand beidseitig aus fünf breiten, geklinkerten Eichenplanken, die mit Eisennieten verbunden und mit Wolle und Teer kalfatert, d. h. in den Fugen mit der Dichtmasse ausgestopft, waren. Die Ruder bestanden aus Eschenholz; als Dollen dienten kopfüber an der Reling befestigte Astgabeln.

Fundumstände und Ausgrabung

Nydamboot, Zeichnung von Conrad Engelhardt

Das Nydamboot wurde am 17. (andere Quelle: 18.) September 1863 von dem dänischen Historiker und Archäologen Conrad Engelhardt (1825-1881) im Nydam-Moor, etwa 8 km nordwestlich von Sønderborg (dt.: Sonderburg) entdeckt, nachdem er dort bereits seit 1859 Grabungen durchgeführt hatte. Das Nydam-Moor (dän.: Nydam Mose) ist eine verlandete Bucht des Alsensundes zwischen der Insel Alsen und der Halbinsel Sundeved auf dem Festland. Der Fundplatz liegt in Sundeved.

Engelhardt war seit 1851 sowohl Lehrer am Alten Gymnasium in Flensburg als auch Leiter der Flensburgsammlung, der Königlichen Sammlung skandinavischer Altertümer in Flensburg.[2]-

Bei den Ausgrabungen kamen auch zwei weitere Boote, darunter ein gut erhaltenes Boot aus Kiefernholz, und eine Vielzahl von Kriegsgerät, Gebrauchsgegenständen und Schmuck ans Tageslicht.

Zwei Monate nach dem Fund des Nydambootes spitzten sich die politischen Auseinandersetzungen um die Stellung der Herzogtümer Schleswig und Holstein im Dänischen Gesamtstaat zu. Das führte wiederum ein Vierteljahr später zum Deutsch-Dänischen Krieg, dessen Entscheidungsschlacht bei Düppel im April 1864 nur 7 km entfernt vom Fundort des Bootes stattfand.

Engelhardt war es aber noch 1863 gelungen, die Fundstücke nach Flensburg zu bringen, das Schiff zu rekonstruieren und dort in der Flensburgsammlung zu zeigen, aus räumlichen Gründen auf dem Dachboden des Museumsgebäudes im Holm 9. Durch die Kriegsereignisse ging allerdings das erwähnte Kiefernholzboot verloren.

Situation des Schiffes durch den Deutsch-Dänischen Krieg

Aufgrund des Krieges lagerte Engelhardt den Bestand der Flensburgsammlung vorsorglich nach Nordborg auf der Insel Alsen aus, wo er sich in der Obhut des Nordborger Pfarrers Erik Höyer Møller (1818-1904) befand. Dieser sorgte auch dafür, dass er über den Großen Belt in ein Lagerhaus in Korsör gebracht wurde, als die Invasion der Insel Alsen durch die preußischen und österreichischen Truppen drohte.[3] Nach anderen Quellen[4][5] konnte das Nydamboot nicht ausgelagert werden und blieb in Flensburg.

Rückführung der Sammlung

Engelhardts Bestrebungen, die Bestände der Sammlung nach dem für Dänemark verlorenen Krieg vor den preußischen Behörden zu verbergen, scheiterten letztendlich, weil der Friedensvertrag von Wien am 30. Oktober 1864 im Artikel XIV ausdrücklich bestimmte: "Die Antikensammlung zu Flensburg, die mit der Geschichte Schleswigs in Zusammenhang stand, allein während der letzten Ereignisse großentheils zerstreut wurde, soll daselbst mit Beihülfe der dänischen Regierung aufs neue zusammengestellt werden."[6] 1867 mussten die Bestände in das mittlerweile preußische Flensburg überführt werden.

1874 wurde die Flensburgsammlung aufgelöst und ihre Bestände in das Museum für Vaterländische Alterthümer in Kiel eingegliedert. Das Nydamboot befand sich allerdings nach wie vor in Flensburg. Erst, nachdem das Museum 1877 von seinem Ursprungsstandort im Hinterhof der Flämischen Straße 21 in das ehemalige Kollegiengebäude der Universität in der Kattenstraße 1-3 umgezogen war, gab es dort den Raum, die Bestände zu zeigen.

Umzug des Bootes nach Kiel

Ebenfalls 1877 kam daher auch das Nydamboot nach Kiel und wurde ebenso wie vorher schon in Flensburg auf dem Dachboden des Museums aufgestellt. Die räumlichen Verhältnisse waren dort aber sehr beengt und es konnte daher nur einem kleinen Personenkreis zugänglich gemacht werden.

Das änderte sich erst 1924, als das Museum auf der rechten Seite einen Anbau bekam, in welchem das Nydamboot eine eigene Ausstellungshalle bekam.[7]. Dort war das Nydamboot dann 17 Jahre lang auch für die Öffentlichkeit zugänglich, nachdem es vorher 47 Jahre auf dem Dachboden verbracht hatte.

Auslagerung im Zweiten Weltkrieg

Als im Zweiten Weltkrieg die Luftangriffe auf Kiel zunahmen, wurden die Bestände des Museum, das mittlerweile Schleswig-Holsteinisches Museum vorgeschichtlicher Altertümer hieß, einschließlich des Nydambootes vorsorglich in Sicherheit gebracht. Um das Boot aus dem Gebäude bringen zu können musste die Fassade zur Kattenstraße zur Hälfte geöffnet werden. Das Boot war in einem Fachwerk-Kastenträger für den Transport vorbereitet worden und wurde am 25. September 1941 auf einem Tieflader durch die Burg- und die Dänische Straße zum Hafen gebracht.

Am Sartorikai wurde es auf auf eine Schute verladen und auf dem Wasserweg über den Nord-Ostsee-Kanal, die Elbe und den Elbe-Lübeck-Kanal bis nach Mölln gebracht. Mit nur notdürftigem Wetterschutz überdauerte es am Nordufer des Ziegelsees in der ehemaligen Badebucht der Möllner Jugendherberge den Krieg; ein gelernter Zimmermann, der den Transport begleitet hatte, blieb fünf Jahre lang als Wachtmann vor Ort. Das Museumsgebäude in Kiel wurde am 18. Mai 1944 vollständig zerstört.[8]

Rückkehr nach Schleswig

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Gründung des Bundeslandes Schleswig-Holstein mit Kiel als Landeshauptstadt dazu, dass das Nydamboot nicht nach Kiel zurückkehrte. Die damit zusammenhängende Auflösung des Regierungsbezirks Schleswig beraubte die Schleistadt ihrer Verwaltungsfunktion. Zum Ausgleich der damit verbundenen Nachteile erhielt Schleswig drei Landeseinrichtungen: Das Oberlandesgericht (vorher in Kiel im heutigen Justizministerium), das Landesarchiv (1922/23 als Provinzialarchiv von Schleswig nach Kiel verlegt und dort in der Karlstraße 27 beheimatet gewesen) und das neu zu gründende Landesmuseum, welches im Schloss Gottorf u. a. die Bestände des Schleswig-Holsteinischen Museums vorgeschichtlicher Altertümer und des Thaulow-Museums übernahm.

Das Nydamboot kam nach fünf Jahren im Ziegelsee auf dem gleichen Weg, auf dem es ausgelagert worden war, nach Holtenau und wurde von dort weiter über die Ostsee und die Schlei geschleppt. Es erreichte Schleswig am 18. Oktober 1946 und überwinterte zunächst auf der Schute im Hafen, bevor es exakt zwei Jahre nach dem Ende des Krieges, am 8. Mai 1947, wieder mit einem Tiefladertransport, durch die Schleswiger Innenstadt zum Schloss Gottorf gebracht wurde. Dort fand es seinen Platz in der ehemaligen Exerzierhalle, die seitdem Nydam-Halle heißt.

Dänische Rückgabeansprüche nach den Weltkriegen

Im Friedensvertrag von 1864 war bestimmt worden, dass die Bestände der Flensburgsammlung einschließlich des Nydambootes in Flensburg rekonstituiert werden bzw. dort verbleiben sollten. Damit ging das Eigentum am Nydamboot an die Sieger des Krieges über, zunächst an das Herzogtum Schleswig und nach der preußischen Annexion Schleswig-Holsteins 1867 an Preußen.

Nach beiden Weltkriegen wurden in Dänemark Stimmen laut, dass Deutschland als unterlegene Kriegspartei das Boot an Dänemark zurückgeben solle. Dies kam in beiden Fällen nicht zustande. Nach dem Ersten Weltkrieg, weil Deutschland im Gegenzug die Rückgabe von Museumsbeständen forderte, die aus den Herzogtümern stammten und seit 1864 in dänischen Museen lagerten. Nach dem zweiten Weltkrieg widersprach die britische Besatzungsmacht diesem Ansinnen, weil es sich beim Nydamboot um ein Objekt handelte, dass bereits vor dem letzten Krieg in Deutschland befunden habe.[8]

Mit den Bonn-Kopenhagener-Erklärungen schlossen die Bundesrepublik Deutschland und Dänemark im März 1955 ein Abkommen über die Rechte der jeweiligen Minderheiten im Nachbarland. Diese Vereinbarung gilt als Musterbeispiel für die Minderheitenpolitik und führte über die Jahrzehnte zu einem gutnachbarschaftlichen Verhältnis beider Länder. Dadurch wurde es auch möglich, dass das Nydamboot von 2003 bis 2004 für ein knappes Jahr an das Dänische Nationalmuseum nach Kopenhagen ausgeliehen wurde, ohne dass es von dänischer Seite nationalistische Forderungen nach einer Rückgabe gab. Als Gegen-Leihgabe wurde währenddessen in der Nydam-Halle in Schleswig das 1921/22 auf der Insel Alsen ebenfalls in einem Moor geborgene Hjortspring-Boot gezeigt.

Nachgrabungen im Nydam-Moor

Zwischen 1989 und 1999 wurden an der Fundstelle des Bootes weitere Grabungen durchgeführt. Sie lieferten eine Vielzahl von weiteren Schmuck- und Waffenfunden, aber auch zwei 1,3 m lange Holzpfähle mit geschnitzten, ca. 40 cm großen Männerköpfen. Dank der guten Fundlagedokumentation, die Engelhardt 1863 vorgenommen hatte, ließ sich feststellen, dass die neuen Funde in der Nähe des Stevens am Nydamboot angebracht waren. Ihre Funktion ist ungeklärt. Sowohl das Originalboot in Schleswig als auch der Nachbau Nydam Tveir (s. u.) sind um diese Köpfe ergänzt worden.

Aufgrund neuerer Erkenntnisse ist heute auch bekannt, dass das Nydamboot schmaler war, als es sich in der Schleswiger Rekonstruktion der Funde von 1863 darstellt. Das liegt vor allem daran, dass die Holzfunde durch die lange Liegezeit im Moor deformiert sind.

Nydam Tveir

Von 2008 bis 2013 schuf der Verein Nydamselskabet im Ort Sottrup Skov, unweit vom Fundplatz des Originals, einen originalgetreuen Nachbau des Nydambootes. Dabei floss auch das aktuelle Wissen über die schlankere Rumpfform ein. Die Nydam Tveir kann in den Sommermonaten häufig im Alsensund bei Ausfahrten der Vereinsmitglieder beobachtet werden. Tveir ist isländisch und altnordisch für zwei.

Im September 2014 ging der Nachbau auf seine erste Auslandsreise. Aus einem Tieflader stattete er Rendsburg einen Besuch ab. Er konnte dort im Kreishafen zunächst zwei Tage lang besichtigt werden und diente dann als Zieleinlaufboot beim EON Hanse Cup.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fahrverhalten und Navigation, Ausstellungstext aus Schloss Gottorf bei Wikimedia Commons, abgerufen am 21. Januar 2023
  2. Wikipedia: Conrad Engelhardt (dänisch), abgerufen am 21. Januar 2023
  3. Nydambåden bei graenseforeningen.dk (dänisch), abgerufen am 21. Januar 2023
  4. Nydamboot, bei geschichte_s_h.de abgerufen am 22. Januar 2023
  5. Nydamboot bei kieler-stadtentwicklung.de, abgerufen am 22. Januar 2023
  6. Originaltext des Wiener Friedens bei archive.org, abgerufen am 22. Januar 2023
  7. Museum vaterländischer Alterthümer bei kieler-stadtentwicklung.de, abgerufen am 22. Januar 2023
  8. 8,0 8,1 Kieler Erinnerungstag: Das Nydamboot verlässt Kiel, bei kiel.de abgerufen am 22. Januar 2023