Kieler Synagogen

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Im Lauf der letzten Jahrhunderte gab es in Kiel an wechselnden Orten eine Reihe von Synagogen und Gebetsräumen der jüdischen Gemeinden.[1] Heute gibt es zwei jüdische Gemeinden in Kiel, die ihre Gottesdienste in der Jahnstraße am Schrevenpark bzw. in der Wikingerstraße in Gaarden feiern.[2]

Vor dem Zweiten Weltkrieg

Es ist nicht bekannt, ob es vor dem Ende des 17. Jahrhunderts bereits Menschen jüdischen Glaubens in Kiel gab, aber es kann auch nicht ausgeschlossen werden. Erste schriftliche Quellen stammen aus der Zeit des dänischen Königs Christian VII., als sich dieser gegen den Willen des Kieler Magistrats durchsetzte und Juden die Ansiedlung in Kiel ermöglichte.

Kehdenstraße

Einen ersten Betsaal gab es allerdings erst rund 100 Jahre später in der Kehdenstraße 12. Das Haus hatte von 1762 bis 1782 als Kaffeehaus der Universität gedient. Von 1796 bis 1868 wurde es von der jüdischen Gemeinde gemietet und als Synagoge genutzt. Das Gebäude wurde 1890 abgebrochen.

Haßstraße

Nach der Kündigung des Mietverhältnisses für die Synagoge in der Kehdenstraße wurden die Gottesdienste vorübergehend in Privaträumen in der Schuhmacherstraße 31 abgehalten. Aber schon Ende Dezember 1869 konnte nach einer halbjährigen Bauzeit die jüdische Gemeinde ihre neugebaute dreistöckige Synagoge in der Haßstraße 5a, ein Werk des Hamburger Baumeisters Sigmund Selig, beziehen. Der Betsaal fasste 85 Männer und besaß eine Frauenempore. Das Gebäude war aber bereits nach wenigen Jahrzehnten stark renovierungsbedürftig und ohnehin für die stark gewachsene Gemeinde zu klein geworden. Schon 1897 war ein erweiternder Umbau erwogen worden, der aber nicht vorgenommen wurde. Überdies wurde das Haus 1908 feuerpolizeilich gesperrt, so dass dort keine Gottesdienste mehr stattfinden konnten.

Das Synagogengebäude wurde zwei Jahre später verkauft und anderweitig genutzt. Im Zweiten Weltkrieg wurde es bis auf den bis 2019 vorhandenen Rest des Erdgeschosses zerstört. Es gab ab etwa 2010 eine Initiative, den Gebäuderest als Denkmal zu erhalten, weil es sich um das älteste Zeugnis eines jüdischen Sakralbaus in Kiel handelte. Im Juli/August 2019 wurde der Gebäuderest abgerissen, um ein Mehrfamilienhaus mit 47 Mietwohnungen zu errichten. Die Steine der Erdgeschossfassade wurden beim Abbruch nummeriert und gesichert. Sie sind seit 2022 mitsamt einer Informationstafel an gleicher Stelle und in der gleichen Anordnung in die Fassade des Neubaus integriert.[3]

Goethestraße

Nach der Sperrung der Synagoge konnten die Gottesdienstfeiern vorübergehend im Haus der Landwirte, im Sophienblatt gegenüber vom Bahnhof stattfinden. Gleichzeitg begann der Bau einer neuen, repräsentativen Synagoge nach dem Entwurf des Kieler Architekten Johann Theede an der Ecke Goethestraße/Humboldtstraße gegenüber dem Schrevenpark. Am 2. Januar 1910 konnte sie eingeweiht werden. Die jüdische Gemeinde war ausgesprochen liberal orientiert, was sich auch in der Gestaltung des Gottesdienstraums und der Durchführung der Gottesdienste äußerte.

Gedenktafel (1968)

Bereits am 3. August 1932 wurde auf die Synagoge ein nie aufgeklärter Sprengstoffanschlag verübt, der zum Glück nur geringen Sachschaden anrichtete. Weitgehend zerstört wurde sie allerdings in der Pogromnacht des 9. November 1938, in der sie von der SA in Brand gesetzt, entweiht und im Inneren zerstört wurde. Anschließend kaufte die Stadt auf scheinlegale Weise im Dezember die Brandruine und begann im April des Folgejahres mit dem Abbruch. Der Pogrom war der Auftakt zur unmittelbaren Judenverfolgung und der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in den Konzentrationslagern. Mit ihm wurde eine fast 300 Jahre alte jüdische Kultur nachhaltig zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Grundstück mit einem Wohnhaus bebaut. Erst 1968 wurde an jenem Haus eine Gedenktafel angebracht. Sie wurde 1989 in ein Mahnmal integriert, das auf dem Vorplatz des Gebäudes errichtet wurde.

Gebetsräume

Ab etwa 1880 und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wanderten in Deutschland viele sogenannte "Ostjuden" zu, die den beengten politischen und sozialen Verhältnissen in den osteuropäischen Ländern entflohen. Dies führte in Deutschland zu innerjüdischen Auseinandersetzungen: Die eingesessenen "Westjuden" lebten häufig in bürgerlichen Verhältnissen und waren stark an die deutsche Gesellschaft angepasst. Das äußerte sich auch in liberalen Formen der Glaubensausübung. Unter den Zuwanderern dominierte dagegen ein orthodoxes Judentum und sie entstammten meist ärmlichen Verhältnissen. Dieser Gegensatz bewirkte, dass sich die Zuwanderer in der liberalen Kieler Synagoge nicht zu Hause fühlten und sich eigene Beträume einrichteten.

Einer dieser Gebetsräume befand sich im ersten Stock des Hauses Feuergang 2. Es stand etwa an der Stelle des heutigen Kassengebäudes der Sparkassen-Arena. Es gehörte dem ostjüdischen Altwarenhändler Alter Weber, der mit seinem "Produktenhandel" zu Wohlstand gelangt war, und einen Teil seines Hauses als Gottesdienstraum zur Verfügung gestellt hatte. Dieser Raum war nach dem Novemberpogrom der einzige verbliebene Gebetsraum für die Kieler Juden. Alter Weber wurde spätestens 1941 gezwungen, sein Haus zu verkaufen. Er wurde Ende 1941 nach Riga deportiert und starb dort Ende April 1942. Das Haus wurde im Bombenkrieg ebenso wie große Teile des sogenannten Gängeviertels zerstört. Ab 1950 wurde dort die Sparkassen-Arena (ursprünglich: Ostseehalle) gebaut.

Der andere Betsaal fand sich im Knooper Weg 30. Über ihn ist wenig bekannt. Möglicherweise ist er aufgegeben worden, nachdem der Gottesdienstsaal in der Synagoge am Schrevenpark 1934/35 den Wünschen der orthodoxen Juden entsprechend umgestaltet wurde.[4]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Altes Volksbad, 2015

Nach dem Ende des Krieges gab es bis um 1990 praktisch kein jüdisches Leben in Kiel. Es existierte keine Gemeinde und jüdische Belange wurden gegebenenfalls in Hamburg verwaltet. Erst mit der Zuwanderung von Menschen jüdischen Glaubens nach der Auflösung des Ostblocks änderte sich diese Situation. 1995 wurde in Kiel das "Jüdische Bildungs-, Kultur und Sozialwerk" gegründet und zwei Jahre später gab es nach über einem halben Jahrhundert zum ersten Mal wieder einen Gottesdienst. Anfang 2004 und im Oktober desselben Jahres wurden in Kiel zwei jüdische Gemeinden gegründet, die allerdings unterschiedlichen Dachverbänden angehören.

Die orthodoxe Jüdische Gemeinde Kiel und Region e. V.[5] hat ihren Sitz und ihr Gemeindezentrum im ehemaligen Volksbad in der Wikingerstraße 6. Das Gebäude ist eingetragen in die Liste der Kulturdenkmale in Kiel-Gaarden-Ost.

Die liberal und konservative Jüdische Gemeinde Kiel e. V.[6] wurde am 18. April 2004 gegründet und fand zunächst im Frühjahr 2005 Räume in der obersten Etage des Logenhauses am Dreiecksplatz 9, dann ab Dezember 2005 in der Eckernförder Straße 20a. Ab August 2008 hatte sie ihre Synagoge in der Jahnstraße 3 am Schrevenpark. Diese Räume gab sie zum 1. Dezember 2019 auf und zog mit dem Gemeindezentrum in das denkmalgeschützte Gebäude in der Waitzstraße 43[7][8] .

Beide Gemeinden sind seit 2005 Mitglieder im Zentralrat der Juden in Deutschland.

Einzelnachweise

  1. Faltblatt "Eine Synagoge für Kiel" (PDF) bei lvjgsh.de, abgerufen am 14. Februar 2017
  2. Detailinformationen zu den Kieler Synagogen bei dokassist.de, abgerufen am 14. Februar 2017
  3. Kieler Nachrichten vom 5. Mai 2022 (Druckausgabe) oder online (Bezahlschranke)
  4. Vermutung zur Aufgabe des Beetsaals im Knooper Weg bei akens.org, abgerufen am 14. Februar 2017
  5. Weitere Daten zur Jüdischen Gemeinde Kiel und Region e. V. bei zentralratjuden.de, abgerufen am 21. Dezember 2018
  6. Weitere Daten zur Jüdischen Gemeinde Kiel e. V. bei zentralratjuden.de, abgerufen am 21. Dezember 2018
  7. Liste der Kulturdenkmale in Kiel (nach Stadtteilen gegliedert) in der deutschsprachigen Wikipedia . Das Gebäude, das jetzt neue Synagoge genutzt wird, wurde 1891 als eigenes Korporationshaus für die Burschenschaft Teutonia zu Kiel gebaut und beherbergte später das Christus Forum Kiel e.V.
  8. Eine Synagoge für Kiel auf der Website Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein, abgerufen am 26. März 2019.