Villenviertel

Aus Kiel-Wiki

Landhäuser und Villen findet man im Kiel in vielen Stadtteilen, aber als Villenviertel war den Kieler das Stadtteil Düsternbrook bekannt.

Entlang der Kastanienallee (heute Teil des Düsternbrooke Weges), des Niemannswegs und umliegende Straßen entstanden ab 1880 großbürgerliche Landhäuser und Villen als repräsentative Einzel- und Mehrfamiilienhäuser mit herrschaftlichen Wohnungen für begüterte Bürger sowie Gaststätten und Hotels der Gründerzeit.
Große Gärten und Vorgärten, Veranden, offene Balkone, Erker und Türmchen in möglichst malerischer Komposition sind charakteristische Eigenheiten der städtischen Villen in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.[1]
Neben Unternehmer als Eigentümer waren es Marineoffiziere und Universitätsprofessoren, da der Campus des Kieler Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Düsternbrook war. Einige der Villen gingen in den Besitz der CAU. Manche der Villen waren nicht nur ein privaten Rückzugsraun vom öffentlichen Lebens, sondern auch ein öffentlichen Raum des kulturellen und politischen Austausches wie z.B. die Villa Martius oder das Haus Forsteck.

Das nobel Villenviertel prägten die Kieler Architekten H. C. Jaacks, Hans Beissel und Hans Schnittger sowie das Architektengemeinschaft Karl Schwerdtfeger und Egon Schmüser (1860-1925)[2] .

Im 2. Weltkrieg wurden viele Villen durch Bomben zerstört oder stark beschädigt, so dass sie mit wiederholten Um-, An- und Ausbauten meist vereinfacht stark verändert worden.
Zwar wurden in den 1950er Jahren wenigen Villen errichtet und einige Villen stehen heute unter Demkmalschutz, aber sie sind heute meistens Mehrfamilienhäuser und Geschäftshäuser..
Da die bauliche Verdichtung kontinuierlich voranschreite und die große Garten in Einzelgrundstücke zergliedet werden, wandelt sich das Stadtteil.[3][4]

Villen in Düsternbrook

Villa Bismarckallee 6 (1955)[5]
von dem Architekten Cäsar F. Pinnau (1906-1988) für den Erfinder und Unternehmer Rudolf Hell (1901-2002)[6]

Villa Steffen, Bismarckallee 17 (um 1910)
von dem Architekten Carl Mannhardt (1875-1918) für den Konteradmiral 'William Kutter (1863–1941). Der nachfolgende Eigentümer war Ernst Oberfohrer, der 1933 in der Villa erschossen aufgefunden wurde.[6]

Villa Bismarckallee 19 (um 1905)[5]
von dem Kieler Architekten Johann Theede für den Kieler Unternehmer H. Beckmann, Inhaber der Fabrik chirurgischer Instrumente, orthopädischer Maschine, künstlerischer Glieder, Bandagen etc. sowie großes Lager.[6]

Einfamilienhaus Bismarckallee 27[5]
Villa Bismarckallee 32 (1898)[5]
von dem Architekt und Unternehmer H. C. Jaacks im neobarock-neoklassizistischen Stil errichtet für den Unternehmer Gustav Blicker, Inhaber der Kieler Malzwein- und Liqueurfabrik J. Blicker[6]
Villa Bismarckallee 36
Seeburg, Düsternbrooker Weg 2 (1910)[5]
von dem Reformarchitekten Theodor Fischer (1862-1938) unter der Leitung des Königlichen Baurats Georg Friedrich Lohr (1861-1945), im 2. Weltkrieg stark beschädigt, und in vereinfachter Form wieder aufgebaut.[6]
Villa Karstadt, Düsternbrooker Weg 36
Kruppsche Logierhaus, Kiellinie 66 (1900/1901)[5]
Das Kruppsche Anwesen liegt zwischen dem Düsternbrooker Weg 120 - 122 und den damaligen Strandweg (später in Hindenburgufer umbenannt). Das Logierhaus des Kaiserlichen Yachtclubs war ein sehr elegantes Hotel-Restaurant für anspruchsvolle Gäste während der Kieler Woche. Nachdem die Kieler Universität das Gebäude erworben und 1919/20 umgebaut hatte, wurde es Sitz des Königliches Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und vereinfacht wieder aufgebaut.[7]
Forstbaumschule, Düvelsbeker Weg 46 (1904/1905)[5]
von J. Pregyn im Landhausstil entworfen unter Stadtbaurat Georg Pauly als Gaststätte errichtet
Villa Hohenbergstraße 2 (vor 1900)
von den Architekten Schwerdtfeger/Schmüser für den Landesökonomierat Gottfried Emil Hölck (1835-1916). 1938 ging sie in den Besitz des Kieler Universität, von 1948 bis 1978 Sitz des Instituts für Meereskunde, danach Außenstelle.
Villa Martius, Hohenbergstraße 4 (um 1880)
erwarb der Philosoph, Psychologe und Hochschullehrwer Prof. Götz Martius (1853-1927) und umbaute sie. Seine Witwe und seine Tochter Lilli Martius verkauften 1937 an die Kieler Universität. Im 2. Weltkrieg stark beschädigt.
Haus Quickborn, Klaus-Groth-Platz 1 (1908/1909)
von dem Architekten Johannes Sommer für die Anschar-Schwesternschaft als Heilanstalt für Privatpatienten. Heute Geschäftsstellen des DRK-Kreisverbandes und -Landesverbandes sowie des Bildungswerkes Nord.
Villa Niemannsweg 78 (1908/1909)
von dem Kieler Architekten Hans Beissel für den Physiker Prof. Conrad Dieterici (1858-1929), der ab 1907 an der Universität Kiel tätig war und von 1915 bis 1916 war er Rektor. Die Villa hat nach dem 2. Weltkrieg bis 2008 Gästehaus Schlesiwg-Holsteinischen Landregierung. Im Februar 2008 wurde das Mobiliar versteigert; der Erlös floss in die Ausstattung des neues Gästehauses am Landeshaus.
Villa Niemannsweg 90 (1950)
von dem Architekten Ernst Stoffers als Dienstvilla der Firma Wilhelm Jacobsen AG
Kieler Kaufmann, Niemannsweg 102 (1911)
von dem Architekten und Kirchenbaumeister des Kieler Kirchgemeindeverbandes Wilhelm Voigt im Stil der Heimatschutzarchitektur für Ludwig Ahlmann. 1937 kaufte die Villa die Marine, im 2. Weltkrieg stark beschädigt, saniert vom Kieler Kaufmann e.V. und Haupthaus des Hotels.
Villa Niemannsweg 105 (1898)
für den Unternehmer Ernst Nehve, der 1872 am Markt zunächst die Mineralwasser- und Liqueurfabrik, später die Kornbranntwein-, Likör- und Mineralwasser-Fabrik, Weinhandlung errichtet hatte. Die

Villa Niemannsweg 113 (1892) erwarb er für seinen politisch engagierten Sohn Ernst Nehve.

Villa Fischel, Niemannsweg 127 (1904)
von dem Architekten und Künstler Richard Riemerschmid (1868-1957) (deshalb auch bekannt als Villa Riemerschmidmit) und dem Kieler Bauunternehmer Stade für den Konteradmiral Max Fischel (1850-1929) im in Kiel damals noch ungewöhnlichen Jugendstil gebaut.
Haus Bachmann, Niemannsweg 133 (1904)
in Landhausstil der Reformarchitektur von Hans Schittger für den Kapitän und späteren Admiral Gustav Bachmann (1860-1943), der u. a. Lehrer an der Kieler Marine-Akademie war.
Uthoff-Klinik (Augenklinik Bellevue), Lindenallee 21 (1906)
neo-barocker Stil von H. C. Jaacks errichtet. 1919 erwarb

Johann Georg Lubinus (1893-1973) die Villa. Nach dem 2. Weltkrieg beschlagnahmt, später umbaute die Familie Lubinus die Villa für Klinikzwecke. 1984 kaufte sie der Prof. Dr. med. Detlev Uthoff.

Christiansen-Villa, Roonstraße 7 (um 1904)
im Landhausstil der Reformarchitektur und Villa Roonstraße 9 (um 1907)

von dem Kieler Architekten Hans Beissel für den erfolgreichten Kieler Tischlermeister August Christiansen errichtet, der bereits in der Roonstr. 16 wohnte.

Villa Stobbe, Roonstraße 11 (1905)
in Landhausstil der Reformarchitektur von dem Architekt Hans Schnittger für den Rechtsanwalt und später Justizrat Adolf Stobbe errichetet. Stobbe und Dr. Hennings waren Prozessbevollmächtigter der Kläger Gemeinde Ellerbek und Stadt Kiel im ersten Prozess 1902 gegen die Beklagte Reichsmarinefikus, Könglich Preußische Staatsfiskus und Fiskus des Deutschen Reiches. Die Kläger beanspruchte den Eigentum am Kieler Hafen und an der Kieler Förde wegen Landenteignung zur Werfterweiterung. Im ersten Prozess gewannen sie, 1904 verloren sie in der Berufung.[8]
Villa Roonstraße 14 (1905)
von dem Architekten Hans Beissel für Korvetten-Kapitän Oskar Graf Platen zu Hallermund errichtet
Literaturhaus Schwanenweg 13 (1907)
Ehemalige Wohnhaus des Ober-Garteninspektors des Botanischen Gartens. Ab 1989 Sitz des Literaturhauses Schleswig-Holstein e. V.
Villa der Universitätssternwarte Sternwartenweg 5 (1873)

Anderen Villen in Kiel

  • Villa Holtenauer Straße 100 (1890)
    für den Arzt Dr. Otto Portwich, der dort eine urologsche Praxis und Klinik eingerichtet hatte. 2018 saniert als Gebäude der Gastgewerbes.[9]

Abgegangene Villen in Düsternbrook

Der Unternehmer erwarb neben der Villa in der Hohenbergstraße eine zweite Villa am Niemannsweg,

  • Villa Wegener (um 1897)
    von der Architektengemeinschaft Schwerdtfeger/Egon Schmüser für den Theologieprofessor Eduard Grafe (1855-1922). Es folgten als Eigentümer Emil Hölck, Serafina Scholvien und der Stadtverordnete Rechtsanwalt und Notar Dr. Heinrich Thomsen. 1909 erwarb der damals in Kiel bekannte Unternehmer Adolf Wegener (1870-1942), Inhaber der Firma J. H. Hoge in der Holstenstraße, die Villa. Nach ihm wurde die Villa genannt, die im 2. Weltkrieg zerstört wurde.
    Schwerdtfeger/Schmüser bauten auch zwei weitere einfachere Villen: in der Bartelsallee 22 (1891) und in der Bismarckalle 14 (1894).[10]
  • Haus Forsteck (1866) im heutigen Diederichsenpark
    Der Unternehmer und Meeresforscher Heinrich Adolph Meyer errichtet das Haus Fosrteck auf dem Gelände des ehemaligen der Fruchtbaumschule. 1893 erwarb es Heinrich Diederichsen. Nach seinem Tod 1942 hatte die Stadt Kiel gekauft. Hier ereignete sich die Gerichtsverhandlung gegen den U-Bootskommandan Oskar Kusch. 1944 wurde das Haus Forsteck durch Luftangriffe zerstört.[6]
  • Villa Schwerdtfeger (vor 1900)[11]
Neubau der Auffahrt zur Schwentinebrücke

Abgegangene Villa in Neumühlen-Dietrichsdorf in der Heikendorfer Weg 20 der Familie Schwerdtfeger. Ernst Schwerdtfeger war als Ehemann der jüngsten Schwester von Emma Howaldt, geb. Diederichsenm Mitglied im Aufsichtsrat der Howaldtswerke[12]

1967 wurde das Haus abgerissen, um das sogenannte Kieler Hufeisen zwischen der Tiefer Allee und die Schönkirchener Straße zu bauen.

Einzelnachweise

  1. Weitere Informationen zum Thema Villa in der deutschsprachigen Wikipedia
  2. Weitere Informationen auf der norwegischen Wikipedia über Egon Schmüser
  3. Neubau ein Fall für das Gericht; Bauprojekte in Kiel-Düsternbrook: Höchste Zeit zum Eingreifen auf der kn-online.de, abgerufen am 28. Dezember 2018
  4. Weitere Informationen zum Thema Villenviertel in der deutschsprachigen Wikipedia
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 Liste der Kulturdenkmale in Kiel (nach Stadtteilen gegliedert) in der deutschsprachigen Wikipedia
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 Angela Raabe, Villen und Landhäuser in Kiel, CULTURCON Berlin/Wildeshausen 2011
  7. [https://www.kiel.de/de/bildung_wissenschaft/stadtarchiv/erinnerungstage.php?id=81 1807 Vor 200 Jahren entstand der Düsternbrooker Weg} unter Düsternbrook - ein beliebtes Ausflugsziel
  8. Stadtarchiv Kiel: Signatur: 23053 Klassifikation: 16. Gemeinde - Grundeigentum, Hafengerechtsame « 2. Ellerbek (Gemeinderegistratur) « Eingemeindete Orte Provenienz: Ellerbek Titel: Handakten der Rechtsanwälte Stobbe und Dr. Hennings in Kiel betr. den Prozess der Gemeinde Ellerbek gegen den Reichsmarinefiskus wegen Landenteignung zur Werfterweiterung Laufzeit: 1904 - 1907 Handakten der Rechtsanwälte Stobbe und Dr. Hennings in Kiel betr. den Prozess der Gemeinde Ellerbek gegen den Reichsmarinefiskus
  9. Georg Gauri saniert Villa seiner Eltern in Kiel auf kn-onlie.de, abgerufen am 28. Dezember 2018
  10. >Kai Detlev Siever, Die Villa Wegener in Düsternbrook, S.219ff. in: Markus Tauschek (Hrsg.) Handlungsmacht, Widerständigkeit und kulturelle Ordnungen: Potenziale kulturwissenschaftlichen Denkens. Festschrift für Silke Göttsch-Elten, Waxmann Verlag, Münster 2017
  11. Aquarell auf der Webseite Villa Schwerdtfeger
  12. Vortrag von Anneliese Kunstreich, geb. Howaldt auf dem Familientreffen 2000 in Lübeck auf der Website Treffpunkt Howaldt. Es ist nicht klar, ob der genannte Ernst Schwerdtfeger Wulf Ernst Theodor Schwerdtfeger (1818-1889) oder Ernst Wilhelm August Schwerdtfeger (1856-193?) war (siehe Anhentafel der Famile Schwerdtfeger)